Nachlese
Polis Convention 2019

Der ganz
normale
Häuserkampf

POLIS CONVENTION am 16. Mai 2019 auf dem Böhler Areal in Düsseldorf.

Von Anbeginn vor fünf Jahren moderiert das KAP Forum für Architektur & Stadtentwicklung unter Leitung von Andreas Grosz das Abschlusspanel auf der Polis Convention. Den rd. 400 Gästen wurde einmal mehr eine spannende Diskussion geboten. Das Thema: Die bezahlbare Stadt. Die »soziale Frage« des 21. Jahrhunderts – bot Zündstoff genug.

Es ging hoch her auf dem Abschlusspanel der polis convention: Schlimm wie eine Hungersnot sei der Wohnungsmangel. Wir hätten einen »Häuserkampf« – und das Gemeinwesen sei bedroht. Markige Worte. Doch welche Lösungen bieten sich für die »soziale Frage« des 21. Jahrhunderts? Und wie konnte es überhaupt dazu kommen?

Politikversagen? Staatssekretärin Anne Katrin Bohle, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Berlin gab zu, dass man zu lange von einer schrumpfenden Bevölkerung ausgegangen sei. Tatsächlich bleibe der Wohnraum ungleich verteilt. Nur in der Summe gäbe es keinen Leerstand, tatsächlich hätten wir aber »heute ganz normalen Häuserkampf.« Doch der Bund entscheide nicht darüber, wo, wann und was gebaut werde. Dafür gebe es die sehr erfolgreiche kommunale Planungshoheit. Bohle wünschte sich »gesunde Stadtgesellschaften« statt »gentrifizierte Quartiere für Leute, die es sich noch leisten können.« Das war ein Stichwort für die Berliner Unternehmerin Diana Kinnert, die sich nicht nur für ein »bedingungsloses Grundeinkommen« aus- sprach, sondern den Finger in die Wunde legte: CDU-Politikerin Kinnert sah das Gemeinwesen bedroht durch eine auseinanderklaffende Wohnwelt.

Wer kann
sich die Stadt
noch leisten?

Effizienter und
preiswerter Bauen

Die Politik habe die Wohnungswirtschaft in Geiselhaft genommen, stichelte Christoph Gröner, Vorstandsvorsitzender wie Gründer der CG Gruppe und verlangte zugleich mehr Engagement der Baubranche. Der Unternehmer setzte auf technische Lösungen, um endlich effizienter zu werden am Bau und nicht mehr Häuser zu errichten wie die Römer: mehr Vorfertigung, intelligentes Bauen, integrierte Gewerke. Weil zudem bald Zehntausende von Bauarbeitern und – Ingenieuren fehlen dürften, gäbe es nur eine Chance: Effizienz durch BIM (Building Information Management – dazu wird das KAP FORUM am 29.10. in Hamburg diskutieren: www.kap-forum.de

Während die Baubranche in 40 Jahren gerade mal sieben Prozent Effizienzgewinn erzieht habe, könne etwa die Automobilindustrie mit einem Vielfachen davon aufwarten. Das Ergebnis: Ein Auto koste heute rund achteinhalb Mal so viel wie 1969, eine Wohnung hingegen 28 Mal so viel. »Wir wissen nicht, wie wir bauen« – und rund zehn Prozent der Kosten gingen alleine durch »Unwissenheit« oder »Dummheit« verloren. Nur so könne man die Baukosten spürbar senken und zugleich schneller bauen –, was allen sofort zugute käme.

Reinhold Knodel, Inhaber und Vorstand der PANDION AG, setzt auf die Kraft des Marktes: All das, was gerade versucht werde, reiche nicht. Hochhäuser und Nachverdichtung – zu wenig. Es brauche eine Angebotsausweitung durch neu zuzuweisende Baufelder. Städte lägen eben im Trend. Knodel begründete die Attraktivität der Ballungsräume zutiefst menschlich: Leute wollen zu Leuten, oder, in seinen Worten: »Die Attraktivität der Stadt ist gesteigert worden – durch Grün in den Metropolen und hohe Aufenthaltsqualitäten.« Knodels Grundtenor: ohne ökonomische Anreize kein neuer Wohnraum. Sozialisierungstendenzen gab eine Abfuhr. Wenn die Öffentliche Hand das Bauen anfange, sei das Chaos programmiert. Ein Blick auf deren Großbaustellen dürfte reichen. Seine Vorschläge enthielten zugleich eine Forderung an die Politik, endlich zusätzliche Flächen auszuweisen, um neue Wohnungen zu errichten. Der Vorsitzende des Arbeitskreis Projektentwicklung des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA) verlangte für die »Zuwanderungsstadt« neue Grenzen. Dafür könne er sich vorstellen, bereits versiegelte Flächen auf dem Land wieder zu entsiegeln. Um neuen Wohnraum schneller zu erstellen, verlangte Knodel, den Wald an Vorschriften zu lichten. Wir müssten nicht grüner als grün werden – das Bauen sei zudem gegängelt durch 1000 DIN Vorschriften. Bewusst wollte der Investor keine Zauberformel anbieten, eher Nadelstiche zur Behandlung des Status quo setzten. Was Knodel verlangte: Augenmaß. Vorschriften und Sozialbindung mit »Sinn und Verstand.« Vor allem aber mehr Bauland, damit die Städte wieder Atmen könnten. Vorschläge, denen sich der Niederländer Carl Smeets, Niederlassungsleiter NRW, BPD Immobilienentwicklung, nur anschließen konnte. Auch im Nachbarland sucht man, statt zusätzliche Gräben zu öffnen, nach pragmatischen Lösungen, um den Wohnungsdruck aus den Metropolen zu nehmen. Die Ausweitung neuer Flächen und von Stadtquartieren, etwa außerhalb Amsterdams, sei z.B. ein Weg dafür.

Mehr
Bauland
ausweisen

Wohnen
für alle

Staatssekretärin aus dem Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, Anne Katrin Bohle, sieht im Bauen zuvorderst eine kommunale Angelegenheit – keinen Fall für Gesetze von oben. Das könne nicht »par ordre du mufti« entschieden werden. Sondern von Städten und Gemeinden. Investoren und Bauwirtschaft sollten im Übrigen an den zukünftigen Aufgaben und Aufträgen durchaus verdienen – nur lebten wir in einer sozialen Marktwirtschaft. Es gelte für die Mitte der Gesellschaft die gleichen Chancen und den gleichen Raum zu erhalten wie für Begüterte, um sich gleichermaßen entwickeln und bewegen zu können. Offenbar stimmt es: Bezahlbarer Wohnraum hat sich innerhalb kürzester Zeit zu der »sozialen Frage« des 21. Jahrhunderts entwickelt. Wenn an einem Panel Vertreter von Politik, Bauwirtschaft und Investoren zusammensitzen und nahezu gleichlautend die bezahlbare Stadt fordern, muss wohl etwas dran sein an der Forderung. Vorschläge und Anregungen, wie man das Wohnungsproblem angehen kann, gab es auf dem Panel genug – nun müssen Investoren, Bürger, Politik – alle am Planen und Bauen Beteiligten – gemeinsam handeln. Jetzt!

Foto: Sascha Kreklau | Polis Award Verleihung