Das Nadelöhr ist oft die eigene Infrastruktur.
Martin Schnitzer, Geschäftsführer von Schnitzer&,
über den Run auf Home-Lizenzen, vernetztes Arbeiten
und digitale Lösungen für ArchitektInnen.
»Hallo …?« Schon ist das Gespräch unterbrochen. Es klingelt wieder. Tut, tut, tut. Dritter Anlauf. Martin Schnitzer ist am Telefon. Das könne an ihm liegen, sagt der Geschäftsführer von Schnitzer&, gerade wäre er am Apparat einer Mitarbeiterin, die im Home-Office arbeite und ihre Durchwahl mitgenommen habe. Da werfe ihn das Telefonsystem womöglich raus.
Wie organisieren Sie das Büroleben?
Die Situation ist gerade recht entspannt. Gut die Hälfte des Teams arbeitet im Home-Office, die anderen verteilen sich großzügig auf die Büros in Nürnberg, München und Regensburg. Wir können uns ganz gut aus dem Weg gehen und halten körperliche Distanz.
Wie entscheiden Sie, wer ins Büro kommt?
Das hängt davon ab, wie die Mitarbeiter ins Büro kommen, ob zu Fuß, mit dem Rad, öffentlich – oder mit dem Auto. Manche haben Urlaub genommen, auch aus familiären Gründen. Sonst sind alle im Betrieb, und die brauchen wir auch im Moment, weil wir unsere Kunden unterstützen wollen.
Was brauchen die Kunden gerade?
Sie wollen im Home-Office arbeiten, und viele sind dafür noch nicht so gut gerüstet. Da helfen wir. Es geht vor allem um Lizenzen, für die Home-Lizenzen zur Verfügung gestellt werden, ohne Kosten und große Bürokratie.
Damit Mitarbeiter, die sonst im Büro sitzen …
… ihre ArchiCAD-Lösungen nutzen können. Dazu kommen BIM-Cloud-Services. Sie ermöglicht allen, die im Team arbeiten und nicht so gut auf die eigene Infrastruktur zugreifen können, das Arbeiten über die Cloud. Das ist natürlich eine Zukunftsperspektive, dass man sich diese Möglichkeiten nun gezwungenermaßen aneignet.
Was braucht es mindestens, damit ArchitektInnen zu Hause effektiv arbeiten?
Zunächst einen normalen Laptop und einen großen Monitor. Natürlich braucht man zugleich Zugriff auf die digitalen Werkzeuge, das ist schon eine Herausforderung. Nicht jeder kommt gleich an die E-Mails … und plötzlich stellen sich viele Fragen: Komme ich an eine Lizenz für zu Hause? Wo liegen die Projekte, die ich alleine bearbeite und wo die, die ich im Team bearbeite? Wie ist das organisiert? Viele haben diese Schritte schon gemacht, die anderen tun es eben jetzt gerade. Da sind wir gefordert zu helfen.
Sie sprachen gerade von Kulanz bei Lizenzen …
Wir bieten unseren Kunden ohne Prüfung eine 30-Tage-Lizenz für zu Hause an. Und für 60 Tage eine BIM-Cloud, damit man nicht zu zehnt über einen VPN-Tunnel auf den Büro-Server zugreifen muss.
Netflix reduziert seine Video-Übertragungsbandbreite, damit die Netze fürs Arbeiten freibleiben. Werden die Netze halten?
Das Nadelöhr ist oft die eigene Infrastruktur. Das Netz ist ganz gut, aber nicht flächendeckend. Es geht gar nicht um 5G, sondern um durchgehende Abdeckung, das ist ein Kriterium, um zu überleben. Wenn ich im Zug nach Regensburg oder nach Nürnberg sitze, bricht die Leitung regelmäßig zusammen. Das darf eigentlich nicht sein. Schließlich gibt es überall Büros, und es muss auch möglich sein, auf dem Bauernhof zu arbeiten.
Was braucht Präsenz vor Ort – und was geht heute digital?
