SYNERGIEN FÖRDERN

Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Kiel

Die Landeshauptstadt befindet sich inmitten des Strukturwandels von traditioneller Industrie hin zur digitalen Ökonomie. Wie kommen Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung zusammen? Wir fragen nach bei Werner Kässens, Geschäftsführer der Kieler Wirtschaftsförderung.

Welches Bild, welche Vision leitet die Zukunftsentwicklung Kiels?

Kiel gehört, als wachsende Stadt mit 249.000 Einwohnern, zu den Städten, die sich bundesweit positiv entwickeln. Die kleinteilige, mittelständische Wirtschaft erweist sich seit Jahren als stabil, vor allem in ökonomischen Krisenzeiten. Doch Kiel befindet sich mit den rund 9.600 Unternehmen und 127.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen in einem wichtigen Strukturwandel. Die Digitalisierung und vielschichtige Transformationsprozesse halten Einzug in Unternehmen. Mit rund 83 Prozent der Bruttowertschöpfung prägt der starke Dienstleistungssektor den Wirtschaftsstandort in Kiel. Daher liegt der Fokus der Wirtschaftsförderung in der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes insgesamt.

Mit welchen Instrumenten fördern Sie Kiels Entwicklung?

Für nachhaltiges Wachstum brauchen die Betriebe attraktive Standorte. Die Entwicklung von Wirtschaftsflächen ist daher eine wichtige Strukturaufgabe einer aktiven Wirtschaftsförderung. Ein typisches Kieler Unternehmen hat 21 Beschäftigte, nur 3,5 Prozent der Betriebe haben aktuell mehr als 100 Beschäftigte. Das zeigt die Bedeutung der Klein- und Mittelständischen Unternehmen in Kiel.

Dazu kommt die digitale Transformation …

Digitale Vernetzung dominiert in der Tat den gesellschaftlichen Wandel. Analoge und digitale Welten überlagern sich zu einer digitalisierten Realität. Das eröffnet neue Möglichkeiten, Arbeitsformen und Geschäftsfelder für die Wirtschaft. Die Aufgabe einer modernen Wirtschaftsförderung ist es, den Strukturwandel durch Innovation zu fördern und die richtigen Akteure aus der Wirtschaft, Wissenschaft, Start-ups und Talente zu vernetzen und so den Raum für Innovationen zu schaffen.

Wo liegen die zentralen Herausforderungen in Kiel, wo die Stärken und Schwächen der hiesigen Wirtschaftsstruktur?

Innovation ist der größte Motor für zukunftsfähige Produkte, Unternehmen, Branchen und eines ganzen Wirtschaftsstandortes. Etwa 17 Prozent der Bruttowertschöpfung in Kiel werden vom produzierenden Gewerbe erwirtschaftet. Kiels produzierendes Gewerbe umfasst rund 1.000 Unternehmen mit etwa 17.300 Beschäftigten. Der Schwerpunkt liegt in der maritimen Wirtschaft, der Bahntechnik, dem Maschinenbau und der Gesundheitswirtschaft.

Sie sprechen von Innovationen, die Sie gezielt fördern …

…Innovation bedeutet, dass eine Idee in den Markt gelangt. Es geht für eine innovative Wirtschaftsförderung vor allem darum, diese Transformations- und Innovationsprozesse zu fördern. Der Wissenstransfer erfolgt über kluge Köpfe. Die akademische und duale Ausbildung sind wichtige Standortfaktoren. Diese Talente und Fachkräfte gilt es mit attraktiven Unternehmen zu vernetzen, um so die Zukunftsfähigkeit für den Wirtschaftsstandort zu fördern.

Apropos Start-Ups: Welche Rolle spielen Kreativwirtschaft und neue Industrien in urbanen Transformationsprozessen? Konkret: Wie sieht die Kooperation der Akteure in Kiel aus, eine Stadt, die sich für die Zukunftsentwicklung ehrgeizige Ziele gesetzt hat?

Mit den Hochschulen, Bildungszentren und der Wirtschaftsstruktur in Kiel bestehen erhebliche Innovationspotenziale bei Digitalisierung, Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit. Die Digitale Woche Kiel ist dafür ein Nukleus. Das von uns organisierte Digitalfestival ist zu einem wichtigen Motor geworden: Zukunftsforscher, Wirtschaftsphilosophen, Unternehmer*Innen, Lehrer*Innen, Akteure aus Politik, Verwaltung und Hochschulen hatten 2020 rund 38.000 Zuschauer*Innen in über 280 überwiegend digitalen Veranstaltungsformaten informiert.

Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung

Für Patrick Stremler vom Bregenzer Architekturbüro Dietrich Untertrifaller scheint es so, als hätte die Corona-Pandemie den Blick auf unsere eigenen Lebensräume neu sortiert – etwa bei der Betrachtung und Nutzung des öffentlichen Raums. Als Quelle der Inspiration dienen ihm die wertvollen Quartiere aus der Gründerzeit mit der gelungenen Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Erholung, Bildung und Kultur. Und Platz für Individualität, Muße sowie Kommunikation. Welche Chancen ergeben sich für die Stadtentwicklung durch das mobile und dezentrale Arbeiten und die moderne Quartiersentwicklung?

Wirtschaftsflächen müssen heute attraktiv für Unternehmen sein – und vor allem zukunftsfähig. Neben den klassischen Fragen nach Anbindung, logistischen Möglichkeiten und Bebauung müssen auch neue Themen wie E-Mobilität, smarte Gewerbegebiete, digitale Infrastrukturen, Erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit mitgedacht werden.
Angesichts des veränderten Weltklimas sind intelligente und nachhaltige Nutzungs- und Entwicklungskonzepte in der Flächenentwicklung umzusetzen. Das betrifft Flächen für die Produktion genauso wie für wissensintensive Dienstleistungen und neue Technologien. Für die KiWi bedeutet das, Flächen zu vermarkten und darüber hinaus selbst aktiv als Investor zu entwickeln. Als Projektentwickler stellt die KiWi sicher, dass wichtige Schlüsselinfrastrukturen für zukunftsfähige Wirtschaftsflächen geschaffen werden.

Nicht selten gibt es Reibungsverluste zwischen den Zielen der Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung. Wie lässt sich das Zusammenspiel konkret gestalten?

Wirtschaftsförderung und Stadtplanung in Kiel verfolgen gemeinsam das Ziel, den Wirtschaftsstandort Kiel zukunftsfähig zu halten. So haben wir für die Stadt Kiel eine Industriefläche im Kieler Norden erworben und das Projektmanagement für die Revitalisierung übernommen. Kiel-Friedrichsort wird die größte Revitalisierung einer Gewerbefläche in den letzten 20 Jahren. Über 150 Jahre prägten Lokomotiv-, Rüstungs- und Motorenbau dieses Areal. Gemeinsam wollen wir den gewerblich-industriellen Charakter erhalten und die Fläche durch innovativen Strukturwandel (smart industry) aufwerten: Hier werden zukunftsorientierte Mobilitäts-, Energie- und Wärmekonzepte entwickelt. Das Gelände wird in den urbanen Kontext eingebunden und zum Strand geöffnet.

Sie haben sicher noch ein weiteres Beispiel…

Der Wissenschaftspark Kiel liegt am größten Hochschulstandort in Schleswig-Holstein. Aus dem ehemaligen Industriegebiet ist eine attraktive Wirtschaftsfläche entstanden. Über 160 Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigte suchen dort gezielt die Nähe zur Wissenschaft, um neues Wissen und Mitarbeiter*Innen aus der Hochschule für ihr Unternehmen zu gewinnen.
Das Wissenschaftszentrum der Stadt Kiel und der Universität hat sich auf vier Etagen mit über 2.200 m² Nutzfläche, aufgeteilt in 1.800 m² für Büroräume sowie 445 m² Veranstaltungsfläche, zu einem wissens- und technologiebasierten Innovationszentrum entwickelt. Zudem sind dort ein Fablab, die Starterkitchen von OpenCampus und die Transferbeauftragten der Uni vor Ort.

Und das Kieler Ostufer?

In unmittelbarer Nähe zum Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und der Fachhochschule Kiel wird das neue TransMarTech Transferzentrum für Maritime Technologien Schleswig-Holstein) entstehen. Wir sind eine der Gesellschafterinnen. Hier fördern wir Innovationen in maritime Themen und befeuern den Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

FAKTEN

Die Ausgaben eines Landes in Forschung und Entwicklung stehen in einem direkten Verhältnis zur Höhe des BIP: Je höher die FuE-Investitionen von Industrie, desto höher ist das BIP. Deutschlandweit werden 2 Prozent des BIP für private FuE-Ausgaben aufgewendet, davon entfallen 85 Prozent auf die Industrie. In Schleswig-Holstein werden insgesamt 0,83 Prozent des BIP für Forschung aufgebracht, davon immerhin 92 Prozent im verarbeitenden Gewerbe. Damit wird die Bedeutung der Industrie für den Wirtschaftsstandort deutlich: Gelänge es, die Industrie auszubauen, wären höhere Innovationsausgaben und damit eine bessere Wirtschaftsleistung die Folge und zugleich mehr hochwertige Arbeitsplätze gegeben.  Zudem schafft ein Arbeitsplatz in der Industrie bis zu drei Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor.
Quelle: KiWi – Kieler Wirtschaftsförderung

BU
Das Luftbild: StrandOrt-Areal am Eingang zur Kieler Förde. Es gibt eine Zuwegung zu einem der Lieblingsstrände der Kieler, dem Falckensteiner Strand.  Durch diesen attraktiven Standortfaktor ist der Name „Strandort“ entstanden.