Das Glück, Lichtplaner*in zu sein

Lichtplanung boomt, nicht nur, weil es gerade stark auf Weihnachten zugeht. Licht berührt uns Menschen. Sogar unser Biorhythmus ist auf den Tag-Nacht-Zyklus geeicht. In den letzten Jahren ist die Zahl faszinierender Licht(kunst)arbeiten stark gestiegen. Daher fragen wir Expert*innen: Wo steht die Gestaltung von und mit Licht gerade? Und was können wir noch erwarten? Ulrike Brandi, Tom Schlotfeldt und Andreas Schulz antworten.

Ulrike Brandi Licht
Royal Academy of Music London
©Adam Scott

TECHNOLOGIE

Anfangs angefeindet, geht heute nichts mehr ohne LED. Wo stehen wir gerade technologisch und gestalterisch? Ist hier noch Licht (Luft) nach oben?

Ulrike Brandi: Technologie und Gestaltung sehe ich als Aspekte wirklicher Nachhaltigkeit und ganz großzügig antworte ich hier mit der Frage nach dem Sinn: Wir sind jetzt in einem Stadium, in dem wir ganz ungeniert viel mehr Licht als vorher, nun aber mit LEDs, erzeugen. Unser „Gewissen“ ist ja rein, denn LEDs sind energiesparend – heißt es.

Lichtplaner*innen, Architekt*innen, Bauherr*innen, Designer*innen und Ingenieur*innen werden ab jetzt auch fragen: Wie viel natürliche Umwelt zerstöre ich mit diesem Lichtprodukt? Ist es das wert, macht es Sinn? Wo ist die Balance zwischen dem menschlichen Bedürfnis nach Licht und der Störung von Lebensraum für andere Arten und dem Blick in den Sternenhimmel? Welche Ressourcen verbrauchen die Produktion, der Betrieb und die Entsorgung von LED-Leuchten? Welche Bauteile werden recycelt, wie und wo? Da gibt es durchaus große Unterschiede. Ich erwarte ein Label für Leuchtmittel und Leuchten, das die Bilanz nachhaltiger Produktion und Entsorgung im Sinne von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen benennt.

Tom Schlotfeldt: Die ersten LEDs waren hauptsächlich auf Effizienz im Lumenpaket ausgerichtet, mit einem hohem Blauanteil und eher unangenehm in der Wirkung in privaten Räumen oder Büros. Mittlerweile legen die Entwickler mehr Wert auf Qualität statt Quantität, gute LEDs im Warmtonbereich mit 2700 K sind aber immer noch selten, es gibt also noch Luft nach oben. Ebenso bei den verschiedenen Ausstrahlungswinkeln der Leuchten, die früher in der Planung vordefiniert werden mussten, tut sich zur Zeit viel in der Entwicklung um bei fest installierten Leuchten, zum Beispiel, um ein Bild anzuleuchten, per Smartphone den Ausstrahlungswinkel anpassen zu können.
Die Lumenpakete der LEDs werden größer bei gleichzeitig kompakterer Bauform, diese Entwicklung geht rasend schnell, deshalb ist es für jeden Leuchtenhersteller eine Herausforderung bei den Bestellungen: Im Moment der Bestellung sind die LEDs eigentlich schon wieder veraltet. Und im Hintergrund läuft schon die Entwicklung der OLEDs.

Andreas Schulz: Ich selbst war am Anfang einer der Kritiker der LED-Beleuchtung – die grauenhafte Farbwiedergabe und das ausschließlich kaltweiße Licht waren ja tatsächlich K.O.-Argumente beim Einsatz dieser innovativen Lichtquelle. Davon ist nichts mehr geblieben: beste Farbwiedergabe und die komplette Bandbreite vom warmtonigen Kunstlicht bis zum blütenweißen Tageslicht sind erhältlich. Es gibt immer Luft nach oben, um gute Dinge besser zu machen. Insbesondere die jetzt schon überragende Effizienz der Lichtquelle wird sicherlich noch optimiert werden, ohne dabei zu schlechterer Lichtqualität zu gelangen.

Schlotfeldt Licht
U 5 in Hamburg, Hochbahn Seitenbahnsteig

GESTALTUNG

Lichtplanung hat einen wahren Boom erlebt in den letzten Jahren. Worauf kommt es wirklich an, wenn man mit wenig Aufwand große Wirkung erzielen will?

Ulrike Brandi: Im Moment sprudle ich über vor Glück, Lichtplanerin zu sein. Licht zu planen, es zu beobachten und zu gestalten, damit zu experimentieren und immer wieder Neues zu finden ist ein großer Genuss! In diesem Jahr, mit der zweiten COVID-19 Welle jetzt im Herbst, glaube ich, es wirklich gut zu haben, all die Lichtphänomene um mich herum bewusst wahrnehmen zu können. Der weiche Nebel, die Nuancen von Grau und das leuchtende Gelb des Herbstlaubs vor dem stahlblauen Himmel sind grandios. Meine Philosophie ist: Wir lernen vom natürlichen Licht, am besten sind die Entwerfer*innen, die gut hinschauen.

