Teppich-Manufaktur in Deutschland
Denkende Hände.
Carpet Concept
Die Weberei in Münchenbernsdorf – oder über den Mut, ungewöhnliche Wege zu gehen
Stille. Es ist halb sechs Uhr morgens. Langsam zieht sich der Nebel zurück, der um diese Zeit noch in Fetzen zwischen den Bäumen von Münchenbernsdorf schwebt. Die schmalen Straßen des ostthüringischen Städtchens, die gepflegten Grünflächen – alles verschlafen, dunstig im dämmernden Morgen, menschenleer.
Fast. Ein Stakkato klingt durch die Halle. Ein Geräusch, das entsteht, wenn sich mehr als 4000 Platinen zum Rap versammeln. Diese Musik hört Rosmarie Götz seit 46 Jahren. Damals war Münchenbernsdorf ein bedeutendes Zentrum in der Teppichindustrie. Heute ist von den sechs Webereien noch eine in Betrieb. Hat es gegen alle Prognosen, die Konkurrenz aus Belgien und den Verfall der Webpreise geschafft.
Fort-Schritt kann so einfach sein
„Zuerst glaubte niemand mehr an das Thema Teppichweben in Deutschland“, erzählt Thomas Trenkamp, Geschäftsführer des Unternehmens Carpet Concept. „Heute werden wir fast überrannt.“ Alltag ist, dass die Webstühle in drei Schichten Tag und Nacht laufen, ihre Garne dreimal die Welt umspannen könnten.
Grund: Die in Deutschland gewebten Teppiche erleben eine Renaissance. Nirgendwo auf der Welt wird mit solch starken Auflagen zwischen Brandschutz, Emissionsschutz und Ökostandards produziert. Das andere Motiv: Teppiche helfen, Probleme zu lösen. Ob Akustik, Schall oder Luftverbesserung – im Büro stehen sie bei der Planung weit vorn. Das sah vor fünfzehn Jahren noch anders aus: „Das alte Handwerk brauchte Zukunft, aber die war mit dem spießigen Image des Teppichs nicht einlösbar“, so Trenkamp.
Seine Idee: die Weberei mit überraschenden Teppichkollektionen in die Zukunft zu führen. Nicht die bekannt mausgraue Auslegeware für Büros zu produzieren, sondern innovative Materialien von namhaften Architekten und Designern neu entwerfen zu lassen.
»Made in Germany, mit Sachverstand und in traditioneller Technik hergestellt, aber mit Grips und Innovation beflügelt.«
Emotion, der unterschätzte Wirtschaftsfaktor
So schaffte es der gebürtige Niederrheiner, der einstigen Auslegeware nicht nur ein neues Image zu verpassen, sondern die Teppichkultur zu revolutionieren und 60 Arbeitsplätze in Münchenbernsdorf zu erhalten. Die Nachfrage und Fortentwicklungen verlangten nach drei neuen Webmaschinen, die die Größe von Sattelschleppern haben, und nach einer Unternehmenskultur des Miteinanders. Für die Chefs tut man hier einiges. Die „jungen Männer“, wie man hier sagt, die ihre Teppiche inzwischen weltweit verkaufen. Made in Germany, mit Sachverstand und in traditioneller Technik hergestellt, aber mit Grips und Innovation beflügelt.
Nichts für Feiglinge – Materialinnovation
5,5 Millionen Fußtritte – danach sollte der Teppich immer noch gut aussehen. D, darauf 50 Tonnen Sand und Schmutz. Das sind könnten schnell die erlebten Durchschnittswerte eines Teppichjahres in öffentlichen Gebäuden sein. Für Axel Hücker, Geschäftsführer der Weberei in Münchenbernsdorf, keine Frage. Seine Teppiche sollen halten, auch unter Hochbelastungen. Der ausgebildete Diplomingenieur beschäftigt sich seit 26 Jahren mit Teppichen und ist ein Profi. Mit prüfendem Blick betrachtet er die gewebte Ware, die sich langsam aus dem Webstuhl schiebt. „Es darf nicht passieren, dass ein Faden plötzlich zu Ende ist und die Maschine webt weiter“, berichtet er. Selbsttätig können die 25 Tonnen schweren Webstühle nicht laufen. Für die ständige Qualitätskontrolle, das Spannen und Überwachen der Garne, die Muster und Vielfalten sind immer noch die Menschen in Münchenbernsdorf zuständig. Jeder Knoten, jede Noppe wird per Hand perfektioniert. Handwerk und Hightech fließen zusammen, das macht den Erfolg aus. Aber auch die Herausforderung. „Die machen da Architektur für den Boden“, bemerkte mal einer der Besucher. „Das war für uns ein schönes Kompliment“, sagt Axel Hücker mit Blick auf die Maschinen in der Webhalle, die der Morgen in ein weißliches Licht taucht. Es riecht nach Garnen, Stahl und Zukunft. Wer seine Vision umsetzen will, braucht einen guten Partner, überzeugte Mitstreiter und Menschen, die das verstehen. Das ist ein Beispiel. Nicht aus New York, Paris oder Madrid – sondern aus Münchenbernsdorf.