Nachlese
Reihe Vordenker
Tina Kortmann
Senior Associate Architektin
UNStudio
»… whatever the future may bring.«

Orte des Miteinanders
Tina Kortmann referiert über intelligentes Bauen und kollaboratives Arbeiten bei UNStudio.

Sportlich. Ohne Umschweife sprang Tina Kortmann, Senior Associate Architektin bei UNStudio, für den verhinderten Ben van Berkel ein. Ein volles Auditorium im Kölner MAKK erlebte eine dynamische Baumeisterin, die seit Jahren zwischen Amsterdam und Frankfurt am Main pendelt, wo sie als Gesamtprojektleiterin das Hochhausprojekt FOUR Frankfurt überwacht. Es gehe nicht einfach um Häuser, sondern um Orte für Menschen, war ihre zentrale Botschaft. Kortmann referierte zu sozialen Räumen, die entscheidend seien für funktionierende Gesellschaften. Dazu dienten auch Technologien der Nachhaltigkeit – von bedruckten Solarzellen bis hin zu interaktiven Räumen –, die unmittelbar auf Gefühle der Nutzer antworten. Solche Experimente gehörten einfach dazu.

Moderne Informationstechnologie ist bei UNStudio nicht nur ein wichtiges Werkzeug beim Entwurf, sie hat einen durch und durch positiven Charakter, wie Kortmann im nachfolgenden Gespräch betonte: „Technologie hilft uns Orte effizienter zu machen – und lebenswerter.“ Dabei gebe es viel Nachholbedarf. Die 1978 in Aachen geborene Architektin hatte einen prägnanten Vergleich zur Hand: Während wir gesellschaftlich längst im Zeitalter der Smartphone lebten, wäre das Bauen im Walkman-Zeitalter steckengeblieben. Und so fragte Kortmann, warum sich Gebäude immer noch so schwer recyklieren und technologisch aufrüsten ließen. Nur zu rund 20 Prozent seien Bauten in die Kreislaufwirtschaft eingebunden. Geschweige denn intelligent.

In Zukunft gehe es auch darum, Gebäude und ganze Städte technologisch aufzurüsten. Wie aber soll das funktionieren? Beziehungsweise: Wie gehen die niederländischen Architekten vor? Nun, UNStudio bezieht beim Entwurf ganz selbstverständlich Experten aus anderen Disziplinen – bis hin zu Künstlern – in den Entwicklungsprozess ein und expandiert laufend in neue Felder. Damit ist nicht etwa Städtebau gemeint, den das Büro ohnehin betreibt, es geht eher um Felder wie Industrial Design oder Verknüpfungen zwischen Psychologie und Informationstechnologie. Vor allem aber geht es um Unternehmergeist: Lasst uns etwas zusammen entwickeln, lautet die Devise. Dass sich von solchem Teamgeist offenbar auch die Bauherren anstecken lassen, macht den Charme und den Erfolg von UNStudio aus.

Einen Schwerpunkt legte Kortmann naturgemäß auf das Frankfurter Projekt. Mit seinen vier skulpturalen, genau aufeinander bezogenen Türmen rund um eine zentrale öffentliche Freifläche, dem „multifunktionalen Podium“, stellt es augenblicklich eines der wichtigsten und größten Projekte des international tätigen Architektenbüros dar. Das Turmgeviert sieht Kortmann angeordnet um einen Stadtraum, der „gesund und glücklich macht.“ UNStudio möchte Widersprüche auflösen zwischen Nachbarschaft und Hochhaus, Bürgern und Baumassen. Denn im Zentrum ihrer Architektur stehe der Mensch, sagte Tina Kortmann, es gehe um die Gestaltung von inklusiven Räumen und Orten des kreativen Miteinanders.

Text: Oliver Herwig und Andreas Groß
Fotos: Studio für Gestaltung