Nachlese
Werden Sie Zukunftskünstler/in.
Prof. Dr. Uwe Schneidewind brilliert im KAP Forum
in der Reihe Vordenker am 19.06.2019 im MAKK

»Wie kriegen wir diese Welt überhaupt über die Runden?«

Fragen dieser Art sind Professor Uwe Schneidewind, seit 2010 Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Bergischen Universität Wuppertal, nicht fremd. Im Gegenteil. Der promovierte Betriebswirt beschäftigt sich schon lange mit der »Großen Transformation«, also dem kulturellen Projekt, das unsere Welt wieder ins globale Gleichgewicht bringen soll – und bald zehn Milliarden Menschen Zugang zu einem „guten Leben“. Schneidewinds Antworten klingen erstaunlich einfach. Etwa zur Mobilität. Diese brauche zunächst gar kein »High-Tech, im ersten Schritt gehe es um die Vermeidung und Verlagerung von Verkehr.« Konkret: »Um eine gute Stadt- und Regionalplanung, kurze Wege, Attraktivität fürs Laufen und Radfahren, ein gutes System des öffentlichen Verkehrs.« Erst dann gehe es um das »Verringern von Belastungen durch effiziente Motoren, neue Antriebe und insbesondere Ride-Sharing-Angebote.«

Auch wenn Schneidewind das Wort Verzicht vermied, ging es doch um die Frage, wie wir lieb gewonnene Gewohnheiten ablegen. Die moralische Wende besteht eben weniger in einem ökologisch korrekten Konsum – der die Welt im übrigen nicht retten könne – ohne »begleitende Formen der Suffizienzpolitik.« Sondern in eigenen Taten. Das gute Leben für alle bedeutet ein genügsameres Leben der hoch entwickelten Länder. Schneidewind geht es um ein moralisches Projekt. Auch wenn er keine Angst für die Erde als Ganzes habe, sähe er doch, dass die humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts nichts seien gegen die bevorstehenden Katastrophen des 21. Jahrhunderts. Wenn, ja wenn die Privilegierten – wir – den bevorstehenden Wandel nicht annähmen.

Schneidewinds Transformation ist eng verbunden mit dem humanistischen Ideal, mit der Vorstellung, dass es noch etwas anderes gibt als wirtschaftliche Wachstumszahlen. Nämlich einen moralischen Überbau, der den Blick für das große Ganze freigibt. »Wir brauchen ein Verständnis dafür, wie sich Handlungsstrukturen verändern«, forderte Schneidewind. In seinem aktuellen Buch heißt das: Der Einzelne ist nicht nur »als transformativer Konsument, sondern noch sehr viel stärker als transformative Bürgerin, zivilgesellschaftlich Engagierter oder Verantwortungsträger in gefordert, die sich in ihren Umfeldern als Pioniere des Wandels einsetzen.«

Eine Form der Rettung liegt daher im unmittelbaren Umfeld. In der konkreten Geste, der sozial aktiven Tat in der Stadt, die per se ein Feld des Wandels darstelle. Und wo genau also liegt die Verantwortung der Gestalter? Nun, Professor Schneidewind sieht in ihnen Agenten des Wandels schlechthin: Menschen, die Veränderung bewirken. Stadtplaner – diese Tätigkeit erfordere einen ganzheitlichen Blick, den man im Wissenschaftsbetrieb viel zu selten sehe. Der Blick fürs Ganze, fokussiert im Kleinen. Und so machte Scheidewind zuletzt am Kölner Otto & Langen-Quartier den Mut zu authentischen Stadtvisionen fest. Die rund 200 Zuhörer applaudierten. Allen anderen sei das aktuelle Buch empfohlen: »Die Große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels.« Dort heißt es ganz am Schluss: »Die Welt des Jahres 2050 kann eine bessere und nachhaltigere sein. Sie haben es in der Hand. Werden Sie Zukunftskünstlerin. Machen Sie eine nachhaltige Entwicklung möglich.«

Text: Dr. Oliver Herwig, KAP Forum
Fotos: Tobias Groß,  Studio für Gestaltung

»Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.«

Mahatma Gandhi