Wir brauchen neue Modelle für das Wohnen in der Höhe

Architekt und Städteplaner Justus Pysall aus Berlin bleibt skeptisch: „Wohnhochhäuser erreichen weder im Bau noch Betrieb die Wirtschaftlichkeit von Blockbebauungen und sind hinsichtlich ökologischer Aspekte vielfältig problematisch.“

„Wohnhochhaus“ steht für Massenwohnungsbau in fernen Megacities, Vorstadt Agglomerationen der 70er und 80er Jahre oder Luxustower in Großstädten. In der Wechselwirkung von fehlender Außenraumqualität, Vernachlässigung der allgemeinen Bereiche (meist durch Sanierungsstau) und einen mangelnden Bezug der Bewohner zu Ihrer Umgebung, sind Hochhäuser vielfach soziale Brennpunkte – selten Stadtbausteine mit robustem, funktionierenden Umfeld – und vereinzelt De-Luxe-Varianten großstädtischen Wohnens.

Wohnhochhäuser erreichen weder im Bau noch Betrieb die Wirtschaftlichkeit von Blockbebauungen und sind hinsichtlich ökologischer Aspekte vielfältig problematisch. Auch ist im Kontext der Höhenmaßstäbe einer europäischen Stadt, im Vergleich zu einer dichten Blockbebauung auf gleicher Stadtfläche, der Wohnflächengewinn mit Hochhäusern unwesentlich.

Old School-Hochhäuser meist lediglich mit den Innenraumqualitäten des Wohnens in der Höhe – zu wenig für solch einen dominanten Stadtbaustein. Es sind also gänzlich neue Modelle für das Wohnen in der Höhe zu entwickeln – wobei sie immer die Ausnahme für eine punktuelle Verdichtung bleiben sollten.

Die „Hochwohn-Typologie“ der Zukunft hat für eine erfolgreiche Integration in die Europäischen Stadt Antworten zu finden, die dem städtischen Zusammenleben und den gesellschaftlichen sowie ökologischen Herausforderungen nutzend zuträglich sind. Gleichwertig hat sie als städtebaulicher Sonderbaustein und punktuelle Verdichtung der Stadtkomposition gewinnbringend beizutragen.

Bei Stadtverdichtung im Allgemeinen und bei punktueller Verdichtung im Besonderen, ist ein Gesamtkonzept für eine gesellschaftlich und ökonomisch ausgewogene Bebauung zu verfolgen, um einen starken sozioökonomischen Zusammenhalt und damit einen lebenswerten, zukunftsfähigen Ort zu generieren. Die Frage nach dem Nutzen für die Gesellschaft ist dabei in einem partizipativen Prozess, unter Einbeziehung direkt und indirekt Betroffener, weit vor den Gedanken möglicher Nutzungs- oder gar Gestaltungs- oder Formfindungen, zu klären.

Der Kiez muss den Turm hinaufwachsen

Das städtische Leben muss nicht nur um das Haus herum und im Erdgeschoss des Hochhauses mit vielfältigen Nutzungsangeboten aufwarten – der Kiez muss regelrecht den Turm hinaufwachsen. Das Haus selbst ist wie ein Stadtquartier – ein vertikaler Kiez – zu denken. Eine Mischung aus öffentlichen und gewerblichen Flächen – Läden, Büros, produzierendes Gewerbe, Gastronomie sowie kollektiven Nutzungen, sozialen Einrichtungen, auch Schul- oder Kitaflächen – ist anzustreben.

Mit der Durchmischung von ökonomischen, kollektiven und öffentlichen Nutzungen, werden die Sockelzonen „lebendig“. In den Obergeschossen evozieren gemeinschaftlich von den Bewohnern genutzte Bereiche gute Nachbarschaft. Dies können Winter- oder Dachgärten für Urban Gardening, DIY-Spaces oder großzügige, offene Koch- und Essbereiche auf Etagen mit Kleinstwohnungen sein.

Wohnkonzepte mit zeitgemäßen Wohnformen, flexibel im Grundriss und Wohnungsgröße sowie anpassbar auf unterschiedliche Lebensphasen- und Formen des Zusammenlebens sind die Zukunft. Die hierarchische Abfolge von gefördertem Wohnungsbau, Mietwohnungen und Eigentums-wohnungen in den oberen Etagen, ist durch ein heterachisches Miteinander zu ersetzen.

Auch konstruktiv muss das Haus als „Gerüst“, für ständig verändernde Anforderungen und daraus folgende Umbauten ohne aufwendigen Material- und Kostenaufwand, geplant werden. Mit einer ökologisch nachhaltigen Bauweise, dies beinhaltet die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus des Hauses von Bau und Betrieb bis Abriss und Wiederverwendung, muss ein zukunfts-fähiges Wohnhochhaus Ressourcen- und Klimaschutzzielen nachkommen. Die Verwendung von zirkulären Baustoffen und nachwachsenden, CO2 neutralen Energieträgern stellt bei einem Hoch-haus dabei besonders hohe Herausforderungen.

Die Frage, wann und unter welchen Bedingungen Hochhäuser ein Mehrwert für die Stadtentwicklung darstellen, ist hiermit nur zu einem Teil beantwortet. Erst die Auseinandersetzung mit den Parametern des Ortes und den Herausforderungen des Raumprogrammes klärt final, ob ein Wohnhochhaus zu einem Mehrwert für einen Stadtteil werden kann – eine komplexe Aufgabe!

Lesen Sie hier den Artikel »Hochhäuser dürfen keine Verwertungsmaschinen sein«

Cornelia Zuschke, Beigeordnete für Planen, Bauen, Mobilität und Grundstückswesen der Landeshauptstadt Düsseldorf macht klar: „Hochhäuser dürfen keine Verwertungsmaschinen sein.“

Lesen Sie hier den Artikel »Wohnhochhäuser? Das schlechte Image wandelt sich«

Philipp Schmitz-Morkramer, Vorstand der Quantum Immobilien AG, sieht einen fundamentalen Umbruch. Das Negativimage wandelt sich. Wohnhochhäuser entstehen im exklusiven Segment.

Lesen Sie hier den Artikel »Ein Beitrag zu nachhaltigen Quartieren!«

Dr. Andreas Kleinau, Geschäftsführer der HafenCity Hamburg GmbH, sieht die Grenzen traditioneller Stadtplanung: „Unsere Städte müssen nicht dichter, sondern vor allem flächenwirtschaftlicher werden. Die Förderung des sozialen Miteinanders sollte Standard werden.“

Lesen Sie hier den Artikel »High-rise buildings can make a key contribution to the urban fabric«

Reinhard Joecks, Partner bei Foster + Partners, London, sieht jedes Hochhaus verankert in seiner Umgebung: „A great tower rises smoothly from its surroundings at ground level, creating generous, human-scaled public space that is entirely of its neighbourhood.”

Lesen Sie hier den Artikel »Hochhäuser als Selbstdarstellung einer Großstadt«

Für Kölns Stadtbaudezernent Markus Greitemann hat „der Bau von Hochhäusern auch immer etwas mit der Selbstdarstellung einer Großstadt zu tun.“ Greitemann spricht einen prinzipiellen Konflikt an: Baukultur versus Höhenwachstum.