Nachlese
SMART – KOLLABORATIV – TRANSPARENT:
NEUE PLANUNGSMODELLE FÜR DIE WELT DES BAUENS.

Nichts für Einzelkämpfer
Kommunikation ist alles – aber ohne wechselseitiges Verstehen nichts. Architekten, Softwarespezialisten und Forscher diskutieren im KAP Forum in Hamburg die Gestaltung der Zukunft.

Software ist gut, miteinander Reden besser. Das Digitale braucht das Analoge. Das war das überraschende Fazit einer lebendigen Veranstaltung des KAP Forums im Business Club Hamburg. Moderiert von Oliver Herwig gaben vier Referenten aus Forschung, Praxis und Software-Entwicklung Einblicke in den heutigen Stand vernetzter, transparenter und intelligenter Wege in der Bauwelt.

„Wir glauben an die Intelligenz der Vielen“, sagten Vanessa Brand und Thomas Jansen von RKW Architektur+ in Düsseldorf und machten deutlich, wie entscheidend das Gespräch mit allen – wirklich allen – Beteiligten am Bau sei. Und das, bevor ein erster Plan gezeichnet, ein Modell gebaut oder ein Begriff in die Luft geworfen wird. Das Werkzeug „define“ setzt auf kleine Gruppen, die miteinander reden – und übereinander. Jeder fragt jeden. Die moderierte Diskussion benutzt analoge Technik, Fragebögen und anonyme Notizen, die aus Menschen herauskitzeln, was sie sonst nicht preisgeben würden. Mitarbeiter würden relevant, weil ihre Stimme zähle. Ihre Ideen, Wünsche und Ängste werden zeitgleich in eine visuelle Tapete übersetzt. So entsteht Raum für gemeinsame Visionen – und aus vagen Vorstellungen konkrete, nachvollziehbare Wünsche an Raum. „define“ geht es um Grundsätzliches: eine Basis zu schaffen für das gemeinsame Arbeiten. Danach erst kommt das Bauwerk.

Herz und Hand, Mensch und Technik – Gegensatzpaare wie diese werden oft in Stellung gebracht, wenn es darum geht, technologische Epochenwechsel zu beschreiben. Und dieser ist einer, vergleichbar etwa mit dem Buchdruck, meinte Martin Schnitzer, Geschäftsführer der Softwareberatung Schnitzer & in München. Der Übergang zu integrierter Planung in der Architektur aber sei aber keineswegs „Teufelszeug“, wie manche Architekten schon in den Neunziger Jahren wähnten, als CAD die Rapidographen verdrängte und Fehler noch mit der Rasierklinge ausgewetzt wurden. Dieses Verletzungsrisiko, scherzte Schnitzer, habe ihn von Computern überzeugt. „Alles werde anders“, versprach der Software-Spezialist, aber die Bauwelt werde nicht auf den Kopf gestellt. Entscheidend sei, dass Menschen mit dem gleichen Wissensstand an Projekten arbeiteten: BIM sei nichts für Einzelkämpfer.

Diese Aussage galt für den ganzen Abend. Markus Hammes, Inhaber und Partner von hammeskrause architekten in Stuttgart, machte deutlich, dass weder die Software perfekt sei noch manche Abläufe, dass es aber doch darum gehe, einen Kulturwandel zu mehr gesicherter Zusammenarbeit zu vollziehen. Er wolle bestmögliche Ausführungsqualität – und unsere gegenwärtige Bauweise müsse sich ändern, damit auf der Baustelle weniger Pfusch herrsche und mehr Miteinander und verantwortliches Planen. Da sei es eben entscheidend, ob ein Haus zu 100 Prozent modelliert sei – oder man bei 80 Prozent stehen geblieben sei. Sein Credo: Technik ersetzt nicht den Austausch – im Gegenteil, sie befördert neue Wege, miteinander zu arbeiten. Und die Natur zu schonen, denn Bauen an sich sei ja nicht smart, sondern oft genug Zerstörung der eigenen Umwelt.

Wenn aber schon so viel über Kommunikation die Rede war, von transparenter Zusammenarbeit und neuen Tools wie dem Building Information Management, lag es nahe, einen Kommunikationsprofi zu Wort kommen zu lassen: Einen wie Professor Jan Krause von der Bochum University of Applied Sciences, der am Fachbereich Architektur Media Management junge Gestalter zu Experten der Digitalen Kommunikation macht. Krause weitete den Blick für die nächste Stufe der Kollaboration: die kollaborative Lehre, in der Dozenten verschiedenster Fachrichtungen neue Perspektiven für Architekturstudierende öffnen, zusammen mit Psychologinnen, Betriebswirtinnen und Geodätinnen.

„Heute gestalten Sie den Rest Ihrer Zukunft“, meinte Thomas Jansen in seinem Eingangsstatement und schob nach: Was wir heute nicht denken, könne morgen auch nicht Realität werden. Insofern fügte sich ein Abend aus verschiedensten Perspektiven zu einem inspirierenden Ganzen. Ob mit oder ohne Software – es geht um Zusammenarbeit in der Bauwelt. Denn eigentlich ging es um etwas Grundlegenderes, um die Fähigkeit, ja das Glück, mit Menschen zu reden, die einen bereichern. Und diese Chance wurde in Hamburg noch bis spät in die Nacht genutzt.

Text: Oliver Herwig und Andreas Groß
Fotos: u. a. Jürgen Pollak