Beton ist eine Diva – sensibel und emotional

Was heißt, klimaneutral zu produzieren? Gespräch mit Silvia Godelmann.

Bernhard Godelmann jun., Silvia Godelmann & Bernhard Godelmann sen.

Sie produzieren seit 2015 klimaneutral. Wie machen Sie das?

Dazu mussten alle Emissionen die in Bereich Abfall, Energie, Rohstoffe, in der Logistik und bei der Mitarbeitermobilität anfallen ermittelt werden. Wir arbeiten hier seit 2015 mit myclimate zusammen. Natürlich kann kein Unternehmen völlig CO2-neutral produzieren. Man kann aber den CO2-Ausstoß kompensieren und den Verbrauch kontinuierlich reduzieren. Beides machen wir. In den letzten sechs Jahren haben wir unseren CO2-Ausstoß von rund acht Kilogramm pro Tonne Betonstein auf drei Kilogramm reduziert. Die restlichen Emissionen gleichen wir aus.

Und wie kompensieren Sie den CO2-Ausstoß?

Wir haben uns bei der Kompensation für ein Projekt im Goldstandard entschieden. Seit über drei Jahren unterstützen wir das Projekt »Stoves for Life« in Kenia. Dank den effizienten Kochöfen können Frauen einer Arbeit nachgehen, anstatt sich den ganzen Tag um die Versorgung der Familie zu kümmern. Außerdem benötigen die keramischen Kochöfen nahezu kein Holz. Es geht also um sozialen Ausgleich, soziale Partizipation ebenso wie um Umweltschutz. In Zukunft möchten wir einen Teil des CO2-Ausgleichs in Deutschland vornehmen, aber das entwickelt sich erst langsam.

Warum lassen Sie das vom TÜV überwachen?

So sind wir als Unternehmen. Wenn wir was machen, dann machen wir es richtig und aufrichtig. Daher haben wir uns 2015 entschieden, unseren CO2-Ausstoß vom TÜV Rheinland prüfen zu lassen. Das macht sonst kaum jemand. Wir aber wollten unseren CO2-Ausstoß verifizieren lassen. Als Familienunternehmen ist uns gelebte Nachhaltigkeit ein wichtiges und ernstes Thema. Schließlich sichert sie den Fortbestand der nächsten Generationen.

Sie sagten, das habe bei Ihnen Tradition …

Ja, das stimmt. Mein Schwiegervater hat schon vor 40 Jahren angefangen, nachhaltig zu handeln. Wir Oberpfälzer pflegen ein enges Verhältnis zur Natur. Wir handeln vorausschauend, bewusst und sind sparsam. Daher hat mein Schwiegervater auch schon immer nachhaltig und hochwertig investiert. Seine Devise: Nichts verschwenden, sondern bewusst und sinnvoll mit allen Ressourcen umgehen. Das ist Teil unserer DNA. So hat er bereits vor 40 Jahren Regenwasser aufgesammelt, Betonreste recycelt und die Mitarbeiter angehalten, sorgsam mit allen Materialien umzugehen.

Wie funktioniert das: Material wiederverwenden?

Ein Betonstein besteht aus zwei Schichten, dem Kern- und Vorsatzbeton. Das ist wie beim Kuchenbacken. Unten der Kuchenteig und oben drauf die Zuckerschicht. Für unseren Kernbeton verwenden wir seit 40 Jahren hochwertigen Recyclingbeton. Kein Bauschutt-Material von der Deponie, wie Ziegel, Klinker oder Fliesen, sondern unseren eigenen Beton. Durch den Einsatz unseres eigenen GRC-Materials haben wir seitdem 800.000 Tonnen Primärrohstoffe eingespart.

Sie schließen Materialkreisläufe …

Ja, wir denken in Lebenszyklen. Dazu gehört seit 2009 unter anderem das Angebot, altes Pflaster kostenlos zurückzunehmen. In unserer Recyclinganlage werden die Steine dann zu Körnungen gebrochen, um sie wieder für neue Produkte zu verwenden. Für uns ist das ein kostbares Material, da wir hier wissen, dass die Qualität einwandfrei ist.

Wie viel Prozent der Kunden geben denn etwas zurück?

Leider noch viel zu wenige. Unser Angebot hat sich noch zu wenig Kunden herumgesprochen, und wird daher noch viel zu wenig genutzt. Das wollen wir noch dieses Jahr in Angriff nehmen und private wie gewerbliche Kunden mit einer Kampagne aufklären.

Wenn man Michael Braungart zum Thema Cradle-to-Cradle befragt, der seit Jahren Kreisläufe propagiert, sagt er, es gehe um Service, nicht um Produkte. Wäre das der nächste Schritt: Pflaster leasen?

Wir sind tatsächlich gerade dabei, uns für Cradle-to-Cradle zertifizieren zu lassen. Und sicherlich gehört Service genauso dazu wie das Produkt selbst. Das Thema Pflasterleasing haben wir auch schon bei uns im Haus diskutiert. Godelmann Pflaster ist dauerhaft und bleibt dank seiner hochwertigen Komponenten lange schön. Wir kennen Flächen die mehr als 50 Jahre alt und noch voll funktionstauglich sind. Somit sind unsere Betonsteine im Vergleich zu Holz oder Plastik auf der Terrasse fast unkaputtbar. Sicherlich gibt es auch viele Kunden, die nach zehn Jahren ihre Flächen neu gestalten möchten. Da wäre Leasing wirkliches Neuland. Am nachhaltigsten ist es aber, die Steine so lange wie möglich zu nutzen.