Tom Schlotfeldt: Wenn man mit wenig Aufwand viel mit Licht erreichen möchte, muss man zuerst dunklere Bereiche zulassen, um die Wirkung des Lichtes überhaupt erfahrbar zu machen. Der Architektur-und Designkritiker Thomas Edelmann hat die Überschrift zu einem Artikel über das neue Licht im Stadtraum der Mönckebergstraße, das wir gestalten durften, „Lob des Schattens“ genannt. So komisch es also klingt: Der Schatten ist für die Lichtplanung sehr wichtig, teilweise reduzieren und zonieren wir das Licht in unseren Projekten zunächst in dunklere Flächen, die dann wiederum den Gegenpol für das Auge bilden, um das Licht richtig wahrnehmen zu können. Denken Sie an einen Platz in einem italienischen Dorf, die Sonne steht hoch und wirft über die verschiedenen Gebäude ein Licht-und Schattenspiel. Im Bauhaus-Sinn: weniger ist mehr, denn keiner von uns möchte sein Wohnzimmer wie ein Stadium illuminieren.
Licht hatte schon immer eine besondere Wirkung auf den Menschen und regelt seinen Bio-Rhythmus: Wenn es dunkel wird, werden wir müde. In der Architektur hat Licht stets eine wichtige Rolle gespielt, sie ist die vierte Dimension. Bedeutende Architekten wie Louis Kahn oder Herzog & de Meuron haben bei vielen Projekten die Lichtwirkung als zentrale Entwurfsidee eingesetzt: klar ablesbar im Stadium München oder der Elbphilharmonie in Hamburg. Auch gmp Architekten arbeiten bei allen wichtigen Projekten mit Lichtplanern zusammen, damit etwa hohe Häuser in der nächtlichen Wirkung nicht zerfallen, wenn die Büros verlassen sind.

Andreas Schulz: Dieser Boom hat natürlich auch zur Folge, dass man in manch einem Projekt eine eher inflationäre Anzahl an Leuchten findet. Unser Gestaltungsansatz ist eher der sparsame Einsatz von Leuchten und Elementen, um auch über sanfter beleuchtete Bereiche zu denen, die eine expressivere Wirkung haben, eine gewünschte Szenografie oder gar Dramaturgie herzustellen. Eigentlich ist es gar nicht so schwer, denn das Zauberwort heißt auch hier: Weniger ist mehr.

Andreas Schulz
LICHT KUNST LICHT AG
Landtag Baden Württemberg
©Marcus Ebener

BÜRO

Was war Ihr spannendstes Projekt im letzten Jahr?

Ulrike Brandi: Das Projekt Festland für „Leuchtfeuer“, ein Wohnhaus für Menschen mit Krankheiten und Behinderungen, mit denen sie aber selbstständig in einer Wohnung leben können. Unsere Bauherren stemmen dieses Projekt mit so viel Menschenfreundlichkeit und Zuversicht und reißen alle Beteiligten mit ihrem feinen Enthusiasmus mit. Das Projekt ist außergewöhnlich vom Umgang der Planenden und Bauenden miteinander und natürlich vom Resultat: Das Haus strahlt Schutz und Geborgenheit, gleichzeitig Offenheit und Freude aus, nicht zuletzt auch wegen des Lichts!

Tom Schlotfeldt: Unter den vielen spannenden Projekten greife ich die Planung zur U 5 in Hamburg heraus, die ohne Fahrer auskommen wird. In einem internationalen Wettbewerb haben wir im Team mit Hadi Teherani Architekten die Gestaltung der Haltestellen gewonnen, die bis 2048 gebaut werden. Haltestellen haben häufig den Charme einer öffentlichen Bedürfnisanstalt, das Licht ist statisch, meistens kühl und gibt den Menschen wenig Aufenthaltsqualität. Wir werden versuchen, den Haltestellen der U 5 mit biodynamisch wechselbarem Licht und einer hellen freundlichen Gestaltung eine neue Qualität zu geben.

Andreas Schulz: Ein wirklich tolles Projekt ist die Renovierung des baden-württembergischen Landtags mit Staab Architekten; ein hochklassiges Gebäude aus den 50er Jahren mit einem im Inneren befindlichen Plenarsaal ohne Außen- und Tageslichtbezug, den wir dank unserer gemeinsamen Interventionen zu einem vitalen Ort gemacht haben, der nun eine extrem intensive Kommunikation mit dem Außenraum aufnimmt. Große Lichttrichter füllen den Raum mit Tageslicht und schaffen Ausblick für die Abgeordneten – eine visuelle Sensation.

©Michael Tümmers

ULRIKE BRANDI LICHT
Lichtplanung und Leuchtenentwicklung GmbH
www.ulrike-brandi.de
www.brandi-institute.com

Schlotfeldt Licht
www.schlotfeldtlicht.de

LICHT KUNST LICHT AG
Ingenieure Designer Architekten für Beleuchtung
www.lichtkunstlicht.com