Wohnhochhäuser? Das schlechte Image wandelt sich

Philipp Schmitz-Morkramer, Vorstand der Quantum Immobilien AG, sieht einen fundamentalen Umbruch. Das Negativimage wandelt sich. Wohnhochhäuser entstehen im exklusiven Segment.

Aktuelle Lage

In Deutschland leben fast acht von zehn Einwohnern in Städten, Tendenz steigend. Die deutlich wachsende Stadtbevölkerung trifft gerade in den Großstädten zunehmend auf einen erkennbaren Mangel an verfügbaren Flächen. Vor diesem Hintergrund ist die Innenentwicklung in fachlich-planerischen Diskursen und in der Immobilienbranche immer mehr in den Fokus gerückt.

Erstens, weil durch höhere Einwohnerdichten bestehende Infrastrukturen effizienter genutzt werden können und der Flächenverbrauch am Stadtrand eingeschränkt werden kann. Und zweitens ist die Nachfrage nach städtisch-integrierten Wohnstandorten deutlich gewachsen, so dass auch die Immobilienwirtschaft ein hohes Interesse an entsprechenden Projekten hat.

Entwicklung

Die Priorisierung der Innenentwicklung ist unter anderem durch eine Entwicklung in die Höhe möglich. Insbesondere in den deutschen Großstädten, in denen die Wohnungsnachfrage auf ein begrenztes Angebot stößt und extrem hohe Bodenpreise erzielt werden, setzt sich der Trend zum Wohnhochhaus weiter fort. Zwischen 2014 und 2019 wurden insgesamt rund 7.500 Hochhauswohnungen fertiggestellt. Bis 2022 werden ca. weitere 8.000 Wohnungen hinzukommen. Zu den regionalen Spitzenreitern zählen dabei weiterhin die genehmigungsrechtlich liberalen Städte mit einer teilweise schon bestehenden Hochhausstruktur wie Berlin, Düsseldorf und Frankfurt.

Hoch hinaus heißt Luxus

Generell scheint sich aber auch in anderen Städten das lange Zeit negativ behaftete Image der Wohnhochhäuser zu wandeln. Anders als in den 1970er Jahren werden heute viele Wohnhochhäuser dem exklusiven Segment zugeordnet, womit sich die heutige Kritik weniger auf Stigmatisierung, sondern vielmehr auf die relativ hohen Miet- und Kaufpreise kapriziert.

Die Zielgruppe der höherwertigen Wohntürme sind einkommensstarke (internationale) Urban Professionals, die ein hohes Maß an Komfort (beispielsweise Conciergeservice oder hauseigene Fitnesseinrichtungen), spektakuläre Aussichten und die Nähe zum wirtschaftlichen Zentrum der Stadt schätzen. Gerade moderne, innerstädtisch gelegene Mikroapartments werden auch aufgrund der zunehmenden Anzahl an Geschäftsreisenden immer gefragter. Wohnhochhäuser sind damit eine Wohnform, die ideal auf die Bedürfnisse der Arbeitswelt und Wohnbedürfnisse von morgen zugeschnitten ist. Dabei können sie auch zur Belebung eines ansonsten einseitig von Büros geprägten Umfelds beitragen.

Nutzung

Hochwertige Wohnhochhäuser sind in vielen Metropolen weltweit ein etabliertes Konzept zur Schaffung von modernem und zentralem Wohnraum. Für den Bedarf nach bezahlbaren Wohnungen schienen sie hingegen lange Zeit keine adäquate Lösung zu sein.

In jüngster Zeit gibt es allerdings eine wachsende Zahl an Projekten, die den Stadtbaustein Wohnhochhaus auf eine breitere gesellschaftliche Basis stellen. In immer mehr Wohnungsbauvorhaben wird infolge kommunaler Vorgaben sozial und funktional gemischt. Ein Teil der Wohnungen wird entsprechend mietpreis- und belegungsgebunden angeboten, unterschiedliche Wohnungsmixe richten sich an unterschiedliche Zielgruppen und die unteren Geschosse werden häufig als Büro-, Einzelhandels- und Gastronomieflächen genutzt.

