Architektur als dritter Pädagoge

Architekt Jo Landwehr über die Herausforderung, Schule neu zu denken.

Jo Landwehr, Geschäftführer, LH Architekten, Landwehr Henke + Partner mbB, Hamburg

Stadtplaner Jan Gehl sagt, dass man Städte und Häuser für Menschen planen solle. Ähnliches sollte auch für Schulen gelten: Schulen für Schüler. Leider keine Selbstverständlichkeit, wenngleich sich einiges bewegt. Was war Ihr prägendes Schulerlebnis? Wie haben Sie die Räume seinerzeit erlebt?

Es sind ja eher die zwischenmenschlichen Beziehungen – zum scheltenden oder lobenden Lehrpersonal –, Konflikte und Freundschaften, erste Lieben und Enttäuschungen, die die prägenden Erlebnisse der Schulzeit sind. An die baulichen Umgebungen erinnere ich mich aber auch immer gern: An die Grundschule im Gründerzeitbau im Dorfzentrum, Backstein, knarzende Türen, Holzparkett, Stahlrohstühle, wenig Heizung. Die Orientierungsstufe habe ich im provisorischen Pavillon mit viel Plastikbaustoff, Nachtspeicherheizung und schlechter Akustik verbracht. Und dann kam das das modere Beton-bru-Gebäude meines Gymnasiums, pur und rau, aber mit warmen Teppichböden, was ich seinerzeit luxuriös und besonders fand.

Schulen prägen die gesamte Kindheit und Jugend und müssen auch in dieser Hinsicht sorgsam entwickelt und gestaltet werden. In Louisenlund haben wir versucht, den Schulbau quasi als zusätzlichen Pädagogen zu betrachten und seinen Einfluss auf die Empfindungen und Entwicklungen der Schülerinnen und Schüler zu formen.

Außenfassade Wohngebäude

Für die Stiftung Louisenlund dürfen Sie einen neuen Schulcampus planen. Der Leiter der Stiftung will die Schule neu denken. Architektur und Raum bilden den Rahmen und die Plattform, von der aus sich das Lernen in der Schule neu gestalten und entdecken lässt. Wie würden Sie Ihren Entwurf in wenigen Sätzen beschreiben? Was sind die Grundlagen des architektonischen Konzepts?

Louisenlund ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Schule. Lassen Sie mich Aspekte hervorheben, die uns jenseits aller Herausforderungen an das Planen und Bauen heute besonders beschäftigt haben: Der Ort ist ein von der Familie geprägter Sehnsuchtsort, gewachsen in den seichten und bewaldeten Hügeln an der Schlei, gemauert aus hellem dänischen Ton. Satteldächer und Scheunentypologien sind quasi die Archetypen der Liegenschaft. In diesem Duktus haben wir den Schulneubau integriert und als Reihung von Satteldachhäusern mit ähnlichen First-und Traufhöhen so arrondiert, dass das Schloss die Dominante bleibt und die Schulbauten sensibel „weitergebaut“ werden.

Labor im Lern- und Forschungszentrum

Zentrales architektonisches Motiv der Häuser ist die jeweils verglast geöffnete Giebelwand, die den Innenraum mit der Landschaft und den Bestandsbauten verbindet, während die Flanken mit Lochfassaden eher geschlossen wirken, um ein konzentriertes Lernen und Arbeiten zu ermöglichen. Die hölzerne Materialität verbindet den Schulneubau mit dem spektakulären neuen Wohnring. Dieser fördert das Zusammenleben um einen gemeinsamen, landschaftlich geprägten Innenhof. Die rote Farbgebung der Holzkonstruktion wiederum zitiert die auf dem Campus bereits vorhandenen nordeuropäisch geprägten Bautypologien.

Außenfassade Lern- und Forschungszentrum

Wie sieht der Schulraum – oder besser: der Raum für die Schüler im künftigen Campus Louisenlund aus? Wo liegen die räumlichen Innovationen, und was unterscheidet Louisenlund vom tradierten Schulbau? Was dürfen Schüler und Lehrer dort erwarten?

Die Schulräume haben wir als „Lernlandschaften“ konzipiert, die durch ihre Struktur und Gliederung sowohl Zurückgezogenheit als auch Versammlung zulassen. Alle Räume werden durch akustisch wirksame Vorhangstoffe gebildet, die vielfältigste Raumzuschnitte ermöglichen. Das ist ein radikaler Schritt und im klassischen Schulbau eher undenkbar. Louisenlund geht hier voraus und fokussiert auf eine jahrgangsübergreifende Pädagogik, die den einzelnen Schüler im Blick hat und dessen individuelle Entfaltungsmöglichkeit fördert. Lehrer und Schüler wird das gleichermaßen fordern und in ihrer Zusammenarbeit beflügeln.

Lernlandschaft im Lern- und Forschungszentrum

Lesen Sie hier den Artikel »Experte für das eigene Lernen werden«
Die Stiftung Louisenlund denkt Schule neu – pädagogisch wie architektonisch.
Dr. Peter Rösner leitet die Institution. Hier skizziert er die Zukunft der Institution.