DIE NEUE MÖBEL-KLASSE

Sie spielen sich die Bälle zu. Und suchen nicht nur Perfektion, sondern gehen auf dem Weg dorthin auch keinem Konflikt aus dem Weg. Seit 2011 zeigen Florian Kallus und Sebastian Schneider als Design-Duo kaschkasch, dass Gestaltung unser Leben bereichert. Ein Gespräch über Creva soft, das vielfach prämierte Sofasystem für Kusch+Co, Nachhaltigkeit beim Entwurf und die Bedeutung von Details.

Gratulation! Gleich zwei Designpreise für Creva soft abgeräumt.

Danke. Wir freuen uns natürlich immer über Auszeichnungen und hoffen, dass sie für mehr Aufmerksamkeit sorgen.

Was zeichnet den Entwurf aus?

Seine Vielseitigkeit. Er trägt eine aus dem Wohnbereich bekannte Ästhetik in den öffentlichen Raum. Dieses Möbel ist aus dem Tischprogramm Creva entstanden, an dem wir zuvor mit Kusch+Co gearbeitet haben. Während dieses Prozesses entstand gemeinsam die Idee, mit der gleichen Geisteshaltung ein Soft-Seating-Programm zu entwickeln: unkompliziert, variabel und vielseitig. Tische anstecken, ganze Landschaften daraus bauen – wir wollten so flexibel wie möglich sein und das sollte das Möbel ausstrahlen.

Also eine gewisse Leichtigkeit und Lässigkeit …

… mit in den Contract-Bereich nehmen. Und so ein neues Bild erzeugen. Kusch+Co war immer schon perfekt durchkonstruiert, klar und technisch präzise, wir fügen dem noch etwas hinzu. Creva besticht durch seine Vielseitigkeit und die Vorstellung, Elemente aus dem Wohnen in den Objektbereich zu holen. Wie am neuen Berliner Flughafen BER zu sehen, funktioniert das erstaunlich gut.

Hier wie dort zuhause

Entsteht hier eine neue Möbel-Klasse, ein Hybrid, der im öffentlichen Raum steht – aber durchaus auch zuhause seinen Platz hätte?

Das kann man durchaus sagen. Wir bewegen uns zwischen den Kategorien. Mit Corona ist diese Durchlässigkeit noch wichtiger geworden. Plötzlich arbeiten wir zu Hause. Ein Diskussionspunkt war daher: Wie komfortabel darf es werden? Im öffentlichen Raum wird eher straff gepolstert, daheim ist es gemütlicher. Und wir haben versucht, eine Verbindung beider Welten zu finden. So dass das Möbel stimmig wirkt, ohne nur einen Kompromiss darzustellen.

Wie funktioniert das konkret?

Wir haben das Konstruktive ein bisschen eleganter, schlanker gestaltet – ohne zu übertreiben. Das Möbel suggeriert etwas Wohnlicheres als das, was uns sonst etwa am Flughafen begegnet. Grundsätzlich gehen wir immer analytisch vor, besonders bei derartig umfangreichen Projekten. Wir recherchieren, diskutieren, finden erste Ansätze … Die Diskussion ist für uns als Duo essentiell, um verschiedene Blickwinkel einnehmen zu können und (hoffentlich … lacht) auch ein besseres Produkt zu entwickeln.

Wer von Euch übernimmt welche Rolle? Gibt es den Detailfetischisten und denjenigen für die große Linie? Den Akquisiteur und den Techniker? Oder wechselt das von Projekt zu Projekt?

Über die letzten fast zehn Jahre haben wir unsere Zusammenarbeit immer wieder optimiert und an unsere Interessen und Vorlieben angepasst, das ist ein fortwährender Prozess. Wenn es zum Entwurf kommt, sind wir beide gleichermaßen voll dabei und haben eine große Begeisterung fürs Detail. Grundsätzlich ist es beim Entwurfs- und Entwicklungsprozess oftmals so, dass ich (Florian) das große Bild im Blick zu halten versuche, während Sebastian die letzte Schraube und Radius definiert.

Design wird oft als „Kunst der Hülle“ missverstanden, dabei geht es um viel mehr: von den passenden Materialien und Fertigungstechniken bis zu ökonomischen und ökologischen Fragen. Warum gibt es dieses Missverständnis auch heute noch: Design als Styling?

Das hängt stark mit einem Begriff zusammen, den die Öffentlichkeit oftmals mit schillernden Persönlichkeiten verbindet. Für uns ist (Produkt)design ein gestaltendes Handwerk.

Ihr habt beide ein Handwerk gelernt und dann Design studiert. Macht diese solide Basis vieles einfacher?

Absolut – Ich würde sogar behaupten, dass wir ohne die Ausbildung zum Tischler den Job nicht ausüben könnten. Insbesondere, wenn es zu Möbeln kommt.

Wie arbeitet Ihr mit Unternehmen zusammen – gibt es einen „Fahrplan“, der sich bewährt hat?