Individuelle Fertigung

Ihr Mann Bernhard Godelmann sagte, er stamme aus einer „Familie von leidenschaftlichen Betonköpfen.“ Gemeinsam leiten sie ein Familienunternehmen in dritter Generation.

Unser Unternehmen wurde 1947 gegründet, mit Hohlblocksteinen für den Hausbau. 1960 kamen Pflastersteine hinzu. Wir gingen sozusagen in die Fläche und nicht mehr nur in die Höhe. Im Jahr 2000 folgte die Erweiterung um Terrassenplatten, 2006 um Gartenmauersteine – und 2009 kam unsere Betonmanufaktur für Fertigteile hinzu. Somit decken wir das ganze Spektrum für die hochwertige Gestaltung von Freiräumen ab. Vor gut zwei Jahren haben wir begonnen, mit unserem Architekturbeton den Innenraum zu erschließen.

Was war der Gedanke dahinter?

Wir wollten innen und außen verschmelzen; Beton ist ein besonderes Material und so schön, dass er es verdient hat, auch im Innenraum eingesetzt zu werden.

Mussten Sie dazu die Rezepturen weiterentwickeln?

Wir arbeiten in unserer Manufaktur schon immer mit dem dichtesten Beton, mit selbstverdichtendem Beton. Unser Architekturbeton ist eine Weiterentwicklung. Nach geheimer Rezeptur ist ein Material entstanden, das es uns ermöglicht, noch filigraner zu arbeiten und noch mehr Strukturen abzubilden. Es ist eine wahre Freude, darüber zu streicheln.

Dafür braucht es sicher Fingerspitzengefühl. Woran entscheidet sich die Qualität?

Zuallererst an der Qualität der Rohstoffe und der Mitarbeiter, die sie verarbeiten. Das heißt echte Handwerkskunst. Man spürt die Hingabe in jedem Stück. Natürlich haben wir auch Betontechnologen und Chemiker, die daran arbeiten, das Material weiter zu verbessern, weil jedes Material seine Schwachstellen hat.

Und wo liegen diese Schwächen?

Beton verzeiht nichts. Er ist ein bisschen wie eine Diva. Absolut einzigartig, aber auch sensibel.

Sie haben einen besonderen Claim: Stein-Erfinder …

… Stein-Erfinder zu sein, ist Gabe und Aufgabe zugleich. Wir sind die Stein-Erfinder nicht, weil wir den Stein erfunden haben, sondern weil wir tagtäglich Steine neu erfinden. Nach Architekten-Vorgaben oder nach Wünschen und Anforderungen von Kunden, die bei uns viel Mitspracherecht haben. Sie wissen, dass wir außergewöhnliche Wege gehen. Das reizt uns – und das macht uns erfolgreich.

Auf Architekten hören

Gibt es eine Mindestabnahmemenge, wenn Sie zusammen mit Architektinnen und Architekten neue Produkte entwickeln?

Bei der maschinellen Fertigung rechnen wir immer ab 250 Quadratmetern. In der Manufaktur machen wir Einzelstücke möglich.

Welche Rolle spielen Architekt*innen generell für Sie?

Eine große. Sie sind unser Ansporn, unsere Schrittmacher. 2005 haben wir uns entschieden, eine Loge der Allianz Arena zu gestalten und schrieben dazu einen Architektenwettbewerb aus, unter anderem mit Muck Petzet Architekten und Hild und K. Letzterer hat sie schließlich gebaut, komplett grün wie der Sportplatz, mit grünen Wänden und Boden. 2009 veranstalteten wir dann unsere erste Freiraum-Fachmesse, mit BIG und Zaha Hadid Architekten, samt Vortrag in einer Zeltstadt. Schließlich folgte in Kirchheim unter Teck ein Landschaftsarchitektur-Wettbewerb für unseren Ideen-Garten und nochmal ein Architektenwettbewerb für unseren Flagship-Store im Bikini Berlin. Ich schätze den Austausch mit Architekt*innen. Immer begeistert hat mich der Architekt Johannes Berschneider, ein großer Verfechter Oberpfälzer Architektur und sehr guter Freund.

Heute bieten Sie das ganze Spektrum an – von den Landschaftsplanung über Innenarchitektur bis hin zum Hochbau.

Das ist natürlich ein Kraftakt, wie sie sich vielleicht vorstellen können. Wir haben ein sehr breites Produktspektrum, darunter auch viele technische Produkte. Diese Produkte wiederum brauchen intensive Beratung. Dort müssen wir zum Teil Aufklärungsarbeit leisten, weil sie spezielle Anwendungen bieten. Unsere proaktiven Pflastersteine leisten einen messbaren Beitrag für die Luftverbesserung, für sauberes Grundwasser oder für die Verdunstung in Städten – und das auf der gesamten Fläche. Momentan läuft unsere vierteilige Online-Seminarreihe zur Nachhaltigkeit in der Freiraumplanung. Zur ersten Veranstaltung hatten wir über 70 Teilnehmer, und durchwegs positives Feedback. Wir müssen noch viel Aufklärungsarbeit leisten, und engagieren uns stark, um das um Thema Klimaschutz voranzutreiben. Manche Architekten sind wirklich überrascht, wenn sie hören, dass wir seit sechs Jahren CO2-neutral produzieren.