Eine völlig neue Qualität der Kommunikation

Die polis Convention findet am 13. und 14. August 2020 erstmals digital statt, mit virtuell begehbaren Messeständen. Ein Novum in Deutschland. Gespräch mit dem Verleger Johannes Busmann über digitale Begegnungen und die Stärke des Analogen.

Wie muss man sich eine virtuelle Messe vorstellen? Man loggt sich am eigenen Computer ein und schlendert durch eine nachgebaute Halle, von einem dreidimensionalen Stand zum nächsten?
Verkürzt gesagt ja. Wir machen uns zunutze, dass wir seit Jahren für nahezu alle Standpartner die Messestände gestalten. Dadurch war es uns nun möglich, die gesamte Halle für die Besucher der polisConvention digital erlebbar zu machen. Möglicherweise sind wir damit deutschlandweit die einzigen Veranstalter, die diesen  Weg gehen und neben der Informationsvermittlung ein digitales Erlebnis schaffen wollen.

Wird es reichen, die Messe als 3D-Modell erfahrbar zu machen?
Nein auf keinen Fall. Auch bei der digitalen polisConvention wird die Begegnung und Kommunikation zwischen Besuchern und Ausstellern im Mittelpunkt stehen.
Daher werden wir bildlich gesprochen zwei Plattformen miteinander verknüpfen, die begehbare 3D-Halle und die 2D-Kommunikation, auf der Kongress, Foren und Empfänge abrufbar sind und alle Teilnehmenden persönlich mit einander in Kontakt treten können.

Eine Messe nur online, ohne reale Begegnungen. Funktioniert das?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die digitale Kommunikation die persönliche Begegnung auf einer Messe nicht ersetzen kann.

Die digitale Begegnung ist etwas anderes und wird es auch bleiben. Aber wir stellen bei unserer Arbeit fest, welche neuen Perspektiven sich durch eine digitale Messe eröffnen.

Was genau kann eine digitale polis Convention besser?
Der Radius vergrößert sich und der Veranstaltungs-Ort spielt im digitalen Format keine Rolle. Ob aus Berlin, Hamburg oder München, ob aus Metropolen oder dem ländlichen Raum. Besucher und Aussteller haben über die digitale pC ganz neue Möglichkeiten, miteinander in Austausch zu treten und zu partizipieren. Zudem überlegen wir, ab 2021 den digitalen Raum wie eine Mediathek zeitlich dauerhafter zugänglich zu machen. Dadurch ergeben sich für die Aussteller zahlreiche Vorteile, weil Ihre Informationen medial vielfältiger und breiter verfügbar bleiben.

Ist das nun eine Notlösung? Oder gar das Modell für die Zukunft?
Natürlich war auch für uns die Krise der Auslöser und es wird in diesem Jahr der Ersatz für die analoge Begegnung sein. Aber mittlerweile sind die Qualitäten der digitalen Messe so eigenständig erkennbar, dass wir planen, die pC ab 2021 hybrid durchzuführen.

Also gibt es zukünftig zwei Messen, die je andere Konstellationen, Gespräche und Ergebnisse haben können?
Genau so. In der tiefen Krise dieses Jahres haben wir uns auf das Wagnis eingelassen, diesen neuen Weg mit Neugier, Respekt vor der Aufgabe und vielleicht auch Mut zum Risiko zu gehen. Nun hat sich das Digitale verselbstständigt und wir nehmen die digitale Messe längst nicht mehr als Ersatz war, sondern als völlig neue Qualität der Kommunikation. Das motiviert uns, im kommenden Jahr die beiden unterschiedlichen Qualitäten der Begegnung und Informationsvermittlung parallel zu realisieren und zu integrieren.

Wie haben sich Ihre Standpartner zu dieser grundlegenden Veränderung verhalten?
Es ist für uns eine der glücklichsten Erfahrungen gewesen, dass nahezu alle unserer Standpartner sich auf diesen Weg, der für uns alle neu ist, eingelassen haben. Dieses Vertrauen und der damit verbundene Zuspruch haben uns sehr motiviert. Natürlich ist es nun eine Herausforderung, die Schritte in die digitale Welt mit uns zu gehen. Wahrscheinlich befinden wir uns gegenwärtig alle in einem großen Lernszenario, von den technischen Voraussetzungen angefangen bishin zu den Möglichkeiten innovativer Vermittlungsformen.

