Valdimar Harðarson, Reykjavik
Kusch+Co

Inspiration Island

„In meiner Vorstellung bedeutet Kultur, Dinge gut zu machen – und dies war immer meine Hauptphilosophie.“ Valdimar Harðarson hat viele Dinge im Laufe seiner Karriere gut gemacht. Dass sich Privates und Berufliches dabei gegenseitig ergänzt und verbunden haben, zeugt davon, dass Harðarsons Arbeit nicht an der Bürotür aufhört, sondern dass der Isländer Gestalter mit Leib und Seele ist.

Valdimar Harðarsons Tochter heißt Sóley. Wörtlich übersetzt bedeutet der Name auf Isländisch „Sonneninsel“, so wie dort auch die Butterblumen genannt werden. Die Tochter des inzwischen 66-Jährigen ist mittlerweile längst erwachsen und ihr außergewöhnlicher Vorname wird bei Valdimar Harðarson nicht nur Erinnerungen an seine Zeit in Reykjavík als junger Familienvater aufleben, sondern ihn wohl auch immer an jenen Tag im Jahr 1982 zurückdenken lassen, an dem er einen mutigen Schritt wagte: Damals traf er auf einer Messe in Köln auf Dieter Kusch – seinerzeit Geschäftsführer von Kusch+Co. Den Prototypen eines von ihm entworfenen Klappstuhls hatte er über die Schulter gehängt. Kurzentschlossen präsentierte er dem gelernten Stuhlbauer seinen Entwurf und konnte ihn auf Anhieb von dessen Design und Funktion überzeugen. „Was für ein ausgezeichneter Stuhl! Man sieht ihm ja gar nicht an, dass er ein Klappstuhl ist. Er hat definitiv das Zeug, ein Klassiker zu werden.“ kommentierte Dieter Kusch spontan. Und so dauerte es nicht lang, bis das Programm 2750 Sóley – richtig, Harðarson nannte es genauso wie seine Tochter – 1983 schließlich realisiert wurde.

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– Mittlerweile ist das Programm 2750 Sóley eine Design-Ikone, der ihre über 30-jährige Geschichte kaum anzusehen ist. Dabei basiert die gewagte Gestaltung des Klappstuhls auf einer einfachen aber genialen Konstruktion, die schon 1983 die Architektur- und Designszene überraschte. 1984 wurde das Sitzmöbel von der Zeitschrift „Schöner Wohnen“ als „Möbel des Jahres“ ausgezeichnet. Und auch die Neuauflage von 2012 kann sich durchaus sehen lassen! – 

Und Dieter Kusch hatte durchaus Recht: Heute gehört der 2012 neu aufgelegte Klappstuhl, dessen schlichte, geometrische Grundformen gleichermaßen einprägsam wie pragmatisch sind, zu den zeitlosen Designklassikern. Ganz im Sinne der Naturbezogenheit, die in Island überall gegenwärtig ist, findet sich in seinen Formen auch das Gegensatzpaar von Sonne und Mond wieder: nämlich in dem kreisrunden Sitz und der dazugehörigen, sichelförmigen Rückenlehne. Dabei startete Valdimar Harðarson seinen beruflichen Werdegang ursprünglich gar nicht als Designer, sondern vielmehr als Architekt. Er interessierte sich schon früh für Kunst und Handwerk, und sah in der Architektur die perfekte Verbindung aus beidem. Nach einem Ausflug nach Schweden, wo er 1980 erfolgreich sein Architektur-Studium an der Universität Lund absolvierte, kehrte er in seine Heimatstadt Reykjavík zurück und gründete 1982 zusammen mit Kollegen sein eigenes Studio, das sich seit 1999 ASK arkitektar nennt, wichtige Beiträge zur Gestaltung des Stadtbilds von Reykjavík leistet und für die Entwürfe öffentlicher Gebäude Islands und privater Residenzen schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Das Büro wird heute von neun Partnern geführt und beschäftigt etwa 20 Architekten, Innenarchitekten und Assistenten. Neben klassischer Architektur gehören auch Sanierungsprojekte, Planungs- und Designmanagement, aber auch Möbeldesign zu den Tätigkeitsfeldern. ASK arkitektar hat sich Nordic Built – einer Initiative zur Förderung der Entwicklung nachhaltiger Gebäudekonzepte angeschlossen, die von den Nordischen Ministern für Industrie und Handel ins Leben gerufen wurde. Das Programm verbindet nordische Schlüsselqualifikationen, bietet Bühnen für Kooperationen und setzt konkrete Projekte als Vorlage für skalierbare, weltweit anwendbare Lösungen um. Insgesamt spielt für Valdimar Harðarson seine Heimat Island eine wesentliche Rolle: „In meiner architektonischen Arbeit werde ich von der Natur Islands inspiriert und ich möchte die traditionellen isländischen Baumethoden in eine moderne Sprache übersetzen.“

