Nachlese
Architektur & Bildung

Treibstoff Bildung
Zündende Diskussion für neue (Schul)räume

Sie ist wieder da und notwendiger denn je: die große Bildungsdebatte. In den nächsten Jahren müssen Milliarden in neue Schulbauten gesteckt werden, Experten beklagen einen gigantischen Sanierungsstau. Wie sollen diese Schulen aussehen, wenn Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, über die bestehenden sagt: „Die deutschen Schulen sind Ruinen“?

Das KAP Forum lud daher Experten – Pädagogen, Bildungsmanager, Architekten und Städtebau – ein, zukunftsweisende pädagogische und reale Räume vorzustellen. Und den Zusammenhang zwischen dem Ort und den Erfolgen der Lehre aufzuzeigen.

Andreas Niessen, Schulleiter des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Pulheim, setzte mit seinen Thesen den Ton: „Die klassische Flurschule zementiert eine Pädagogik, die nicht mehr zeitgemäß ist“, sagte der designierte Leiter der neuen Grund- und Gesamtschule auf dem Helios-Gelände in Köln Ehrenfeld. Ihm – und allen anwesenden Architekten und Pädagogen – ging es um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, um neue und vielfältige Lernformen, Teamarbeit, Inklusion und Teilhabe.

Schnell wurde deutlich, dass der Ort des Lehrens und Lernens viel umfassender und aktiver gedacht werden muss: Aus Klassenzimmer werden Lehr- und Lernräume, ja offene, flexible, transparente Raumgefüge, die inspirieren und fordern. Dazu müssen vielfältige individuelle Zugänge zum Lernen entstehen, während sich die Schule selbst mit Stadt und Gesellschaft verzahnt.

Dass und wie das möglich ist, bewiesen drei Architekten und Stadtplaner, die mit ihren Häusern bereits Standards in Köln und München setzten:

Johannes Talhof, Partner von Hess Talhoff Kusmierz Architekten und Stadtplaner BDA, griff mit der Grundschule am Arnulfpark in München das Konzept der Lernhäuser bereits auf, noch bevor es offiziell propagiert wurde. Talhof: „Schule ist nicht nur ein Ort zum Lernen, sondern auch zum Leben.“

Professor Gernot Schulz, Dekan des Fachbereichs Architektur an der Hochschule Bochum, zeigte, wie die Kölner Bildungslandschaft Altstadt Nord flexible Raumangebote und starke Architektur verbindet. Ein Haus fast ohne Flure. Das war nur möglich, weil etwa Bedenken der Feuerwehr (Fluchtwege und Brandschutz) ernstgenommen und überzeugend aufgelöst wurden: Mitten in Köln entsteht vom Studienhaus mit Bibliothek über die zur von den Schülern künftig selbst betriebene Mensa bis zum angrenzenden Park, der selbstverständlicher Teil einer offenen Schullandschaft wird, ein Lernort mit Zukunft.

Johannes Schilling, Professor für Architektur an der Münster School of Architecture, legte zunächst einen persönlichen Zugang zur Architektur als Schüler der Montessori-Schule, die es verstand, Begeisterung zu wecken und Komplexes anschaulich, ja begreifbar zu machen. Die von seinem Büro entworfene Grund- und Gesamtschule im Helios-Gelände gilt inzwischen als Muster einer neuen Generation von Schulen: offen und bergend zugleich, flexibel und voller Anregungen. Seine Überzeugung: „Die Schule ist ein künstliches Dorf, voller Beziehungen.“

Wenn es Bilder sind, die unser Denken prägen, so gab Dr. Peter Rösner reichlich Grund zum Nachdenken. Der Leiter der Stiftung Louisenlund schoss Sprachbilder durch den Raum wie Feuerwerkskörper. Für den ehemaligen Stiftungsleiter des „Hauses der kleinen Forscher“ muss die Auseinandersetzung mit schwierigen Naturwissenschaften viel früher beginnen als in der Schule, im Idealfall bereits im Kindergarten. Nun ist Rösner selbst Bauherr. Seine künftige Schule sieht er offen wie ein Labor – gedanklich wie räumlich.

So war dieser Abend selbst ein Gedankenlabor, voller Ideen und Gedanken, die auf gesellschaftliche Umsetzung warten. Andreas Niessen: „Der bauliche, funktionale und ästhetische Zustand vieler Schulhäuser drückt eine erschreckend geringe Wertschätzung gegenüber Lernenden und Lehrenden und der Bedeutung von Bildung insgesamt aus.“ Doch offenbar ändert sich etwas, Schließlich ist „Bildung der Rohstoff, aus dem die Kraft, die Ideen und Visionen für unsere Gegenwart und Zukunft stammen“ (Andreas Grosz).