Kristallisationspunkt des Wandels

Vom Parkhaus zum Vorzeigeprojekt. Was macht der Gröninger Hof in Hamburg anders als vergleichbare Umbauten? Und wer steckt dahinter? Gespräch mit Philippa Dorow, Projektkoordinatorin, IBA Hamburg GmbH und Vorstand der Genossenschaft Gröninger Hof eG.

Philippa Dorow, Dipl.-Ing. Arch., M.Sc. Urban Management, Projektkoordinatorin, IBA Hamburg GmbH; Vorstand Genossenschaft Gröninger Hof eG i.Gr.

Wo steht der Gröninger Hof gerade?

Das Projekt entwickelt sich in einer höheren Geschwindigkeit, als man ihm unterstellt hat. Wir hätten nie gedacht, dass wir in vier Jahren an dieser Stelle sind. Seit August sind wir als ordentliche Genossenschaft eingetragen und können nun geschäftsfähig neben den großen Bestandsgenossenschaften auftreten. Das ist ein Meilenstein. Zudem nimmt die Veränderung der Hamburger Innenstadt immer mehr Fahrt auf. Der Gröninger Hof wird ein Kristallisationspunkt des Wandels.

©ELBE&FLUT/Thomas Hampel

Im Wettbewerb entschieden Sie sich für Duplex Architekten. Wie kam es dazu?

Wir luden ein Dutzend Büros im PechaKucha-Format ein: Zeigt drei Folien ganz schnell, ganz zackig. Jede Vorstellung dauerte mit Rückfragen nur zehn Minuten. Die gesamte Genossenschaft nahm daran teil und fragte etwa: Wo seht ihr die Schwierigkeiten? Was ist die Herausforderung? Wieso habt ihr Lust, für diese Genossenschaft zu bauen? Wir wählten daraufhin sechs Büros und luden sie zu einem Wettbewerbsverfahren ein, das von Franz-Josef Höing, dem Hamburger Oberbaudirektor begleitet wurde. Duplex fand eine fantastische Antwort: ruhig, nüchtern, schweizerisch-gediegen und resilient gegenüber dem Bestand.

Was verbindet die Mitgliederinnen und Mitglieder der Genossenschaft? Ist es Idealismus? Die wenigsten werden doch hier einziehen.

Genau. Wir sind mittlerweile fast 250 Genossenschaftsmitglieder und bauen 78 Wohneinheiten und einige Gewerbeeinheiten. Unsere Mitglieder verbindet ganz klar ein idealistischer Ansatz, ein tiefes Bewusstsein für zivilgesellschaftliches Engagement.

Klingt stark nach Hamburg, nach einer Tradition bürgerschaftlichen Engagements. Ein Parkhaus wird zu einem Ort der Begegnung. Warum klappt das in Hamburg. Hier in München ein ganzes Kaufhaus abgerissen, mitten in der Stadt. Was haben Sie anders gemacht?

Tatsächlich gibt es in Hamburg viele Initiativen, darunter die Initiative Altstadt für alle (www.altstadtfueralle.de). Diese ist wiederum eingebettet in die Patriotische Gesellschaft (www.patriotische-gesellschaft.de). Viele Bürger engagieren sich und wollen vielleicht auf ihre Stadt stolz sein. Das ist eine Strömung der konsolidierten Mitte mit durchaus konservativen Anteilen, aber auch ganz frei für die Stadt denkenden Ansätzen. Und die haben ganz früh gesagt, wenn das Parkhaus nicht mehr ausgelastet ist und noch dazu einer städtischen Gesellschaft gehört, müsse man Wohnen hineinbringen.

So einfach ging das …?

Nein, wir mussten Klinken putzen. Zum Glück haben wir richtig gute Leute, die ihren Sachverstand selbstlos einbringen. Dazu kam eine Tendenz der Stadtpolitik, neu über städtischen Grund nachzudenken. Wir müssen die Stadt weiterbauen. In Auseinandersetzung mit dem Kontext.

Das funktioniert wohl besser bottom up als top down.

In der Tat holen wir die Kraft zu einem neuen Quartier im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden. Viele lokale Player sind unglaublich engagiert und kennen die Strukturen. Dazu kam das Grundstück, das wir von der Stadt Hamburg erhalten. Ihre Auslobung hatte den Fokus nicht darauf, ein Höchstpreisgebot anzusetzen. Also sprechen wir von einem kooperativen Ansatz mit der Stadt.

