Möbel sind keine Saisionartikel

COR forscht daran, mehr Naturmaterialien einzusetzen. Das klingt einfacher, als es ist. Gespräch mit COR-Geschäftsführer Leo Lübke über nachhaltige Produkte und unternehmerischen Mut.

Alle sprechen von »nachhaltigen« Materialien. Was heißt das konkret für die Produktion?

Bei COR setzen wir seit der Gründung des Unternehmens 1954 ausschließlich auf massives Buchenholz für den Bau der Gestelle unserer Sitzmöbel. Für die Produktion von Sofa-Gestellen ist Buche der perfekte Werkstoff. Die einfache Verarbeitung von Holz ist ideal für schlanke Produktionsprozesse und geringe Losgrößen (Stichwort Losgröße »eins«) und darüber hinaus für individuelle Maßanfertigungen, die einen kontinuierlich steigenden Anteil an unseren Aufträgen haben.

Buche hat Tradition.

Genau. Als relativ preisgünstiges Hartholz ist Buche seit jeher das bevorzugte Holz im massiven Möbelbau. Allerdings ist es recht schwer und wächst sehr langsam. Unweit von COR, zwischen Höxter und Paderborn, liegt der größte Buchenforst der Welt. Die kurzen Wege und das große Angebot begünstigen für COR den Einsatz der heimischen Buche. Leider ist aber auch die Buche vom Klimawandel betroffen, was sich in verschlechterter Qualität und geringerer Verfügbarkeit bemerkbar macht.

Also geht es mittelfristig sogar um Alternativen zur heimischen Buche. Wie sieht es bei der Suche aus?

Eine leichte und schnell wachsende Alternative ist Kiri-Holz, das viele ökologische Vorzüge bietet. Das geringe Gewicht – vergleichbar mit Balsaholz – bei gleichzeitig hoher Festigkeit – vergleichbar mit Hartholz – bietet Vorteile bei den Verarbeitungsprozessen für das Personal und hilft beim LKW-Transport Treibstoff zu sparen. Durch sein schnelles Wachstum bindet Kiri in kurzer Zeit sehr viel CO2. Die Bäume können bereits nach zehn Jahren gefällt werden. Kiri lässt sich als Plantagenholz auch in Deutschland anbauen. Der großflächige Anbau steht allerdings erst am Anfang.

Und es gibt keinen Haken für die Produktion?

Doch (lacht). Da Kiri andere Eigenschaften als Buchenholz aufweist, sind Veränderungen an der Rahmenkonstruktion der Möbelgestelle unumgänglich. Vor allem die Verbindungstechnik und Form der Rahmenleisten muss neu entwickelt werden, was wiederum Folgen für die Arbeitsabläufe und die Maschinentechnik haben kann. Es ist möglich, dass wir am Ende der Entwicklung zu hybriden Lösungen kommen, wobei Buche und Kiri miteinander verleimt werden. Vielleicht ist das Ergebnis aber auch, dass Kiri für uns nur in Form von Plattenmaterial eingesetzt werden kann. Da Entwicklungsarbeit immer etwas mit einer Expedition ins Unbekannte vergleichbar ist, können wir heute noch nicht sagen, was die richtige Lösung für uns sein wird.

Dazu kommen bei Polstermöbeln noch andere Komponenten. Wie schwer ist es eigentlich, den Anteil an Naturmaterialien zu erhöhen?

Großen Anteil an einem Polstermöbel haben erdölbasierter Schaumstoff und Watte. In unserer Entwicklungsabteilung und gemeinsam mit dem Einkauf versuchen wir bei COR, Schäume und Watte aus Kunstfasern durch nachwachsende Rohstoffe wie beispielsweise latextierte Kokosfasern (Gummihaar), Palmfasern (Afrik), Schurwolle, Rosshaar und andere klassische Materialien zu ersetzen. Leider ist es bisher noch nicht gelungen, die hervorragenden Elastizitätswerte und Rückstelleigenschaften von Schaumgummi durch nachwachsende Materialien nachzustellen. Hinzu kommt, dass erdölbasierte Schäume und Watte immer noch am preisgünstigsten sind. Aus unserer Erfahrung sind die Kunden aber nicht so idealistisch, dass sie für einen schlechteren Sitzkomfort auch noch einen höheren Preis zahlen würden.

