Nachlese
Was bleibt vom Bauhaus(-Jahr)?

Raus aus der Nische
365 Tage Bauhaus – ein Fazit

Bald ist es rum. Das Bauhaus-Jahr. Zeit für eine Bilanz: Was hat sich getan? Und wie geht es weiter? Eine überraschende Erkenntnis: Vor dem Jubiläum sei das Bauhaus in Deutschland gar nicht so präsent gewesen, sagte Dr. Florian Strob, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Bauhaus Dessau.

Strob hatte erst am Morgen erfahren, dass er für die verhinderte Bauhaus-Direktorin Dr. Claudia Perren einspringen sollte. Das war seinem souveränen Vortrag nicht anzumerken. Sportlich navigierte er durch die Geschichte des Bauhauses, beschrieb die Anstrengungen der Dessauer Institution 2019 und formulierte schließlich ein vorsichtiges Fazit der rund 2.000 Veranstaltungen an 800 Orten zum Thema Bauhaus. Seine Überzeugung: Das Bauhaus-Jahr habe sich gelohnt. Die Institutionen Berlin, Weimar und Dessau hätten ihre Zusammenarbeit verfestigt, das Bauhaus sei aus der Nische raus und stoße national wie international auf immer mehr Interesse. Allein in Dessau hätten sich die Besucherzahlen auf 250.000 mehr als verdoppelt. Nicht zu vergessen der enorme Wissenszuwachs. Alleine die Fachliteratur zu sichten und die neu entdeckten Verflechtungen kritisch einzubinden in eine verbesserte Erzählung des Bauhauses werde Jahre brauchen. Schließlich sei das historische Bauhaus vor allem durch seinen Mut gekennzeichnet, den Mut, in eine neue Zeit aufzubrechen und den Alltag der Moderne grundlegend zu gestalten.

Was schon ein Blick auf die vielen Ausstellungen und Publikationen zum Thema gezeigt hatte: Die Forschung zu Frauen und/am/im Bauhaus bietet den vielleicht größten Erkenntnisfortschritt der jüngeren Vergangenheit – und zeigt zugleich, dass unsere Bauhaus-Rezeption eben nicht unabhängig von den Fragen der jeweiligen Zeit ist.

Im Zwiegespräch mit Professor René Spitz von der Rheinischen Fachhochschule Köln wurde deutlich, wie sehr Wissenschaft heute ihren Standpunkt reflektiert: „Wir erzählen mehr von uns – vielleicht geht das historische Bauhaus darüber verloren.“ An diesem Abend im Kölner MAKK war das Bauhaus ganz gegenwärtig. Auch wenn Strob augenzwinkernd bekannte, dass die Zeitläufte auch am Bauhaus nicht spurlos vorübergegangen seien. Die weltbekannten Balkone seien heute nicht mehr zu betreten. Nicht weil sie baufällig seien. Das Geländer entspräche nicht mehr aktuellen Bauvorschriften.

Ein rundweg interessanter und facettenreicher Abend im Zeichen des Bauhaus-Jubiläums. Einzig die kritische Einschätzung, was denn vom Bauhaus-Jahr für unser heute und für die Zukunft bleibt, wurde vermisst. Dafür schlugen die Wogen dann im kleineren Kreise nach der Veranstaltung um so höher. Wird fortgesetzt!

Text: Dr. Oliver Herwig und Andreas Groß
Fotos: Studio für Gestaltung