Nachlese
Unternehmer-Quartett:
Was bedeutet Made in Germany heute?

Wir stehen mit unserem Namen dafür!

Die Köpfe von Carpet Concept, COR und Dornbracht sowie Artemide diskutieren über „Made in Germany“.

»Made in Germany«, das war ursprünglich als Brandzeichen für schlechte Qualität gemeint, dann eine Zwangsbezeichnung für Exporte ins Commonwealth und verwandelte sich, ganz im Gegensatz zur ursprünglichen Absicht, in eine starke Marke mit einem unschätzbaren Wettbewerbsvorteil für Produkte aus Deutschland. Was ist davon geblieben, angesichts von Dieselgate und Skandalen in der Großindustrie? Das diskutierten im KAP Forum vier Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen, die für Qualität, Zuverlässigkeit und Design stehen.

Deutschland – Italien 1 : 1

Steffen Salinger, als Deutscher seit 14 Jahren in leitender Funktion beim italienischen Hersteller Artemide tätig, stand für einen doppelten Blick auf „Made in Germany“ – man könnte sagen: einen vertrauten Blick von außen. Aus seiner Perspektive steht „Made in Germany“ für einen klaren Qualitätsbegriff, untermauert durch die Trias „Innovation, Entwicklungs- und Produktqualität.“ Letztlich aber gehe es vor allem um „Werte“ – und diese hätten mit den Werten von Artemide „eine hohe Kongruenz.“ Was sich Deutschland gerne auf die Fahnen schreibt, gilt nach auch für Italien: „Die Netzwerke arbeiten international“, die erfolgreichen Marken seien alle „global aufgestellt und damit sehr erfolgreich.“ Der Exporterfolg nutzt freilich einen Dreh: Italiens stark beworbener Slogan heißt „Design made in Italy“ – damit assoziert man eine Qualitätsbezeichnung, die bewusst nicht in den Wettbewerb mit „Made in Germany“ begibt, sondern sich über Designkompetenz definiert, wo „man sich durchaus gegenüber Deutschland kulturell überlegen fühle“.

Fabrik in China? Bloß nicht!

Ist Deutschland als Produktionsstandort nicht zu teuer? Andreas Dornbracht, Geschäftsführender Gesellschafter von Dornbracht, antwortete mit einem flammenden Plädoyer für einheimische Fabriken. Das Label »Made in Germany« spiele vor allem in Asien und Übersee eine große Rolle. Der Verbraucher dort sehe die Marke und assoziiere die Herstellung in Deutschland, „auch wenn deutsche Unternehmen gegebenenfalls gar nicht mehr in Deutschland herstellen“ – ganz im Gegensatz etwa zu Dornbracht selbst, wo 100 Prozent der Wertschöpfung in Deutschland stattfinde. Wann immer Kunden und Distributeure in den USA und China ihn auf hohe Preise ansprächen und vorschlügen, doch gemeinsam eine Fabrik in China zu bauen, antworte Dornbracht: „bloß nicht!“ In Übersee habe „Made in Germany“ viel mit dem Produktionsstandort zu tun, mit dem Gefühl, wenn es aus Deutschland komme, dürfe es auch mehr kosten. Doch auch hier müsse man differenzieren: Bei Unternehmen wie Mercedes Benz etwa sorge allein die Marke dafür, dass auch Geländewagen, die in den USA produziert würden, als „Made in Germany“ wahrgenommen würden. „Es gibt da eine Gemengelage aus Marke und Label.“ Die Konsequenz klingt pragmatisch, ja selbstbewusst: „Es ist nicht so, dass wir Schwarz-Rot-Gold in Prospekten abbilden, das machen unsere Chinesischen Plagiatoren, die einige Funktionsteile in Deutschland zukaufen.“

Ideen und Produktphilosophie

Start-up-Kultur auch nach 25 Jahren verbreitete Thomas Trenkamp, Geschäftsführender Gesellschafter von Carpet Concept. Da er „Teppichboden immer als „textilen Baustoff“ verstanden habe und „Produktentwicklung als kontinuierlichen Prozess“, sei für ihn klar: „Made in Germany hat ganz viel mit einer Produktphilosophie zu tun, und zwar vor allem mit den Faktoren Funktionalität und Gestaltung sowie Nachhaltigkeit.“ Damit konnte sich Leo Lübke, Geschäftsführender Gesellschafter von COR Sitzmöbel, sehr gut identifizieren: „Auch wir Deutschen mögen Produkte aus heimischer Produktion und verbinden damit Qualität, Umweltfreundlichkeit und aufgrund der kurzen Wege von der Produktion zum Kunden einen guten Service.“ Wichtiger als das Siegel „Made in Germany“ seien jedoch die „Inneren Werte“ des Unternehmens, die zwar mit dem Fertigungsstandort zu tun hätten, aber eben nur ein Teil des Gesamtkonzeptes seien. Hier gab Lübke der Diskussion einen neuen Dreh: Eine gesunde Rentabilität sei natürlich die Existenzgrundlage jedes Unternehmens. „Der Antrieb, ein Unternehmen zu leiten, ist aber nicht ausschließlich monetärer Natur. Befriedigender als die Gewinnmaximierung oder Umsatzsteigerung ist die Realisierung von Ideen, die der Gründer voller Leidenschaft verfolgt hat. Für mich persönlich ist es sehr befriedigend, viele unterschiedliche handwerkliche Berufe unter einem Dach zu vereinen und den Mitarbeitern gute Arbeitsplätze anbieten zu können.“

Nachhaltige Unternehmensführung

Der deutsche Mittelstand kann sich nicht auf seinen Traditionen, seiner Qualität und dem Vorsprung intelligenter und flexibler Produktion ausruhen, wenn neue, digitale Geschäfts- und Vertriebsmodelle anstehen, neue Wettbewerber und neue Produktionsverfahren wie etwa der 3-D-Druck. „Wenn andere Länder stärker in die Individualisierung und die Losgröße eins einsteigen“, sagte Andreas Dornbracht, „müssen wir uns sputen, dass wir Industrie 4.0 in den Griff kriegen.“ Und Dieselgate? Hier könnten durchaus langfristige Schäden bei „Made in Germany“ entstehen – ein Problem sei die „Verschleppungs- und Salamitaktik“, sagten Trenkamp und Dornbracht unisono. „Wir als Mittelstand haben eine Riesenchance, dass wir mit unserem Eigentum dafür einstehen, dass wir gewissen moralischen Prinzipien auch folgen.“ Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung, nicht nur nachhaltige Produkte, da waren sich alle auf dem Podium einig.

Deutlich wurde in der Diskussion, dass Nachhaltigkeit, Flexibilität und lokale Produktion keine Lippenbekenntnisse des Mittelstands sind, sondern echte Stärken, deutlich in einem Satz des Deutsch-Italieners Salinger: „Wir alle streben nach Werten, die sich um Menschen drehen und um Qualität und Innovation.“ So war dieser Abend tatsächlich einer über Werte für Menschen – und nicht nur einer über Warenwerte.

Text: Oliver Herwig und Andreas Groß
Fotos: Studio für Gestaltung