Die Teamplayer – AllesWirdGut

Die vier Wiener Archi­tekten von AllesWirdGut besitzen die seltene Gabe, das Spektakuläre ganz selbstverständlich erscheinen zu lassen. Damit stellen sie moderne Architektur auf eine neue Basis.

Nina Ruge ist schuld. Sie lieferte den schillernden Namen des Wiener Architekturbüros AllesWirdGut. Ruges Abmoderation der RTL-Nachrichten wurde bei Andreas Marth, Christian Waldner, Friedrich Passler und Herwig Spiegl zum geflügelten Wort. »Nach all den Horrorgeschichten hat sie uns diese schöne Nachricht geschickt«, erinnert sich Spiegl. Damals steckten sie in der Endphase eines ihrer ersten Projekte und neckten sich am Ende jeder Mail mit dem Spruch. Als sie bei der Abgabe des Wettbewerbs noch immer keinen Büronamen hatten, tauchte »AllesWirdGut« auf, ganz spontan. »Wir waren uns des Potentials nicht mal bewusst«, behauptet Spiegl. Heute kann man für diesen Marketing-Coup gratulieren.

So ist es eben bei AllesWirdGut, vieles klingt leicht und lässig, hat aber außerordentlichen Tiefgang. Ihre Architektur probt das Monumentale und weist doch alles Schwere von sich. Wie man mit einem UNESCO-Weltkulturerbe umgeht, dem Skulpturenpark und Festspielgelände im Römersteinbruch St. Margarethen, bewiesen sie im September 2005. Statt sich an der gewaltigen Kulisse abzuarbeiten, nahmen sie den Ort auf, seine Energie, und akzentuierten die Mega-Skulptur mit messerscharfen Schnitten aus Cortenstahl-Rampen und Stegen. Zuschauertribüne, Eingangsund Cateringbereich sowie Foyerpark wirken so, als stünden sie schon immer da. Ihre eigene Arbeit sahen sie ganz bescheiden als »als Fortführung der Bildhauerarbeit«.

AllesWirdGut betreiben dabei JiuJitsu. Sie wenden Dinge und machen sich die Dynamik des Ortes zunutze. »Indem sogenannte Probleme als Chance gelesen werden, entstehen neue, unerwartete Möglichkeiten«, formulieren sie ihre Bürophilosophie. »Das Ziel ist immer, über die gegebene Aufgabe hinaus zusätzliche Qualitäten zu finden und zu realisieren.« Wie in Krems, wo mit dem NHK (Niederösterreich Haus Krems) Österreichs größtes Büro-Passivhaus entstand. Statt das Projekt auf die grüne Wiese zu verlegen und dort frei von allen Einschränkungen zu verwirklichen, stellten sie sich den Herausforderungen des Ortes, den kleinteiligen Parzellen, den Gassen, Passagen und Innenhöfen und legten auf dem zersplitterten Grundstück eine kleine Stadt in der Stadt an. Das Haus schreibt sich in den Kontext ein und wird Krems.

»Das Ziel ist immer, über die gegebene Aufgabe hinaus zusätzliche Qualitäten zu finden und zu realisieren.«

Friedrich sei der Zielstrebige, Christian der Ernsthafte, Andi der Spitzbub und er der Rebell, lacht Spiegl, mit 38 Jahren Jüngster der vier. Projekte leitet immer nur ein Partner, am Anfang stehen gegenseitiger Austausch und viel Respekt vor der Meinung der anderen. »Skulpturale Fähigkeiten bringen wir alle mit«, erklärt Spiegl, der von spektakulären Bauten als Selbstzweck gar nichts hält. »Wir bilden ein Team, das stark aus dem Kontext arbeitet und Projekte sehr pragmatisch führt.« Dazu komme ein konzeptbezogener Kick, eine Geschichte. »Zu wissen, warum man etwas macht, ist besonders wichtig.«

Freundschaft? »Auf jeden Fall. Zum Glück verbringen wir nicht mehr ganz so viel Zeit im Büro wie früher, aber damals waren es die intensivsten Beziehungen, die ich hatte«, sagt Spiegl. »Das hat extrem zusammengeschweißt«. Geholfen haben dabei ein Faible für Mode und die Rocker von »Monster Magnet«, deren Song ist»Negasonic Teenage Warhead« Mitte der 1990er Jahre in jedem Club zu hören war.

In der zwölfjährigen Geschichte des Büros gab es nur eine längere Diskussion – ausgerechnet über die eigene Homepage, die für viele andere Büros inzwischen stilbildend wirkte: lässig und informativ, wie ein Fahrplan in ihr architektonisches Denken. Da seien die Meinungen stark auseinander gegangen, erinnert sich Spiegl. Alles andere war und ist »Nörgeln auf hohem Niveau«, es gehe um Kleinigkeiten, um Details. Jeder gebe mal nach, wichtig sei das »Topergebnis am Schluss«.

Das Spektakuläre braucht das Selbstverständliche. Wer glaubt, hier arbeiteten nur titanische Baumeister und Bildhauer, geht in die Irre. Die Wiener trotz einprägsamer, ja beeindruckender Bauten quer zur öffentlichen Meinung. Architektur lasse sich eben nicht auf »Formen erfinden und Farben definieren« reduzieren, behauptet Spiegl. »Räume zu definieren und Raumstimmungen zu erzeugen« komme der Aufgabe schon näher. Natürlich sind sich AllesWirdGut bewusst, welche Macht sie in Händen halten. Spektakuläre Fassaden wirken wie ein Katalysator, sie beschleunigen die Entscheidungsfindung und beeinflussen öffentliche Meinung, aber letztlich gehe es um andere Qualitäten. In zwölf Jahren hat das Quartett Marth, Waldner, Passler und Spiegl bewiesen, wie man eine Balance findet aus spektakulären Fassaden und selbstverständlichem Auftreten. »Ob das Gebäude rot, blau, grün aussieht oder in der Farbe des Gesteins erscheint, sollte seiner Qualität nicht viel anhaben können.« Wichtig sei nur eines: Es müsse funktionieren.