Digital kann man fachliche Themen besprechen; mein Partner macht gerade eine kleine Telefonkonferenz für alle, die bei uns supported Schulung machen, da kann man effizient die Dinge besprechen. Wenn es aber um das Strategische geht oder fühlen fühlen muss, wie es den Leuten geht, bleibt das persönliche Gespräch unschlagbar. Wir schauen schon, dass wir das weiter pflegen.
Augenblicklich brauchen wir ja eher mehr Streicheleinheiten.
Eindeutig. Wir müssen mehr und regelmäßiger kommunizieren. Und das tun die Menschen auch. Das ist ein schöner Effekt, weil wir im normalen Betrieb ja eher beiläufig mitkriegen, was der andere macht und wie es ihr oder ihm gerade geht. Das fällt weg, wenn jeder isoliert in seiner Bude sitzt.
Was fällt besonders schwer?
Auf persönliche Kontakte weitgehend zu verzichten, fällt schwer. Home-Office hört sich immer so schön an, aber es ist nicht immer optimal. Wir haben Mitarbeiter, die beide zu Hause sind, aber nicht zwei Arbeitszimmer haben. Ein anderer kommt lieber für ein paar Stunden ins Büro und bearbeitet die Dinge dort wahnsinnig effizient. Da muss man flexibel sein. Wir probieren gerade viele Dinge aus, die wir in Zukunft nutzen.
Wo liegen die Grenzen bei der digitalen Flexibilität?
Wir haben gerade eine besondere Herausforderung. Zwei Mitarbeiter fangen neu an im April. Eine Einarbeitung via Home-Office ist … eher schwierig. Wir versuchen das zu lösen, aber Einarbeitung heißt eigentlich auch, dass man es gemeinsam macht.
Corona ändert die Art wie wir leben, arbeiten, miteinander umgehen. Wird es der endgültige Schub fürs digitale Büro?
Ich denke schon. Vielen wird dies jetzt schlagartig bewusst. Auf der einen Seite ist es ein Schub für die Digitalisierung und die damit verbundenen Werkzeuge, die uns Arbeit erleichtern, um künftig robuster in Ausnahmesituationen zu sein, auf der anderen Seite fördert es eine sehr achtsame Kommunikation untereinander. Wir kriegen sonst auch Lob, aber selten so viel wie heute. Die Leute freuen sich einfach, wenn wir ihnen weiterhelfen. Und sie sagen es auch.
In Zukunft werden wir wieder ein echtes Treffen zu schätzen wissen.
Sicher. Für ein Unternehmen wie das unsere ist bedeutet es einen echten Verzicht, Menschen nicht direkt zu treffen. Manche Kunden sind Jahrzehnte bei uns. Das wichtigste Gut dabei ist das Vertrauen. Das kann man am besten durch einen regelmäßigen, persönlichen Kontakt aufbauen. Und diesen Kontakt wollen wieder aufnehmen.
Martin Schnitzer
Stellvertretender Vorsitzender
Deutscher Werkbund Bayern
Geschäftsführer Schnitzer& GmbH
Alternativen zu Skype?
Clevere Lösungen für unterschiedliche Formate. Fünf Empfehlungen von Martin Schnitzer.
• BIM-Cloud: Lösung zum gemeinsamen Bearbeiten eines Architekturprojekts, synchron und weltweit. Gibt es inzwischen auch gehosted, macht also unabhängig von Bürobandbreiten.
• TeamViewer: Die Fernwartungssoftware für Screen-Sharing, Videokonferenzen, Dateitransfer und VPN simuliert schon mal die Büro-Zusammenarbeit.
• GoToMeeting: Die klassische Lösung für desktop sharing und Videokonferenzen sowie webinare.
• Starface: Wer ist da? Wer telefoniert gerade? Eine Art virtuelle Telefonzentrale, die standortunabhängig Erreichbarkeit im und um das Büro sichert.
• ProjectPro: Adressdatenbank statt Excel-Liste.