Benötigen wir dann eigentlich noch eine Messe als Ort der physischen Begegnung?
Der Mittelpunkt zum Selbstverständnis der polis Convention bleibt die analoge Messe, der erlebbare Raum und die darin eingebundene persönliche Begegnung.

Vermutlich werden wir erst jetzt in dieser Krise begreifen, wie unendlich kostbar das sinnlich Erfahrbare ist, ein Handschlag, die Mimik und Gestik, die soziale Nähe, der Klang der Stimmen und die Atmosphäre von Räumen. Und darüber hinaus suchen wir doch auch das Zufällige, nicht Planbare, dem wir uns im Raum unausweichlich überlassen.

Sehen Sie darin auch eine grundsätzliche Frage?
Ich nehme das zunehmend so wahr. Im Digitalen selektieren wir, was uns interessiert und in den SocialMedia kommunizieren wir mit denen, die unserer Meinung sind. Algorithmen füttern uns mit vermeintlichen Präferenzen, die wir für Suchmaschinen hinterlassen. Wir beschäftigen uns mehr und mehr mit uns selbst. Auf einer physischen Messe dagegen weiß niemand, wer mit wem gerade zusammensteht und welche Begegnungen einen erwarten. Im Grunde ist der physische Raum ein Ort voller Überraschungen, voller unkontrollierter Prozesse und damit Inspirationen. Genau davon aber leben wir ja und das wird uns gerade erst bewusst. Diese Qualität wird man dem Räumlichen in den kommenden Jahren wieder mehr und mehr zuschreiben und entdecken, dass unsere Welt gar nicht so sehr von geplanten Prozessen lebt, sondern vom Ungeplanten und vom Zufall.

Das ist fast schon eine philosophische Diskussion …
Für mich hat Philosophie immer etwas Praktisches. Wir fahren ja nicht mehr in die Stadt, weil wir die Absicht haben, einen Anzug zu kaufen. Den könnten wir auch im Internet bestellen. Wir nehmen den Kauf zum Anlass, die Stadt zu erleben und sind glücklich, wenn etwas Unvorhersehbares passiert, dass uns überrascht oder beeindruckt, uns irritiert oder beseelt.

Ist die digitale polisConvention auch ein Geschäftsmodell, eine Blaupause für andere Messen?
Das kann ich Ihnen nicht wirklich beantworten. Mein Eindruck ist, dass die meisten Messen diese Dreidimensionalität so nicht werden leisten können. Neben klassischen CAD-Daten braucht es den Transport der 3D-Daten in eine 3D-Engine, die eigentlich in der Games-Welt gebräuchlich ist und überhaupt erst die Bewegung im digitalen Raum ermöglicht. Aber natürlich geht es auch ohne den dreidimensionalen 3D-Raum mit digitalen Kommunikationsplattformen, ohne die auch wir keine digitale polisConvention durchführen könnten. Die meisten Messen werden sich wohl auf diese kommunikative Plattform konzentrieren, um Kongresse einzustellen, Events live zu streamen, Marktplätze für Unternehmen anzubieten und die Kommunikation zwischen Ausstellern und Besuchern zu organisieren.

Eine Frage bleibt: Wie messen Sie den Erfolg der virtuellen Messe?
Wenn unsere Partner insgesamt ein positives Resümee ziehen; wenn die Neugier groß war, sich einzuloggen; wenn der Spaziergang durch die 3D-Halle Interesse an den Messeständen der Standpartner geweckt hat; wenn unter Besuchern und Austellern Kommunikation und Austausch stattgefunden hat und wenn die zwei Tage gut besucht waren.

polis-convention.com
Die Messe für Stadt- und Projektentwicklung
13. – 14. August 2020