So registriert die aktuelle BulwienGesa-Hochhausstudie (https://www.bulwiengesa.de/de/studien/marktreport-wohnhochhaus-2016) nur bei einem Drittel der neuen Hochhausprojekte Preisaufschläge gegenüber dem herkömmlichen Geschosswohnungsbau. Insgesamt können Hochhäuser mit einer hohen vertikalen Nutzungsvielfalt einen Beitrag zur urbanen Qualität des Quartiers leisten, indem sie der anhaltend hohen Nachfrage nach zentralen Wohn- und Bürolagen begegnen und gleichzeitig Flächen für den Einzelhandel, Gastronomie und wichtige kulturelle und soziale Angebote schaffen.

Hoch hinaus und Klimaschutz

Zwar weisen Hochhäuser im Verhältnis zu klassischen Wohnbauten in der Regel eine schlechtere Energiebilanz auf, weil beispielsweise Klima- sowie Heizungssysteme, Aufzüge und Pumpen für die Wasserversorgung viel Strom benötigen.

Wohnhochhäuser können aber dennoch einen wichtigen Beitrag zu den Klimaschutzzielen Deutschlands leisten. So soll die tägliche Siedlungs- und Verkehrsflächenneuausweisung (aktuell 58 ha pro Tag) bis 2030 auf unter 30 Hektar und bis 2050 sogar auf ein Flächenverbrauchsziel Netto-Null reduziert werden. Durch die vertikale Bündelung von Flächen auf kleinem Raum kann das Hochhaus dazu ein wichtiges Instrument sein, das im Vergleich zum Geschosswohnungsbau mit gleicher Nutzfläche einen geringeren Grundflächenverbrauch verursacht.

Gleichzeitig begünstigt seine höhere Nutzungsdichte kompakte Siedlungsstrukturen mit kurzen Wegen, in denen die Menschen häufiger zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Nahverkehr unterwegs sind als mit dem Auto. Dadurch können vertikal verdichtete Baustrukturen wiederum einen positiven Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in Städten leisten. Eine sehr gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad ist dafür Voraussetzung. Bei der Ökobilanz von Neubauten rückt schließlich auch der Baustoff in den Fokus. Auch im Hochhaussegment zeigen aktuelle Projekte, dass Holz als Baumaterial in Zukunft stärker zum Einsatz kommen und den ökologischen Fußabdruck von Hochhäusern weiter verbessern könnte.

Hoch hinaus und Zukunftsfähigkeit

Schließlich gilt vertikales Wachstum auch als Gradmesser für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte. Nicht nur weil verfügbare Flächen in den Innenstädten endlich sind und einer hohen Nutzungskonkurrenz zwischen neuem Wohnraum, rentablen Gewerbeflächen und für die Bevölkerung und das Stadtklima wichtigen Grünflächen unterliegen. Sondern auch, um die deutschen Städte in einer modernen, globalisierten Arbeitswelt zu positionieren und innovative Wohnformen zu erproben.

Wohnhochhäuser können dabei ein Stadtbild durchaus bereichern und prägen. Aber nur, wenn sie architektonisch und ästhetisch ansprechend gestaltet sind und der Bezug zur Umgebung vorhanden ist, können sie als Landmarke fungieren und Sichtachsen innerhalb der Stadt stärken. Letztendlich können sie im Einzelfall sogar zu Touristenmagneten werden und dabei auch viele Einheimische begeistern. Entscheidend ist dabei allerdings, dass das Wohnhochhaus mit der Umgebung korrespondiert und sich gegenüber der Stadt öffnet.

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Reinhard Joecks, Partner bei Foster + Partners, London, sieht jedes Hochhaus verankert in seiner Umgebung: „A great tower rises smoothly from its surroundings at ground level, creating generous, human-scaled public space that is entirely of its neighbourhood.”

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Dr. Andreas Kleinau, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH, sieht die Grenzen traditioneller Stadtplanung: „Unsere Städte müssen nicht dichter, sondern vor allem flächenwirtschaftlicher werden. Die Förderung des sozialen Miteinanders sollte Standard werden.“

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Architekt und Städteplaner Justus Pysall aus Berlin bleibt skeptisch: „Wohnhochhäuser erreichen weder im Bau noch Betrieb die Wirtschaftlichkeit von Blockbebauungen und sind hinsichtlich ökologischer Aspekte vielfältig problematisch.“

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Für Kölns Stadtbaudezernent Markus Greitemann hat „der Bau von Hochhäusern auch immer etwas mit der Selbstdarstellung einer Großstadt zu tun.“ Greitemann spricht einen prinzipiellen Konflikt an: Baukultur versus Höhenwachstum.