Nachlese
KÖLNER PERSPEKTIVEN  ZU WOHNEN UND ARBEITEN
BRÜSSEL

BAUMEISTER FÜR DIE STADT

Köln braucht dringend einen Stadtbaumeister und mehr produzierendes Gewerbe in der Innenstadt – das sind die beiden Erkenntnisse aus dem Vortrag, den Kristiaan Borret am Montagabend im Rautenstrauch-Joest-Museum hielt. Der Baumeister der Region Brüssel beteiligte sich an der Reihe Kölner Perspektiven zu Wohnen und Arbeiten, die Stadtverwaltung, Industrie- und Handelskammer (IHK), KAP-Forum und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ gemeinsam organisieren.

Borret erklärte den Besuchern, dass seit 1999 alle größeren Städte in Belgien den Posten eines Baumeisters geschaffen haben, der die Qualität der Architektur und der Stadtentwicklungsprojekte aus einer unabhängigen Position heraus initiiert und überwacht. Unabhängig meint, dass der Baumeister anders als ein Baudezernent weder der Stadtverwaltung noch der Politik angehört. „Es geht darum, eine Balance zwischen Kritik und Loyalität zu finden“, sagte Borret. Sein Team und er organisieren Architektenwettbewerbe, zeichnen Entwürfe, anhand derer Vorhaben diskutiert werden, sie beraten die Politik und sorgen für die Fortbildung der Verwaltungsmitarbeiter.

Jenseits der Einführung eines Stadtbaumeisters brachte Borret noch einen anderen Ratschlag aus der belgischen Hauptstadt mit: Auch in der Innenstadt muss Raum für das produzierende Gewerbe übrig bleiben. „Wenn man eine Bar als urban betrachtet, dann muss das auch für den Getränkehersteller gelten“, sagte Borret. Da in Brüssel – anders als in anderen europäischen Metropolen – in der Innenstadt vor allem Menschen mit einem geringeren Einkommen wohnen würden, müsse es auch für sie Jobs vor Ort geben. „Es ergibt keinen Sinn, wenn der Klempner morgens erst aus der Stadt raus zu seinem Betrieb fährt und anschließend wieder zurück in die Stadt zu den Kunden“, so Borret. Sein Team und er würden Immobilienentwickler daher dazu motivieren, bei Neubauten Wohnen und Arbeiten zu kombinieren und mit einer ansprechenden Architektur zu verbinden. Brüssel sei keine harmonische Stadt, beschrieb Borret eine Gemeinsamkeit mit Köln. Historische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert wechseln sich mit modernen, aber hässlichen Bauten ab. Autostraßen und eine Eisenbahntrasse quer durch die Stadt hätten Narben hinterlassen. Die Stadt schließe sie jetzt nach und nach mit der Hilfe von Grünflächen.

Erschienen im Kölner Stadt-Anzeiger, am 11.10.2017
Autor: Tim Attenberger
Foto: Peter Rakoczy