Die Konstrukteure – LAVA Europe

Inspiriert von Natur und Technik findet das Architekturbüro Lava einfache Lösungen für komplizierte Vorgänge.

Das Beste aus Natur und Technik zu ver­einen, zieht sich als roter Faden durch die Arbeiten des Büros. Aus allen Richtungen gehen Passanten über den Platz, manche eiligen Schrittes, andere schlendern. Grüppchen setzen sich auf Treppenstufen. Rund um ein Geländer feilen Skater an ihren Tricks. Ein gewohntes Bild auf europäischen Plätzen. Aber in der Wüste, bei 55 Grad Celsius Außentemperatur und praller Sonne?

Es ist ein ehrgeiziges Projekt, das sich Abu Dhabi, eines der Vereinigten Arabischen Emirate, mit der Wüstenstadt Masdar City vorgenommen hat. Die von Norman Fosters Architekturbüro geplante Siedlung könnte die erste emissionsfreie Stadt der Welt werden. Die Sonne wird die nötige Energie liefern und auf den engen Straßen der auf kompaktem, rechteckigem Grundriss errichteten City dürfen keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor fahren. Als Mittelpunkt von Masdar City war ein Kongresszentrum vorgesehen, für welches ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde. Doch dem Architekturbüro LAVA gelang es, mit einem etwas anderen Entwurf den Wettbewerb zu gewinnen. »Das Zentrum einer Stadt muss ein öffentlicher Ort sein«, erläutert Tobias Wallisser von LAVA. Es fanden sich genug Argumente, um in der Stadtmitte nicht das Kongresszentrum, sondern einen öffentlichen Platz zu planen. Doch Plätze befinden sich traditionell unter freiem Himmel, angesichts der Wüstenhitze ist das aber undenkbar. Eine Überdachung war unumgänglich. Das LAVA-Team fand eine Lösung, die wie die Säulenhallen der griechischen Antike, Schutz vor Sonne und Hitze bietet, gleichzeitig aber das Gefühl vermittelt, sich im Freien zu befinden. Trichterförmige Schirme sollen dem Masdar City Square Schatten spenden und gleichzeitig an ihrer Oberseite Sonnenenergie sammeln, um den darunterliegenden Platz zu kühlen. Nachts öffnen sich die Schirme, lassen die warme Luft des Tages entweichen und geben den Blick auf den Sternenhimmel frei. Ein filmreifes Szenario.

Der Name LAVA – eine Abkürzung für Laboratory for Visionary Architecture – ist Programm. Das Büro steht für eine Architektur, die mit einfachen Mitteln viel erreicht. Um effektive Lösungen zu finden, verfolgen die Architekten einen bionischen Ansatz. Sie lassen sich von der Natur inspirieren und versuchen, Strategien, die sich im Laufe der Evolution als erfolgreich erwiesen haben, auf technische Probleme zu übertragen. Durch einen engen Kontakt zum Fraunhofer-Institut können sie außerdem neueste technische Entwicklungen in ihre Projekte einfließen lassen. Die Zielsetzung umfasst dabei neben einem durchdachten, auf die Bedürfnisse der Nutzer zugeschnittenen Gebäude immer auch die Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit. »Die Vorstellung, dass Nachhaltigkeit teuer ist, ist falsch«, erklärt Alexander Rieck, einer der drei Partner. Ganz im Gegenteil lasse sich schon durch einfache Maßnahmen langfristig Geld einsparen. Das Thema Nachhaltigkeit war den drei Partnern schon im Gründungsjahr wichtig.

Chris Bosse, Tobias Wallisser und Alexander Rieck gründeten LAVA im Jahr 2007. Alle drei hatten schon zuvor an hochrangigen Projekten gearbeitet. So entwarf Chris Bosse bei PTW Architects den sogenannten »Water Cube«, das Schwimmstadion der olympischen Sommerspiele von Peking, das als kleiner Bruder neben Herzog & de Meurons »Vogelnest« steht. Tobias Wallisser war in Ben van Berkels Architekturbüro UNStudio für den Entwurf des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart verantwortlich und Alexander Rieck leitete für das Fraunhofer-Institut mehrere Projekte des Forschungsprogramms Office 21, das sich mit dem Wandel und der Optimierung von Büroarbeitsprozessen beschäftigt. LAVA ist heute von Büros in Stuttgart und Sydney aus an Projekten in der ganzen Welt tätig.

