Wie im Hotel. Das Krankenzimmer der Zukunft.

Eine zukunftsfähige Krankenhausversorgung setzt auf Flexibilität und hohe Standards. Ein Denkanstoß von Architekt Michael Holewik / RDS Partner.

LVR-Klinikum Düsseldorf – Einbettzimmer Psychiatrie

Sicher ist, dass sich die Krankenhausstruktur und die Versorgung in Deutschland in näherer Zukunft ändern werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das Gesundheitssystem auf dem aktuellem Stand der Forschung steht und hoch effizient aufgebaut ist: Krankenhäuser können kurzfristig zusätzliche Behandlungskapazitäten auf den Intensivstationen aufbauen. Um die Systeme nicht zu überlasten, wurden sogar Hotels umgewidmet oder ein »Pop-Up« Krankenhaus aufgebaut. Diese Maßnahmen hatten jedoch eher einen improvisierten Charakter.
Bei künftigen Planungen von Um- und Neubauten, sollte der Fokus daher auf modulare Strukturen gelegt werden, um etwa Normalstationen zeitnah in Intensiv- oder Isolierstationen umzuwandeln. Krankenhäuser die stillgelegt werden sollen, könnten als Reservekrankenhäuser dienen. Diese Notkrankenhäuser ließen sich bei Epidemien oder Katastrophen kurzfristig reaktivieren, damit das Gesundheitssystem entlastet wird und ohne größere Störungen weiterlaufen kann.
Bereits heute kann man das Patientenzimmer baulich ohne wirtschaftlichen Aufwand auch unter den geforderten hygienischen Gesichtspunkten optimal gestalten.
Es überrascht, dass diesem Zimmer, welches im Krankenhaus einen großen Teil der Fläche ausmacht, wenig Beachtung geschenkt wird. Immer noch werden Zweibettzimmer mit der Anordnung der Patientenbetten in Parallelstellung mit Achsbreiten von circa 3,60 Metern bis 3,70 Metern geplant und realisiert.Die Patientinnen und Patienten liegen oftmals mit einem Abstand, je nach Planung, von rund 1,20 Metern bis 1,50 Meter auseinander. Nicht nur unter hygienischen Gesichtspunkten wünschte man sich größere Abstände.
Der Bewegungsraum für die Raumpflege stellt sich in der täglichen Praxis als zu eng dar. Der Platz zum Reinigen ist auch für eine strikte Raumhygiene von besonderer Bedeutung, um Ansteckungsraten zu reduzieren. Diese gewählte Anordnung der Bettenstellung hat zudem zur Folge, dass für eine patientenorientierte Zonierung des Raumes wenig Spielraum bleibt.

Ziel sollte ein Patientenzimmer sein, welches die Erwartungen der Gesundheitskunden an Serviceleistungen, Sicherheit, Individualität, Schutz der Privatsphäre, Komfort und Wohlbefinden erfüllen kann und gleichzeitig den Anforderungen an den medizinisch-pflegerischen Prozessen gerecht wird.

Für die Patientinnen und Patienten selbst stellt das Patientenzimmer Lebens- und Entfaltungsraum, Umwelt- und Rückzugsnische auf Zeit dar. Für die Mitarbeiter ist dieser Raum Ort der Pflege, des Zuspruchs und auch Raum für Aufnahme und Patientengespräche. Beide Nutzergruppen haben einen berechtigten Anspruch an diesen Raum nach größtmöglichem Nutzungswert und Ausstattung. Daher ist die flexible Nutzung der Patientenzimmer von hoher Bedeutung. Eine Planung von anderen Raumachsen ist daher wünschenswert.

Kinderklinik Wolfsburg – Grundriss Einbettzimmer mit Rooming-in Funktion

Grundriss-Vision zum Patientenzimmerstandard

Die bereits vor gut 50 Jahren von Wolfgang Rauh entwickelte und realisierte vis-à-vis Bettenstellung in einem Zweibettzimmer bietet hier wesentlich mehr Spielraum. Im Jahr 2018 wurde dieses Werk als beispielhaftes Bauwerk der 1950er bis 1970er Jahre im Rahmen der Kampagne »Big Beautiful Buildings. Als die Zukunft gebaut wurde« als einziges Krankenhaus ausgezeichnet. Mit einer unwesentlich größeren Achsweite von 3,80 Metern für das Zimmer, könnten die genannten wesentlichen Planungsaspekte realisiert werden. Mit dieser Bettenstellung kann die gewünschte Zonierung und damit auch die Privatsphäre der Patientinnen und Patienten hergestellt werden. Und durch geschickte Planung der Fensterbank als Sitzfläche kann der Bereich am Patiententisch mit höherer Aufenthaltsqualität angeboten werden. Ein wesentlicher Vorteil ergibt sich aber mit dem größeren Abstand der Patientinnen und Patienten untereinander. Distanz von 3,60 Metern bietet mehr Platz bei der Pflegetätigkeit, aber auch mehr Abstand zum Mitpatienten. Zusätzlich wird die Reinigung der Patientenzimmer leichter. Mit breiteren Achsmaßen entstehen größere Vorzonen im Eintrittsbereich des Zimmers, die im Einsatzfall kurzfristig als hygienische Schleusen aktiviert werden können.

Neue Bauaufgaben
In naher Zukunft könnte die Umgestaltung oder Umwandlung von Normalpflegestationen zu Intensivstationen eine neue Bauaufgabe werden. Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie erscheint demnach die noch übliche Bettenstellung in paralleler Anordnung als überholt.