Acht Mitarbeiter, fünf Praktikanten und »vier Chefs«, das sind AllesWirdGut. Sie wollen nichts weniger als »die Welt verbessern«. Bei den Wienern wird Architektur zur sozialen Dienstleistung. Sie legen die Basis für das tägliche Miteinander. Der Stadtplaner als sozialer Bauarbeiter, dieser Gedanke ist AllesWirdGut nicht fremd. Trotzdem klingt Spiegl unzufrieden. Demnächst, erklärt er, werden sie wieder mehr Schärfe in die Projekte einbringen, wieder stärker den eigenen Idealen verpflichtet sein und weniger strategisch denken. Da trifft es sich gut, dass der charmante Büroname bleibt. Das habe pragmatische Gründe, erklärt Spiegl. Das Wiener Gemüt sei insgesamt etwas grantig, besonders am Telefon, aber wenn sie sich mit »AllesWirdGut« meldeten, steige die Laune sofort.

10 Fragen an Christian Waldner, Herwig Spiegl, Friedrich Passler, Andreas Marth:

1. Wann haben Sie Ihr Büro gegründet und was war die größte Herausforderung dabei?

Bürogründung 1999. Größte Herausforderung war, eine funktionierende Bürostruktur aufzubauen, in der einigermaßen normale Arbeitsbedingungen herrschten und man trotzdem beruflich erfolgreich sein konnte.

2. Welche Vorbilder hatten/haben Sie?

Während des Studiums fielen uns junge Holländer wie MVRDV und NL Architects auf, die erfolgreich waren und erfrischende Architektur boten. Das hat uns Mut gegeben, es selbst auch zu probieren.

3. Was ist die Kernphilosophie Ihres Büros?

Veränderungen zulassen. Neues ausprobieren. Dabei aber nicht vergessen, unsere Verantwortung gegenüber Bauherren, Gesellschaft und Umwelt zu wahren.

4. Was wollen Sie anders machen als die anderen?

In Österreich gab es zu unserer Gründungszeit die alte Garde, die baute, und die junge Generation, die nicht baute. Wir wollten jung sein und bauen!

5. Welche Anerkennung hat Sie gefreut – warum?

Unsere Ladung zur »Biennale di Venezia 2004«, durch die damalige Kuratorin Marta Schreieck. Das war so ein Gefühl, etwas geschafft zu haben,

wo man immer hin wollte. In dem Moment fast wie ein Olympiasieg. Im Nachhinein relativiert sich alles und man sucht immer nach neuen Herausforderungen und Zielen.

6. Was tun Sie in Sachen Eigen-PR?

Grundstein der Eigen-PR war eigentlich schon unser Büroname, der nach wie vor einfach zieht. Enorm wichtig ist unser Webauftritt, der vor nunmehr vielen Jahren eine richtungsweisende viel kopierte Präsenz war. Neu dazu gekommen ist unsere Facebook-Seite. Das »AllesWirdGut-Buch 01 und 02« ist eine schöne Sammlung geworden, auf die man stolz sein kann und sicherlich weitergeführt wird. Zahlreiche Publikationen, Vorträge und Ausstellungen vervollständigen unsere Präsenz im Architekturgeschehen.

7. Warum lohnt es sich, trotz immer schmaler werdender Budgets im Bereich Bauen tätig zu sein?

Wir hatten mit dem uns zur Verfügung gestellten Baubudgets eigentlich nie Probleme. Natürlich kann mit schmalen Budgets nicht jedes Projekt hochwertigst ausgeführt sein. Uns interessiert aber neben der Ausführung vor allem auch das Erarbeiten von interessanten Konzepten, ungewöhnlichen Ansätzen und Hervorbringen von speziellen Qualitäten aus der konkreten Bauaufgabe heraus. Solche unerwartete Lösungen sind meist unabhängig vom Budget und oft das eigentliche »Highlight« unserer Projekte.

8. Was sind Ihre drei wichtigsten Bauten?

Aktuell das ZIV (Zivilschutzzentrum Innichen), ROM (Römersteinbruch St. Margarthen), NHK (Niederösterreich Haus Krems)

9. Wie sieht Ihr Traumauftrag aus?

Ein großes Projekt in Innenstadtlage mit spannendem Nutzungsmix aus Wohnen, Büro, Entertainment, Gastronomie, Shopping und Freiräumen. Die »5 Höfe« in München zum Beispiel!

10. Wie würden Sie durch Ihre Arbeit das Umfeld in Städten verbessern wollen?

Allgemein träume ich besonders für unsere Kinder von Städten, in denen das Auto optimal ersetzt worden ist. Ich glaube, das wird unsere Städte die nächsten 50 Jahre am nachhaltigsten verändern. Ich hoffe, da gelingt ein großer Wurf! Wie der aussieht, habe ich aber leider keine Ahnung, da sollte aber viel mehr interdisziplinärer Hirnschmalz reinfließen.

Von Oliver Herwig

AllesWirdGut Architektur ZT GmbH
Josefstädter Straße 74/B
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+43 196 10 43 70
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Abbildung:
Festspielgelände im Römersteinbruch St. Margarethen, 2008