Nachlese
DIE STADT ALS BÜHNE.
ARCHITEKTUR & KUNST
O&O DEPOTGESPRÄCH

Bedeutung und Wandel des öffentlichen Raumes – das war das Thema der Diskussion „Die Stadt als Bühne“. Was war der öffentliche Raum früher und was ist er heute? Brauchen wir den öffentlichen Raum überhaupt noch und wozu? Wie sieht er aus und wo liegen seine Qualitäten? Was wird von ihm verlangt und wie wird er von den Bürgern genutzt? Welche Rolle übernimmt dabei die bildende Kunst und welche Relevanz hat sie im öffentlichen Raum? Wie greifen Künstler in die Stadt und das urbane Leben ein? Was kann Kunst im öffentlichen Raum des 21. Jahrhunderts überhaupt noch bewirken? Über diese Fragen diskutierten Isa Melsheimer (Künstlerin), Prof. Dr. Friedrich von Borries (Architekturtheoretiker), Prof. Andreas Denk (Architekturtheoretiker), Andreas Grosz (Kulturmanager) und Christian Heuchel (Architekt).

Ausgangspunkt der Diskussion war die Feststellung, dass zwischen der Architektur einer Stadt und ihren Einwohnern eine unmittelbare Wechselwirkung besteht. Nur wenn die Bürger einen öffentlichen Platz nutzen, ist er auch gelungen. Wichtig sei, so die Auffassung der Diskussionsteilnehmer, dass sich ein öffentlicher Platz den Bedürfnissen und Ansprüchen der Nutzer anpassen könne. Zu starke gestalterische Vorgaben, die aus baulicher Perspektive zwar gelungen sein mögen, jedoch keine individuelle Aneignung mehr zulassen, wurden einstimmig kritisiert.

Ein Hauptmerkmal des öffentlichen Raumes wurde in seiner gesellschaftlichen Relevanz gesehen: Er ermöglicht die Koexistenz unterschiedlicher sozialer und ethnischer Gruppen. Jeder öffentliche Platz impliziert die Begegnung mit dem Anderen, was entsprechend auch zu Spannungen und Widersprüchen führt. Sich diesen zu stellen, so wurde die Philosophin Hannah Ahrendt angeführt, sei die Bedingung für das Dasein als politischer Mensch.

Übereinstimmung zwischen den Diskutierenden gab es auch darin, dass die Gestaltung des öffentlichen Platzes robust und autonom sein müsse. Drei Entwicklungen wurden als problematisch bewertet: 1. Der Rückzug ins Private, der den Sinn und Zweck öffentlicher Plätze grundsätzlich in Frage stellt. 2. Die Inanspruchnahme des öffentlichen Raumes für kommerzielle Zwecke. 3. Eine Privatisierung öffentlicher Räume.

Darüber, dass die Kunst einen entscheidenden Beitrag bei der Gestaltung öffentlicher Plätze leisten kann, herrschte ebenfalls Einigkeit auf dem Podium. Wie aber eine künstlerische Beteiligung an städtebaulichen Prozessen genau aussehen sollte, wurde sehr kontrovers diskutiert. Sollten es sozialaktivistische Projekte sein, die Menschen an öffentliche Orte jenseits des Kommerzes locken und über partizipatorische Angebote die Erfahrungsräume des einzelnen erweitern? Oder können auch subtile Eingriffe zu einer Verschiebung der Wahrnehmung führen, wodurch Toleranz und schließlich auch gesellschaftliche Integration gefördert werden?

Mit ihrem sensiblen Gespür für die Eigenarten von Orten scheinen Künstler prädestiniert, auf einer tiefen, emotionalen Ebene zu agieren, um so unterschiedliche soziale Schichten und Milieus zu erreichen. Die Diskutierenden waren einhellig der Auffassung, dass es sich dabei nur um einen dynamischen Prozess handeln kann, für den keine grundsätzliche Vorgehensweise festgelegt werden kann, sondern jedes Mal aufs Neue verhandelt werden müsse.

Text: Almuth Finkel

© Sophia Paeslack