Valdimar Harðarson,
ASK arkitektar, Reykjavík

„Ein Architekt muss all seine Fähigkeiten bezüglich Ästhetik, Konstruktion und Materialeigenschaften einsetzen, um ein Möbel zu gestalten – was sehr anspornend ist.“

Ein erstklassiges Beispiel dafür ist das Sommerhaus in Gata, unweit der südisländischen Gemeinde Hrunamannahreppur, für das ASK arkitektar 2007 für den Mies van der Rohe Award nominiert wurde. Das erdbedeckte Gebäude verschmilzt beinahe mit der umgebenden Landschaft und sein mit Gras bewachsenes Dach wird zur Fortsetzung des Hügels, in den es gebaut wurde. Gleichzeitig kann es dabei als Reminiszenz an die traditionellen isländischen Häuser verstanden werden, deren Außenwände ursprünglich aus Torf und Stein hergestellt, und – um eine bessere Wärmedämmung zu erhalten – mit einer Erdschicht bedeckt wurden. „Ein Architekt muss all seine Fähigkeiten bezüglich Ästhetik, Konstruktion und Materialeigenschaften einsetzen.“ sagt Harðarson und beschreibt gleichzeitig, dass ihm dies bei seiner Arbeit als Möbeldesigner sehr zugute kam und ihn gleichwohl anspornte. „Auf dem Gebiet des Möbeldesigns war der Klappstuhl Sóley ein großer Erfolg für mich, weil er zum Designklassiker wurde. Ich bin sehr dankbar, dass die Familie Kusch an dieses Projekt geglaubt und dessen Umsetzung möglich gemacht hat.“ Ob seine Tochter zu Hause allerdings auch ein Exemplar ihres Namensvetters stehen hat, hat der Designer nicht verraten …

– Als eine moderne Neuinterpretation der traditionellen isländischen Architektur kann das Sommerhaus in Gata Hrunamannahreppur verstanden werden. Der Entwurf von 2003 brachte ASK arkitektar 2007 eine Nominierung für den Mies van der Rohe Award – den renommiertesten europäischen Architekturpreis – ein. –

– Inspiration Island: Von seiner Heimat und der atemberaubenden Natur Islands, die aus dramatischen Vulkan- und Wasserlandschaften besteht, ist Harðarson tief inspiriert. Sein Ziel als Architekt ist es, die traditionellen Baumethoden in eine zeitgenössische Form zu übersetzen. – 

– An der Ostküste Islands stellt das 2014 errichtete Wohnhaus in Hof Öræfum das aktuell letzte Projekt von ASK arkitektar im Bereich „Grüne Architektur“ dar. Durch die temperierende Erdüberdeckung ist das in den Hügel gebaute Einfamilienhaus im Sommer angenehm kühl, im Winter behaglich warm und zudem vor starker Witterung geschützt. –

– Sólheimar (deutsch: „Heimat der Sonne“) ist das erste Öko-Dorf Islands und Hauptort der Gemeinde Grímsnes og Grafningur im Südwesten der Insel. 2006 erhielt Sólheimar den Umweltpreis des isländischen Touristenverbands. Im gleichen Jahr wurde von ASK arkitektar auch die Kirche fertiggestellt, die zu einem beliebten Treffpunkt der, mit knapp über 100 Einwohnern eher kleinen, Ortschaft geworden ist. –

Valdimar Harðarson ist 1951 in Reykjavík, der nördlichsten Großstadt Europas, geboren. Seine Leidenschaft für Kunst und Handwerk veranlasste ihn, Architektur zu studieren. Das unerwartete Zusammentreffen mit Dieter Kusch verhalf ihm schließlich zu der Möglichkeit, zudem seine Fähigkeiten als Möbeldesigner erfolgreich unter Beweis zu stellen.

 

Valdimar Harðarson

Adresse: ASK arkitektar, Geirsgata 9, 101 Reykjavík > www.ask.is
Fotos: Birgit Niebisch | Kusch+Co | Gunnar Sverrisson | ASK arkitektar | Ragnar Th. Sigurdsson

 

Autor: Susanne Dubbert