»Das Beste aus Natur und Technik zu vereinen, zieht sich als roter Faden durch die Arbeiten des Büros.«

Dabei das Beste aus Natur und Technik zu vereinen, zieht sich als roter Faden durch die Arbeiten des Büros. Beliebt ist zum Beispiel die Verwendung von Membranen als Baumaterial. Dadurch ergeben sich nicht nur konstruktive Vorteile, die Membranen verleihen den Gebäuden mit ihrer leichten Materialität auch eine ganz eigene Ästhetik. Wie das konkret aussehen kann, erläutert Chris Bosse anhand des »Broadway Towers« der University of Technology, Sydney – kurz UTS-Tower. Dieses 1979 fertiggestellte Gebäude werde den heutigen Standards in Energieeffizienz und Benutzungskomfort nicht mehr gerecht, es sei »ein verschlossener Kasten mit Klimaanlage«, der nicht viel Licht oder Luft hereinlasse. Auch für das Stadtbild sei es keine Zierde, bei Sydneys Bevölkerung gelte es als hässlichstes Gebäude. Anstatt den UTS-Tower abzureißen, schlagen die LAVA-Architekten ein Re-Skinning vor. Das gesamte Gebäude soll mit einer Membran verkleidet werden, die über ein an der Fassade angebrachtes Metallgerüst gespannt werden soll. Diese Membran würde es erlauben, das Gebäude mit Tageslicht zu versorgen, ohne dass Mitarbeiter in den Büros geblendet werden oder sich die Räume zu stark aufheizen. Die verspiegelten Fenster könnten durch klare ersetzt werden, und indem man eine natürliche Belüftung ermöglicht, ist die Klimaanlage verzichtbar. Gleichzeitig sammelt die Membran Regenwasser und könnte mit integrierten Solarzellen Elektrizität erzeugen. Auch äußerlich würde das Re-Skinning den UTS-Tower verändern. Seine schwere Anmutung, die durch die Betonung der Horizontalen und die Verwendung von rohem Beton entsteht, würde einer optischen Leichtigkeit durch die halbtransparente Membran weichen.

Mit diesen durchdachten, nachhaltigen und optisch ansprechenden Gebäuden möchte LAVA einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Architektur ist für die drei Gründer nicht, den größtmöglichen Ertrag aus einer Fläche zu holen, sondern den Benutzer in den Mittelpunkt stellen. Ihr Credo: »Indem wir innovative technische Lösungen in starke Raumstrukturen integrieren, erzeugen wir neue Aufenthalts- und Erlebnisqualitäten für den Menschen.«

10 Fragen an Tobias Wallisser, Alexander Rieck, Chris Bosse:

1. Wann haben Sie Ihr Büro gegründet und was war die größte Herausforderung dabei?

Wir haben unser Büro 2007 mit einem Megaprojekt gegründet. Eine Herausforderung war es, gleichzeitig an zwei Standorten ein Büro aufzubauen und parallel an einem dritten Standort – in einem dritten Kontinent – bereits Unterlagen für ein Projekt im Eiltempo zu liefern. Das Projekt war ein mit Solarenergie betriebenes Skiressort auf dem Jebel-Hafeet-Bergmassiv in Abu Dhabi.

2. Welche Vorbilder hatten/haben Sie?

Die Natur ist unser größtes Vorbild für Einfallsreichtum, Schönheit und Vielfalt, Komplexität, aber einfachen Regeln. Was Architektur angeht, fasziniert uns das Zusammenspiel von besonderer Ästhetik und Technologie, wie es zum Beispiel bei Leonardo da Vinci oder Frei Otto zu sehen ist.

3. Was ist die Kernphilosophie Ihres Büros?

LAVA entwickelt die Architektur für die Gesellschaft von morgen. In enger Abstimmung mit der Forschung arbeiten wir an der räumlichen Umsetzung von Trends und Technologien der Zukunft und versuchen, diese Erkenntnisse für die Architektur zu nutzen. Dies gilt dabei sowohl für die Anforderungen und Integration künftiger Nutzungsprozesse als auch für die Bautechnologien und die Planung, wie der Einsatz parametrisch basierter Planungssysteme und computerbasierter Entwurfstechniken. Die Frage ist nicht mehr, wie etwas funktioniert, sondern wie wir mehr mit weniger erreichen, also Ressourcenoptimierung, Nutzerkomfort und räumliche Qualität vereinen können.