Es stellt sich die Frage, ob nicht grundsätzlich der Einbett-Standard ausgeführt werden sollte. In den skandinavischen Ländern, wie Dänemark und Schweden, ist dies bereits üblich.
Solche Konzepte führen nicht nur bei den baulichen Strukturen, sondern auch mit der Anpassung der Einrichtung, der insgesamt für alle Patientinnen und Patienten an den Hotelstandard angehoben werden kann, zu einer weiteren Verbesserung bei der Umsetzung einer gesundheitsfördernden Architektur. Ein zusätzlicher Vorteil liegt bei der Einsparung von Flächen für Untersuchungs- und Behandlungszimmer. Mit der sich daraus resultierenden Anpassung des Nebenraumprogrammes könnten weitere positive betriebsorganisatorische Effekte mit der Reduzierung von Zeitabläufen erzielt werden. Ein Einbettzimmer lässt sich leicht reinigen. Es liegt auf der Hand, dass diese Zimmervariante zu den optimalen baulichen und hygienischen Präventivmaßnahmen zählt.

Neuer Wettbewerb
Kommen wir zu den großen Rahmenbedingungen. Mit der Einführung der DRG-Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, Diagnosebezogene Fallgruppen) wuchs auch ein unter wirtschaftlichen Aspekten geführter Wettbewerb um Patientinnen und Patienten mit ertragreichem Behandlungs- und Pflegebedarf. Bereits vor der Corona-Pademie gab es Bestrebungen, die Klinikanzahl in Deutschland zu verringern. Zwei Gründe wurden dafür ins Feld geführt: Bessere Behandlungsqualität bei einer Reduktion des Fachkräftemangels. Die aktuellen Entwicklungen zeigen bereits, dass die Kliniken durch den wirtschaftlichen Druck und die sich verringernden Mitarbeiterressourcen dazu übergehen, Kooperationen aufzubauen oder Verbünde zu schließen, um sich diesen Herausforderungen zu stellen. Zugleich schließen Fachkliniken, da die Fallpauschalen die eigesetzten Ressourcen nicht refinanzieren können, etwa Geburts- oder Kinderkliniken, die einen erhöhten Personal- und Zeitaufwand erfordern. Kleine Häuser wurden unter dem wirtschaftlichen Druck bereits geschlossen oder Investitionen nicht mehr getätigt. Politische Bestrebungen und wirtschaftliche Zwänge führen also dazu, dass voraussichtlich klinische Zentren als Maximalversorger errichtet und ausgebaut werden. Derzeit sind Tendenzen absehbar, dass sich die universitären Klinik-Standorte als solche Zentren etablieren.
Essenziell bleiben jedoch die wohnortnahe Grundversorgung und die politisch gewollte und festgesetzte Gleichheit der Lebensverhältnisse sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Voraussichtlich werden ambulante, interdisziplinäre Zentren aufgebaut, um die Versorgung in den ländlichen Räumen zu sichern. Diese Häuser lassen sich nach Bedarf entwickeln. Um die »größeren« Häuser zu entlasten, könnten kleinere Operationen durchgeführt werden. Eine geringe Anzahl von Betten für die Kurzzeitüberwachung und die Aufklärung bei längeren Diagnosen könnten betrieben werden.

Neue Techniken
Mit einer erweiterten Digitalisierung, etwa der digitalen Patientenakte und der weiteren Einführung der Telemedizin, wird Patientinnen und Patienten in den ländlichen Regionen eine flächendeckende Versorgung angeboten. Aber auch im urbanen Umfeld sind solche Strukturen vorstellbar. Kleinere Häuser könnten weiterhin genutzt werden, da bereits wesentliche Infrastrukturen vorhanden sind.
Schon bald werden die Länder gezwungen sein, übergreifende Strukturreformen mit zukunftsfähigen Konzepten zu entwickeln, die den Zugang zur zeitnahen Versorgung und den entsprechenden Qualitäten in der Behandlung und Ausstattung sicherstellen. Bei allen Standortentwicklungen mit möglichen Zentralisierungen sind erhebliche finanzielle Aufwendungen erforderlich. Dabei bleibt die Frage offen, ob die Fallpauschale für die Behandlung weiterhin als Refinanzierung für die Kliniken eingesetzt werden kann. Hier sind voraussichtlich Reformen bei der Gestaltung der DRGs und bei der Förderung von Gesundheitseinrichtungen notwendig.
Nicht nur wirtschaftliche Aspekte führen zu den Neuerungen bei den Kliniken, sondern auch die sich entwickelnde Medizin und Medizintechnik. Mit neuen Technologien bei Operationen und mit Robotertechnik ist es möglich, Patientinnen und Patienten minimalinvasiv zu behandeln, die noch unlängst aufwändig operiert werden mussten, beispielsweise bei dem Einsatz von Herzschrittmachern. Eine zentralisierte Patientenversorgung bedeutet auch eine zentrale Patientensteuerung. Die Patientenautonomie mit freier Arztwahl und Krankenhauswahl mit einer Vielzahl von Krankenkassen und Versorgern, müsste entsprechend angepasst werden.

Fazit
Das Krankenhaus der Zukunft, angelehnt an den Hotelstandard, ist hochtechnisiert und reagiert flexibel auf neue medizinische Herausforderungen. Im Mittelpunkt stehen der Mensch und seine Bedürfnisse. Daher wandelt sich auch das Krankenzimmer zu einem Ort, der Raum bietet für ganz unterschiedliche Konstellationen, wahrlich ein Teil gesundheitsfördernder Architektur.

Michael Holewik / Architekten BDA RDS Partner

Augusta Kliniken Bochum – Zweibettzimmer Somatik