Nachlese
Volkwin Marg!
Ein Abend über Architektur und Leben.

Das MAKK war bis auf den letzten Platz gefüllt. Direktorin Petra Hesse hatte in Windeseile eine Ausstellung abbauen lassen, damit 350 Gäste Volkwin Marg erleben konnten. Der Gründer und Partner von GMP öffnete sehr persönliche Einblicke in sein Denken und Leben. Im Gespräch mit Oliver Herwig zeigte sich Marg als scharfer Denker, der virtuos Satz- und Hochbau verband, Musik und Grönlandreisen, Ingenieursethik und gesellschaftliche Verantwortung.

Bereits am Anfang stellte der Wahl-Hamburger klar, dass er sich nicht als Stararchitekt verstehe – im Gegenteil. „Mir geht es um gute Architektur, das steht im Mittelpunkt.“ Und setzte nach: „Stars sind etwas fürs Showgeschäft.“ Seine Vorstellung von Architektur vollziehe sich jenseits des Medienrummels. Es gehe nicht immer um das eine Haus, was zähle, sei die Einbettung ins Umfeld, die Stadt, die Umgebung.

Bauen bedeutet für Volkwin Marg Verantwortung übernehmen. Und Haltung zeigen. Marg sieht die Bauwelt der letzten Jahre dramatisch verändert. Das Bauen werde anonymer, Projekte würden vielfach nur aus spekulativem Interesse vorangetrieben, und der echte Bedarf spiele eine immer geringere Rolle. Vom Nutzen ganz zu schweigen. Es gehe oft nur um Anlagemöglichkeiten des um den Globus vandalierenden Geldes. Wer werde dafür einmal Verantwortung übernehmen?

Augenzwinkernd räumte Marg selbst Irrtümer und Fehlgriffe als junger Architekt ein, etwa, als er das vier Meter hohe Bad des Vaters – so etwas das gehe in der von Le Corbusier geprägten Moderne doch nicht mehr– durch einen Bretterverschlag kappte, der prompt bei der ersten Badbenutzung in sich zusammenviel. Das Publikum war begeistert.

Volkwin Marg, der begeisterte Skipper: „Im Schiffsbau dominierte in der Auseinandersetzung zwischen Funktion, Technik und Natur das rein Baumeisterliche. So sollte es auch in der Architektur sein. Es sei denn, die Deutung ist der Sinn.“ Im Laufe des Gesprächs über sein Engagement in China und für große Sportstätten weltweit entwickelte Marg eine kleine Check-Liste für geradlinige Architektur: Funktionalität, Ehrlichkeit, technisch-konstruktive Selbstverständlichkeit – und schließlich auch – Gefallen. „Früher gab es ja den Begriff der Schönheit. Heute im Grunde genommen ein Nicht-mehr-Begriff. Alles hat heute wirtschaftlich zu sein, nicht gut. Gewinn wird nur noch als monetärer Profit begriffen.“ Bauen hat bei Volkwin Marg eben immer auch die Facette: Bauen an der und für die Gesellschaft. Eitelkeiten hätten dabei keine Rolle zu spielen. Seine Rolle sah er als „Baumeister“ im umfassenden Sinn.

Der „Tagesspiegel“ schrieb anlässlich Ihres 80. Geburtstags im Oktober 2016: „Was er baut, funktioniert sofort“. Ein schöneres Kompliment lässt sich kaum denken, besonders, wenn man an den Tegeler Flughafen von 1965 denkt. Mit diesem Wettbewerbserfolg hatte alles angefangen. Er funktioniert bis heute, obwohl er ja längst eingestellt werden sollte – und nicht wenige bedauern dies.

„In 50 Berufsjahren und in einem 80-jährigem Leben habe ich viel erfahren und lernen dürfen, aber weise geworden bin ich nicht“, schreibt Volkwin Marg im Vorwort seines wunderbaren Gesprächsbuches „Der Verstand so schnell, die Seele so langsam“ (Niggli, 2016). In Köln erlebten wir einen vor Ideen und Witz sprühenden Macher. Schnell wurde deutlich, dass seine Haltung in allumfassender Bildung gründet. Der Architekt nannte frühe Wendemarken: Das musisch geprägte Elternhaus (der Vater, Pastor, malte und brachte sich selbst Instrumente bei), die Jugend in der DDR, die Strahlkraft moderner Architektur und der Entschluss in den Westen zu gehen, führten zunächst zum Wunsch, Denkmalpfleger zu werden. Doch in West-Berlin fand sich dafür einfach kein Studienplatz. Zum Glück, müssen wir sagen. Denn so konnte aus einem kleinen Büro ein großer Player der Architekturwelt werden, der nicht nur erhält, sondern vor allem mit den Mitteln unserer Zeit weiterdenkt.

Lesevergnügen:

Volkwin Marg: Der Verstand so schnell, die Seele so langsam – Gespräche wegen Architektur, 368 Seiten; niggli Verlag 2016, – ISBN 978-3721209624, 44 Euro.

http://www.niggli.ch/en/der-verstand-so-schnell-die-seele-so-langsam.html

Begrüßung: Dr. Petra Hesse, Direktorin MAKK
Einführung: Andreas Grosz, KAP Forum
Moderation: Oliver Herwig, KAP Forum
Fotos: Tobias Groß, Studio für Gestaltung