Nein – das wäre auch langweilig. Wir haben so unterschiedliche Kunden und Projekte – alle sind individuell, wie wir Menschen nun mal sind. Mit Kusch+Co? war es spannend – eine sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Die Kunst, sich die Bälle zuzuspielen

Was passiert, wenn Ihr anderer Meinung seid als Eure Kunden?

Wenn jemand sagt, wir nehmen den Gleiter, weil wir ihn immer verwenden, ist das ein schwaches Argument. Da suchen wir immer den Austausch mit der Entwicklungsabteilung, den Ingenieuren, Polsterern, der Geschäftsführung, dem Marketing, Vertrieb und der Modellbauabteilung. Wir wollen verstehen, was das Produkt können muss und sehen das nicht als Machtkampf, sondern vielmehr als Basis für eine gute Zusammenarbeit. Wir spielen uns die Bälle zu. Wenn die Technik mit plausiblen Vorschlägen kommt, sind wir dankbar. Und solange einer von uns nicht zufrieden ist, müssen wir eben noch an Stellschrauben drehen. Oft entsteht aus den Ursprungsmodellen A und B etwas Drittes, das dann überzeugt: C. Aber natürlich gibt es immer wieder Diskussionen über Lösungsansätze wo wir auch durchaus Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Der Gleiter ist ein gutes Beispiel: Wenn Ingenieure und Vertrieb sagen, dieser Gleiter müsse es sein, aus Kostengründen, damit das Möbel verkaufbar bleibt oder wird?

Dann würden wir abwägen, was wir formal gewinnen oder verlieren. Wenn das ganze Projekt stark verliert und weniger wertig daherkommt, bringt auch der Preis nichts mehr. Dafür ist das Argument nicht stark genug. Ansonsten bleibt die Stellschraube Preis wichtig, sie hilft, nicht am Markt vorbei zu entwerfen. Gleiter oder Rollen sind dafür gute Beispiele. Viele glauben, dort sparen zu können, weil man es ohnehin nicht sieht, dabei machen Details die Qualität eines Produktes aus.

Habt Ihr schon Projekte beendet, obwohl Ihr viel Zeit darin investiert hattet?

Ja, das kam leider schon vor, aber eigentlich ging es immer mit einem schlechten Bauchgefühl von Anfang an einher.

Es geht aber nicht darum, sich durchzusetzen – oder?

Nein, darum geht es nicht. Es geht immer um die Sache, nicht um das Ego. Im besten Fall spart Design Zeit und Geld – und hilft der Umwelt. Grundsätzlich sind wir große Verfechter von: weniger dafür aber besser.

Heute können wir nicht mehr entwerfen, ohne nachhaltig zu sein. Und eigentlich sollten wir gar nicht mehr darüber reden müssen. Trotzdem: Wo sind konkrete Stellschrauben, die für die Ökobilanz wichtig sind?

Qualität ist eine sehr wichtige Stellschraube, die oft übersehen wird. Wenn ein Möbel über Generationen vererbt wird, ist das vermutlich nachhaltiger, als es immer wieder in seine Einzelteile zu zerlegen und zu recyceln. Wichtig ist, dass wir alle Aspekte miteinbeziehen.

Wird der öffentliche Raum wohnlicher?

Der öffentliche Raum wird definitiv wohnlicher, da Architekten und Innenarchitekten immer mehr Aspekte des Wohnens in den öffentlichen Raum übertragen. Das gilt für Materialien und Farben, aber auch für die Anordnung und Zonierung bei der Positionierung von Einrichtungsgegenständen wie Bänken, Stühlen, Tischen und mobilen Raumelementen. Dahinter steckt sicher auch der Wunsch, sich auch im Büro, in der Kantine, am Flughafen „wie zuhause zu fühlen“. Ein Trend der in der Hotel-Szene seinen Anfang genommen hat, überträgt sich nun auch mehr und mehr auf weitere öffentliche Bereiche.
Tommy Rube, Marketing Director / Brand Ambassador Kusch+Co

Was zeichnet das Projekt BER aus?

Die neuen Lounges „Tempelhof“ und „Tegel“ wurden termingerecht noch kurz vor der Eröffnung des neuen Berliner Flughafens komplett mit Kusch+Co Produkten eingerichtet. Unser breites Portfolio gab uns die Möglichkeit, alle geplanten Bereiche aus einer Hand zu bedienen. Zum Einsatz kam unter anderem das Programm Creva soft, Design by kaschkasch, mit besonderen eingehängten Tischplatten zwischen den Lounge-Möbeln, aber auch unser Klassiker, die Liege TV-relax von 1968 aus unserer Colani Collection. Allen Möbeln gemein sind die hohen Brandschutz-Anforderungen, die wir mit unserem Kusch+Co Brandschutzkonzept erfüllen konnten. Jetzt müssen nur noch die Passagiere wiederkommen …
Tommy Rube, Marketing Director / Brand Ambassador Kusch+Co