Ein Glücksfall. Hier geht es also nicht mehr darum, ein Maximum an Profit für den Augenblick rauszuholen, sondern ein Maximum an langfristigem Profit für die Stadtgesellschaft. Der Gröninger Hof bleibt aber baulich eine Herausforderung.

Eine wirklich schwierige bauliche Situation: Die Baulücke ist an drei Seiten geschlossen – bei vorgegebener Traufhöhe. Das ist kein Museum auf dem Berg. Hier liegt die Herausforderung im Detail: Wie löst man die Erschließung? Wie die Frage nach Licht, wie die Balance aus Innenstadt und Lärm? Wie vernetzt sich die Stadt mit dem Quartier? Heutzutage gibt es leider viele geschlossene Erdgeschosszonen, als müsste man dem Hochwasser oder irgendwelchen Angriffen trotzen. Wir wollen das Parkhaus öffnen und die Durchlässigkeit der Erdgeschosszone unterstreichen, ohne dass wir das Obergeschoss durch Zäune abtrennen müssen.

© Duplex Architekten (Zürich / Düsseldorf / Hamburg)

Duplex Architekten …

… haben das wirklich gut gelöst. Sie holen Licht bis zum Erdgeschoss. Sie müssen sich vorstellen, man schiebt einen Schuhkarton in die Baulücke. Dieser ist dreigeteilt, hat zwei bauliche massive Teile und erhält in der Mitte einen großen Einschnitt. Dazu stocken wir in Holz auf. Das kann auch ein Stockwerk mehr sein, wenn wir merken, dass der Bestand zu viele Salze und Korrosion ertragen musste in den letzten Jahrzehnten.

Sie schaffen Raum in der Stadt, bieten flexible Angebote für eine neues Miteinander. Trifft es das?

Die Idee ist: Ich gebe von meiner Fläche ab, damit wir viele sein können. Wenn ich mich beschränke und bereit bin, auf das Gästezimmer oder das Arbeitszimmer in meiner Wohnung zu verzichten, und dafür Raum auf meinem Flur oder meinem Geschoss teile, habe ich im Zweifelsfall viel mehr davon. Das gilt auch für die Arbeit im Home-Office. Ich will vielleicht gar nicht immer alleine sitzen.

Wissen das diejenigen, die sich für eine Wohnung beworben haben?

Sie wissen von Anfang an, dass sie sich auf viel Gemeinschaft und bescheidene Wohnflächen einlassen. Es ist eine bewusste Entscheidung, um innerstädtisch wohnen zu können. Und ich denke, das ist toll. Das kann für den Charakter dieses Hauses etwas Positives bedeuten. Dem Viertel wird es einen neuen Impuls geben, dass die Menschen so offen sind. Dann ist es auch am Wochenende lebendig. Die Innenstadt pulsiert wieder.

Sie sind vorbildlich. Wird es nicht manchmal auch zu anstrengend? Geht es womöglich auch noch barrierefrei? Wann ist ein Projekt überfrachtet?

Die Gefahr besteht durchaus, dass wir zu viel Anspruch generieren. Wir versuchen die Balance. Jetzt ist es wichtig, dass wir genau hingucken. Denn der kalte Hauch der Realität heißt: Am Ende müssen wir es bezahlen können. Daher müssen wir klare Prioritäten setzen. Barrierefreiheit ist so eine Priorität. Das muss gar nicht immer barrierefrei mit drei Sternchen sein. Das kann auch teilweise barrierearm sein. Dann ist die Frage nach Licht und Lärm wichtig. Und am Ende auch eine Bezahlbarkeit. Das ist eine große Herausforderung.

©ELBE&FLUT/Thomas Hampel

Wann wird die erste Mieterin oder der erste Mieter einziehen?

Im Sommer 2025. Das ist unser Bestreben. Wir haben so viele tolle Leute, die sich engagieren und großzügig mit ihrer Zeit und ihren Talenten sind. Das muss gelingen.
Die Finanzierung sucht noch nach mutigen Pionieren, die das Projekt in der Planungsphase bis zum Bauantrag mit Eigenkapital unterstützen möchten, weil aus dem Vorentwurf am Ende ein realer Ort werden soll.

Genossenschaft Gröninger Hof eG
c/o Patriotische Gesellschaft v. 1765
Trostbrücke 4, 2.OG
20457 Hamburg

vorstand@groeninger-hof.de
groeninger-hof.de

Vorstand: Philippa Dorow, Dorothea Heintze
Aufsichtsrat: Tina Unruh (Vorsitzende), Johannes Jörn, Kai Ratschko
In Prüfung durch den Verband Norddeutscher Wohnungsbauunternehmen e.V. (VNW).