Klingt nach viel Abwägung und noch mehr Forschung …

… das hält uns aber nicht davon ab, uns weiterhin mit dem Einsatz alternativer Materialien zu beschäftigen und die technische Entwicklung zu beobachten, bis sich neue Türen öffnen und sich Möglichkeiten bieten, nachhaltiger Materialien zu marktfähigen Preisen einzusetzen. Auch in der chemischen Industrie wird an neuartigen Materialien geforscht. So wird an Ledern auf Pilzbasis experimentiert und es ist vorstellbar, dass auch Schaumstoffe ohne den Einsatz von Öl an Hand biochemischer Prozesse organisch im Labor gezüchtet werden können.

Bei COR sind wir uns unserer Verantwortung für die Umwelt sehr bewusst. Eines unserer wichtigsten Unternehmensziele ist es, die Folgen unserer Möbelproduktion für die Umwelt kontinuierlich zu verringern. Fast wichtiger als der Einsatz der richtigen Materialien ist dabei die Langlebigkeit der Produkte.

Was heißt das konkret?

Wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck verringern wollen, müssen wir weniger und besser konsumieren. In diesem Zusammenhang spielt die Langlebigkeit, die Reparaturmöglichkeit und letztlich auch die Trennbarkeit der eingesetzten Materialien eine große Rolle. Wir müssen Designer für diese Themen sensibilisieren.

Mehr reparieren, umbauen, wiederaufbereiten?

Es geht nicht mehr darum, den Markt jedes Jahr mit neuen Modellen zu überschwemmen. Vielmehr müssen wir das Tempo verringern und uns bei der Entwicklung neuer Programme mehr Zeit nehmen und deutlich mehr Wert auf Gründlichkeit und Fragen der Ökologie legen.

Möbel haben sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Lifestyle-Produkt entwickelt. Durch immer schnellere Trendwechsel gleicht sich die Möbelbranche immer mehr den Mechanismen der Modebranche an. Wenn wir Umweltschutz und Nachhaltigkeit ernst nehmen, müssen wir diese Entwicklung umkehren. Das verlangt Mut, weil jedes einzelne Unternehmen befürchtet, vom Wettbewerb abgehängt zu werden, wenn es die neuesten Trends nicht mit als erstes aufgreift.

Wie soll ein solcher Bewusstseinswandel aussehen?

Langfristig aber sind die Unternehmen erfolgreich, die ihre Werte und das was sie eigenständig und besonders macht in den Vordergrund stellen. Da alle Hersteller sich heute mit modernem Design umgeben, bietet das Thema Design losgelöst von den Werten keine Alleinstellungmerkmale mehr. Aufgabe für die Zukunft ist es, das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich in die Unternehmensstrategie einzubetten und es integrativ mit der Corporate Identity, dem Corporate Design, den Werten und der Mission einer Möbelmarke in Einklang zu bringen.

COR ist klimaneutral …
Mit den bei der Produktion anfallenden Holzspänen und Resten können wir unser Unternehmen komplett und klimaneutral heizen und emittieren dementsprechend wenig Kohlendioxyd. Auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe zum Heizen müssen wir nur bei Wartungsarbeiten zurückgreifen und können in der Regel komplett darauf verzichten.

Jedes Unternehmen belastet mit der Produktion das Klima, aber es geht darum, diese Belastungen möglichst gering zu halten und den verbleibenden Ausstoß von Kohlendioxid mit der finanziellen Unterstützung verschiedenster Klimaprojekte zu kompensieren.

COR unterstützt beispielsweise Aufforstungsprojekte in Brasilien und gilt damit als klimaneutrales Unternehmen. Darüber hinaus beteiligen wir uns an einem lokalen Buchenaufforstungs-Projekt. Für jeden von COR verarbeiteten Baum soll eine Buche gepflanzt werden. Das sind rund 200 Bäume im Jahr.