Nachlese
Betongold

Betongold! Betongold! Betongold!
Verspekulieren wir unsere Städte? Facettenreiche Diskussion mit prägnanten Statements im Vorhoelzer-Forum der TU München.

Als die Veranstalter vor einem Jahr damit begannen, ihr erstes „Gastspiel“ in München zu planen, konnten sie nicht voraussehen, welche Brisanz das Thema entwickeln würde – bis hin zur größten Mieterdemonstration in der Geschichte der Stadt. Klar war aber, dass München für die Entwicklung der Immobilienpreise so etwas wie das „Brennglas der Republik“ ist: Nirgendwo verlief die Entwicklung in den letzten Jahren annähernd so dynamisch wie in der „Weltstadt mit Herz“.

Darüber, wie sich verhindern ließe, unsere Städte weiter zu verspekulieren, diskutierten imüberbuchten VorhoelzerForum der TU München Berliner Stadtplanerin Theresa Keilhacker, die Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München, Elisabeth Merk, der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel, Ferdinand Spies, der Geschäftsführer von Art-InvestReal Estate und der Münchner Architekt Dominikus Stark mit den Gastgebern Andreas Grosz und Oliver Herwig vom KAP Forum für Architektur & Stadtentwicklung.

Wer angesichts des breiten Spektrums, welches das Podium abdeckte, eine kontroverse Diskussion erwartet hatte, mag enttäuscht gewesen sein. Interessant und spannendwar der Abend allemal, weil er das Thema in zahlreichen Facetten und mit zum Teil erfrischend prägnanten Statements beleuchtete.

Den Auftakt machte Elisabeth Merk, die die Mieterdemonstrationen als „Lobbyismus, der uns bisher gefehlt hat“, begrüßte: „Politik und Gesellschaft funktionieren auf Druck“. Und die freimütig einräumte, dass man die Themen Erbbaurecht, Konzept- statt Bestbieterverfahren und Berücksichtigung von Genossenschaften bei der Grundstücksvergabe auch schon 20 Jahre früher hätte angehen können.

Ferdinand Spies sah die Mietpreisentwicklung kurz- bis mittelfristig als Standortnachteil für München – darauf, wie weit die Mieten noch steigen können, wollte er sich allerdings nicht festlegen lassen.

Dass die hohen Grundstückspreise den Löwenanteil der Kosten ausmachen, ist bekannt. Wenn dann noch, so Dominikus Stark, die Ausbaukosten – also die Kosten mit der geringsten Lebensdauer – überproportional steigen, verschärfe sich die Misere zusätzlich: Am Ende droht die Qualität dessen, was gebaut wird, auf der Strecke zu bleiben, wenn Stadtentwicklung einseitig aus der Sicht von Finanzinvestoren betrieben wird.

Reiner Nagel wies darauf hin, dass die boomenden Metropolregionen und die schrumpfenden Landstriche vor allem im Osten des Landes zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, man die gegenläufigen Entwicklungen also zusammen denken muss: Während München bis 2035 mit zusätzlichen 300.000 Einwohnern rechnet, geht die Bevölkerung der Bundesrepublik bis 2060 auf 70 Millionen Einwohner zurück. Und er wies auf einen weiteren Aspekt hin: Zunehmend mehr Wohnungen kommen aktuell gar nicht auf den Markt, weil Vermieten nicht zum Geschäftsmodell von Investoren gehört, die auf weiter steigende Bodenwerte und Wiederverkauf setzen – dabei sind vermietete Wohnungen eher hinderlich.

Daran knüpfte Theresa Keilhacker an, die das Thema „Betongold“ vor allem mit renditeorientierten internationalen Investoren verband. Deshalb sah sie in erster Linie die Bundesregierung in der Pflicht, Steuerschlupflöcher wie den Share-Deal – er ermöglicht Unternehmen den Kauf von Immobilien, ohne dass dafür Grunderwerbssteuer fällig wird – zu schließen. Außerdem, so Keilhacker, werde das Instrument auch gerne dafür genutzt, die Eigentumsverhältnisse einer Immobilie zu verschleiern. Womit sie zum Thema Geldwäsche kam: „Wer nichts verdienen muss, sondern Geld nur waschen will, kann auch 25 Prozent mehr bezahlen“.

Weil Grund und Boden nicht vermehrbar sind, macht der Neubau  auch in München nur ca. ein Prozent des Gesamtvolumens aus, der Rest findet im Bestand statt. Dort aber, so Elisabeth Merk, „ist Nachverdichtung kaum noch möglich, wenn ein Grundstück – statt wie früher einem – 25 Eigentümern gehört.“

Was tun also? Einig war sich das Podium darin, die Genossenschaften als die einzig nachhaltige Struktur im Immobiliensektor zu stärken, antizyklisch zu denken und zu handeln, und Bauvorhaben kleinteilig zu entwickeln – und in hoher Qualität. Dafür aber brauchen Städte Ansprechpartner, mit denen sie überhaupt über das Thema sprechen können: „Ein Bestandshalter versteht unter Qualität etwas anderes als ein Projektentwickler, der auf den schnellen Verkauf aus ist“, so Elisabeth Merk. Auch Reiner Nagel war der Meinung, man müsse „dem Geld eine verantwortliche Rolle zuweisen“. Wie das gehen soll, wenn es andererseits „kaum noch verantwortungsvolle Bauherrn“ gebe, blieb am Ende aber ebenso offen wie die Frage, wie sich Bodenpolitik als Instrument nutzen lässt. Stoff genug also für eine Folgeveranstaltung.

Einigkeit bestand darin, dass man bei diesem Thema „dran bleiben muss“. Für die Veranstalter vom KAP Forum steht ohnehin fest, dass die Diskussion weiter geht.

Text und Bild: Jochen Paul