4. Was wollen Sie anders machen als die anderen?

Bei unserer Arbeit schauen wir wenig nach dem, was andere machen. Wir haben gelernt, uns zunächst auf unsere eigenen Stärken zu konzentrieren und dann nach dem zu sehen, was andere machen. LAVA ist ein Thinktank internationaler Kollaborationen, mit Spezialisten aus Design, Technologie und Naturwissenschaften. Wichtig ist uns, aus unseren – mitunter durchaus unterschiedlichen – Erfahrungen und Interessen überraschende, aber auch überzeugende Lösungsansätze zu bieten. Anstelle von Rezepten geht es uns um projektbezogene Forschung.

5. Welche Anerkennung hat Sie gefreut – warum?

Uns freut jede Form der Anerkennung. Ein aufrichtiges Lob von einem Unbekannten ist besser als ein »politisch« motivierter Preis.

6. Was tun Sie in Sachen Eigen-PR?

Möglichst authentisch sein. Nicht alles nach außen tragen – und trotzdem im Gespräch bleiben.

7. Warum lohnt es sich, trotz immer schmaler werdender Budgets im Bereich Bauen tätig zu sein?

Global gesehen stehen wir vor dem größten Bauvolumen seit Menschengedenken. Innerhalb der kommenden 20 Jahre brauchen zwei Milliarden Menschen ein Dach über dem Kopf, vor allem in Städten. Und selbst in Europa, wo unsere Städte größtenteils schon gebaut sind, werden viele notwendige Umbauarbeiten notwendig werden, um die Ressourcen-Einsparungsziele zu erreichen. Bauen ist eine Grundaufgabe. Einen Beitrag leisten zu können, die Möglichkeiten weiterzuentwickeln, ist ein großer Antrieb.

8. Was sind Ihre drei wichtigsten Bauten?

Sowohl Chris als auch Tobias haben bereits vor der Bürogründung an weltweit bekannten Gebäuden gearbeitet und erlebt, was die Fertigstellung eines Projekts, an dem man fünf Jahre arbeitet, heißt. Das war eine wichtige Erfahrung, die aber den Bezug auf einzelne Bauten relativiert. Für uns als Team war als Gruppenbildung unser erstes Projekt wichtig, das aber nicht gebaut wurde. Für die Entwicklung der Umsetzung eines Zukunftsszenarios war das »Future Hotel« der Prototyp. Und auf städtebaulichem Maßstab wird unser Projekt für das Stadtzentrum von Masdar City, der ersten CO2-freien Stadt, geplant von Foster für Abu Dhabi, ein Durchbruch für uns werden. Derzeit arbeiten wir an einem Masterplan für eine Universität in Saudi Arabien, ein Projekt, das sicher auch wichtig werden wird …

9. Wie sieht Ihr Traumauftrag aus?

Das Schöne ist, dass wir bereits jetzt täglich an unseren Traumprojekten arbeiten können. Unterschiedliche Maßstäbe, Bauaufgaben und kultureller Kontext machen jedes Projekt einzigartig. Wenn wir es schaffen, ein Projekt so zu bearbeiten, dass wir neues Wissen generieren und einen Beitrag für die Entwicklung der Architektur leisten können, dann können wir das als Traumprojekt bezeichnen.

10. Wie würden Sie durch Ihre Arbeit das Umfeld in Städten verbessern wollen?

Die Städte der Zukunft werden sich fundamental von den heutigen unterscheiden. Wir erstellen dazu gerade verschiedene Studien in Zusammenarbeit mit Forschern. Die Integration von Kommunikationstechnologie wird räumliche und zeitliche Muster in den Städten verändern. Es bieten sich neue Chancen für die Entwicklung gemeinschaftlich genutzter Räume. Derzeit arbeiten wir an konkreten Planungen in Arabien und China, bei denen diese Ideen getestet werden.

Von Felix Feldhofer

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Abbildung:
Masdar City Square Masdar, Abu Dhabi 2016