Ein Beitrag zu nachhaltigen Quartieren!

Dr. Andreas Kleinau, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH, sieht die Grenzen traditioneller Stadtplanung: „Unsere Städte müssen nicht dichter, sondern vor allem flächenwirtschaftlicher werden. Die Förderung des sozialen Miteinanders sollte Standard werden.“

Historische Grundlage

Obwohl in den zurückliegenden Jahren das Wachstum der Großstädte ungebrochen war, spielt das Wohnhochhaus, anders als in weiten Teil der Welt, weiterhin eine nur untergeordnete Rolle. Die Verdichtung der Städte in Deutschland orientiert sich heute an der sogenannten europäischen Stadt – einer in Blockstrukturen angeordneten, mittelhohen Bebauung. Sie ist dabei keineswegs weniger dicht als die wenigen Hochhaussiedlungen, welche in den 1970er Jahre am Rand deutscher Städte entstanden sind. Trotzdem lohnt es sich über das Wohnhochhaus neu nachzudenken. Denn die am 19. Jahrhundert orientierte europäische Stadt kommt vor dem Hintergrund aktueller ökologischer und sozialer Herausforderungen an ihre Grenzen.

Grenzen der europäischen Stadt

Wenig Grund

Die dichte, aber durchgehend nur mittelhohe Bebauung deutscher Städte beansprucht verhältnismäßig viel Grundfläche. Dies führt zu einer Verknappung von Stadtraum, an den aber zunehmend mehr soziale und ökologische Ansprüche gestellt werden. Als ein Reaktionsmuster ist zu beobachten, dass die Wohnungsgrößen und damit die Fläche je Bewohner*in stagnieren und sogar zurückgehen.

Bewohner*innen kompakterer Wohnformen kompensieren den Raumverlust durch eine teilweise Verlagerung von Aktivitäten aus dem privaten in den öffentlichen Raum. Sogenannte dritte Orte gewinnen an Bedeutung. Dazu zählen insbesondere Grün- und Freiräume, aber auch die stadtraumbegleitenden Nutzungen im Erdgeschoss – beispielsweise das Café.

Das mittlerweile in fast allen deutschen Städten entfachte Ringen um eine Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen veranschaulicht die Knappheit des Guts Boden im städtischen Raum. Mehr Frei- und Grünflächen sind dabei nicht nur ein soziales Thema, sondern helfen uns auch im Umgang mit den Folgen des Klimawandels. Mehr Grün in der Stadt kann zur Reduktion von Hitzeinseln, der Lärmreduktion und der Entlastung von Schadstoffen führen. Es wirkt indirekt gegen den Klimawandel, steigert die Biodiversität und schafft neue Habitate für Tiere im Stadtraum.

Diese Tendenz, die sich schon vor Zeiten der globalen Corona-Pandemie abzeichnete, wurde in Zeiten des Lockdowns deutlich verstärkt, stellt die Gesellschaft aber im Hinblick auf den Wohnraum und die neuen Funktionsüberlagerungen (Home-Office und Home-Schooling) vor neue Herausforderungen.

Von Dichte zur Flächeneffizienz

Hoch hinaus

Unsere Städte müssen also nicht dichter, sondern vor allem flächenwirtschaftlicher werden. Die verbleibenden Anpassungsmöglichkeiten sehen dann nur noch das Wachsen in die Höhe vor.

Vielerorts in den Zentren deutscher Städte wird heute knapp unterhalb der gesetzlichen Hochhausgrenze gebaut, deren Höhe von rund 22 Metern sich aus der maximalen Rettungshöhe der Leiterwagen der Feuerwehr ergibt. Wer darüber hinaus nach oben bauen will, muss bauliche Vorkehrungen treffen, die eine Rettung aus dem Gebäude sichern. Dies führt zu einem höheren technischen Aufwand und zu einer veränderten Flächenwirtschaftlichkeit des Gebäudes durch zusätzliche Erschließungsflächen.

Das Bauen wird an dieser Schwelle sprunghaft teurer. Eine Entscheidung für das Überschreiten der Hochhausgrenzen wird ökonomisch oft erst sinnvoll, wenn die Überschreitung deutlich ausfällt, um mit dem zusätzlichen Flächengewinn die Kostensteigerung zu kompensieren. Andernfalls bleibt nur die Möglichkeit, die gestiegenen Herstellungskosten über höhere Verkaufspreise und Mieten zu kompensieren. Eine weitere Komponente des Bauens ist der CO2-Fußabdruck, den das Gebäude in den Phasen der Errichtung, des Betriebs und des Rückbaus hinterlässt. Auch hier lassen sich positive Skaleneffekte in der CO2-Bilanz vermuten, je kompakter und folglich höher man baut.

Wird die Hochhausgrenze also an ausgewählten Standorten durch individuelle Hochpunkte deutlich überschritten, kann sich der bauliche und finanzielle Mehraufwand rechnen und gleichzeitig eine mit der europäischen Stadt kompatible städtebauliche Akzentuierung ergeben. Dass dies auch nachhaltig geht, zeigt beispielsweise das Projekt „Roots“ in der HafenCity (https://roots-hamburg.de/). Hier entwickeln sich aus einem 7-geschossigen Block 19 Geschosse vorwiegend aus Holz mit knapp einem Drittel gefördertem Wohnungsbau.

Von der Hausgemeinschaft zum Quartier

Zusammenleben

Neben der städtebaulich-ökologischen Debatte zum Wohnhochhaus gibt es aber auch einen gesellschaftlichen Diskurs. Wohnhochhäuser gelten als anonym mit negativen Folgen für das gesellschaftliche Miteinander. Im kritischen Diskurs wird angeführt, dass es zu einem Maßstabsverlust kommt, der für die Bewohner*innen zu einer Entfremdung führt. Es gibt zahlreiche Beispiele von Hochhaussiedlungen der frühen 1970er Jahre, in denen ebensolche Effekte beobachtet wurden, aber ebenso viele auch in Siedlungen, in denen die Höhe nicht das Kriterium war.

Die Förderung des sozialen Miteinanders und das Vorhandensein von Begegnungsflächen und -räumen in Gebäuden sollte zum Standard werden und kann meiner Meinung nach auch den Wohnhochhäusern wertvolle Impulse geben und Antworten auf die aktuellen Fragen des Wohnens und Arbeitens in der Stadt liefern. Diese gemeinsamen Infrastrukturen können Angebote wie gemeinsame Arbeitsflächen (Co-Working) oder Gästezimmer beinhalten, die allen Bewohner*innen zur Verfügung steht. Dies sind aber Flächen, die erst entstehen können, wenn die Flächenökonomie eines Grundstücks optimiert werden kann.

Gleichzeitig sollte bedacht werden, dass Wohnhochhäuser in Zukunft nicht in monokulturellen Wohnsiedlungen realisiert werden, sondern in feinkörnig durchmischten Quartieren mit unterschiedlichsten Nutzungsangeboten.

Es ist das bunte Quartier, welches mit seinen dritten Orten die Wohnung erweitert und zu einem gemeinschaftlichen Zuhause verschiedenster Gesellschaftsgruppen wird. Wohnhochhäuser könnten so durch ihre Flächeneffizienz einen entscheidenden Beitrag zu sozialeren und nachhaltigeren Quartieren leisten.

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