Nachlese
Zukunft Hamburg

Qualität vor Wachstum
Wohin entwickelt sich die Hansestadt? Feurige Diskussion mit Experten im Hamburger Business-Club.

Was für ein Abend für die Baukultur in Hamburg: Oberbaudirektor Franz-Josef Höing nutzte seinen Impulsvortrag, um im »Schweinsgalopp durch die Stadtgeschichte« zu pflügen, wortgewaltig und streitlustig, versöhnend, lobend und tadelnd. Statt dauernd über Zahlen zu reden, wie die ominösen 10.000 Wohnungen, die Jahr für Jahr zu errichten sind, sollten wir endlich über Qualitäten sprechen. Qualitäten, wie sie Hamburg schon immer geboten habe. Auch wenn der Stadtstaat im Vergleich etwa zu Wien recht locker bebaut sei, gehe es darum, durch Verdichtung mit Maß die Vorzüge der Stadt zu bewahren. »Das ist das Tafelsilber, von dem wir zehren«, sagte Höing, und setzte hinzu: »Die alten Recken haben sich angestrengt – und das sollten wir auch.«

Wir, das war an diesem Abend eine illustre Runde aus Stadtplanern, Lehrenden und Pragmatikern: Bernd Kniess an, Professor für Urban Design an der HCU Hafen City Universität, Karin Loosen, Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer sowie Achim Nagel, Architekt und Investor (Primus Developments).

Von den Experten waren durchaus nachdenkliche Töne zu hören: »Wir leben auf viel zu großem Fuße«, merkte etwa Bernd Kniess an, Professor für Urban Design an der HCU Hafen City Universität. »Wir haben uns die Familienwohnungen angeeignet« – und nun zeige sich, dass Haus und Nutzung nicht mehr zusammenpassten. Kniess verlangte, den gedanklichen Container zu sprengen, wonach Architekten nur Funktionen sortierten. Stattdessen sollten sie am tatsächlichen Gebrauch erkennen, was wirklich benötigt werde. Eine fundamentale Wende also in der Art, wie Architektur betrachtet und geschaffen wird. »Raum ist sozial produziert.«

Auch Stadtplanerin Karin Loosen, Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer, ging es um Fundamentales: Wer sind überhaupt die Nachfrager? Die Bedürfnisse von Patchwork-Familien und älteren Menschen würden noch zu wenig berücksichtigt. Doch so sehr sich Architekten auch um neue Modelle bemühten, am Ende stehe oft nur der »förderwürdige Klassiker.« Stattdessen schwebten der Stadtplanerin Mehrwertmodell vor, die viel cleverer mit Raum und Ressourcen umgingen. »Wir müssen lernen in Geschichten zu denken, nicht in Quadratmetern.«

Achim Nagel, Architekt und Investor, konnte dem nur zustimmen. Gerade als Investor würde er dort auftreten, wo die Rahmenbedingungen stimmten, wo etwa zu einem Neubau auch eine passende Grünfläche entstünde, ein Park – und eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Dabei gelte es, auch die ökologischen Rahmenbedingungen im Blick zu behalten: »Heute bauen wir noch Klimaschleudern.« Wie es anders ginge, etwa mit dem Baustoff Holz, zeige das vielfach prämierte Studentenheim »Woody«.

Alles in Butter also? Nicht ganz. Ein Körnchen Salz streute Oberbaudirektor Franz-Josef Höing in die beherzte Diskussion. Man dürfe jetzt nicht die Fehler der Sechziger Jahre wiederholen und groß bauen, ohne Infrastruktur und Umfeld mitzudenken. Hamburg sei dafür gerüstet, aber es bleibe eine Herkulesaufgabe, auch die spröden Lagen, die schrundigen Räume in einen städtebaulichen Kontext zu fügen.

Fazit: Bei solchen Akteuren muss einem nicht bange werden um die »wachsende Stadt« Hamburg. Mehr Diskussion auf diesem Niveau. Das KAP wird weiter Architekten, Stadtplaner, Immobilienwirtschaft und Hochschulen an einen Tisch bringen.

Text: Oliver Herwig
Fotos: Martina van Kann