Designen mit Bestand
Als Philips ging, kam Eek um die Ecke
Aus dem KAP Magazin #7

Er ist der Herr der vergessenen Materialien: Piet Hein Eeks Möbel stammen aus altem Verbundmaterial. Vor zwei Jahren entdeckte der holländische Designer ein ganzes Gelän­de zum Recyclen.

Es duftet nach frisch gesägtem Holz, Musik spielt, eine Kreissäge vibriert – kaum hat man die alten Fabrikhallen aus Backstein betreten, eröffnet sich die Welt des Piet Hein Eek. Helle, deckenhohe Räume, in denen seine kräftigen, klaren Möbel Akzen­te setzen. Der Designer, der in Eindhoven studierte, ist mit seinen Stühlen, Tischen und Schränken, die mit ihren patchwork­artig zusammengesetzten Oberflächen an Schwemmholz erinnern, international gefragt. Wertlose Materialien? »Nicht für mich«, sagt der Gestalter, »ich mag Low­ Tech-­Werkstoffe und lasse mich bei meinen Entwürfen hundertprozentig vom Material bestimmen.«

»Designer haben mittlerweile Popstar­ Status und kultivieren ihn. Für unsere Kreativität ist das nicht gut. Popstars kom­men und gehen«

Schon früh wurde er von der New York Times mit seinem eigensinnigen Ansatz als einer der Stardesigner Hollands vorge­stellt. Eek ist auf dem Teppich geblieben. »Designer haben mittlerweile Popstar­ Status und kultivieren ihn. Für unsere Kreativität ist das nicht gut. Popstars kom­men und gehen«, ist er überzeugt. Er setzt auf Kontinuität, Nachhaltigkeit und solides Handwerk. In seiner Manufaktur sitzen die Mitarbeiter erst gemeinsam zur Mittags­pause am großen Tisch, kurz danach klingt die Band »Men at Work« aus den Lautsprechern und die jungen Schreiner bauen an den Werkbänken akribisch Eeks Entwürfe nach. »Wir produzieren fast 100 Prozent meines Designs selbst«, sagt Piet Hein Eek. Zu seiner Kollektion gehören heute Lampen, Stühle, Schränke und So­fas, Kindermöbel und freie künstlerische Arbeiten. Wie sie hergestellt werden, kann jeder Besucher sehen – alle Arbeitsberei­che sind durch lichtes Glas getrennt.

Transparenz war für Piet Hein Eek auch in seinem ersten Produktionsort wichtig, in Geldrop, einem Vorort von Eindhoven. Im Jahr 2010 kaufte er dann die alten Produktions­hallen des Elektronikunternehmens Philips auf und verlegte Gestaltung, Fertigung und Ausstellung in das einstige Industriegelände. Ein waghalsiges Unternehmen, gesteht er in seinem Büro, in dem er von seinen Mitar­beitern nur durch ein hohes Regal getrennt ist. Der Schreibtisch ist klein, das Reißbrett groß, Papierstapel, Stifte, Erinnerungen und altes Kinderspielzeug zeugen von der Lust an neuen Ideen und Entwürfen.

»Ich will keine Unikate herstellen, denn davon kauft man eines und es ist entsprechend teuer. Sondern authen­tische Möbel, die seriell gefertigt werden.«

Unterstützung aus Brüssel erhielt der Designer für seine mutige Idee, sich im Lehmann­ Krisenjahr neu aufzustellen, jedoch nicht. »In Brüssel gibt es zwar entsprechende Fonds, aber sie haben das Konzept nicht verstan­den«, erklärt er. Dabei ist es so erfolgreich wie simpel: Einen Ort zu schaffen, der Ateliers, Fertigungshalle, Showroom, Galerie, Restaurant und Veranstaltungen verbindet. Eine gläserne Werkstatt und Produktion, in denen er seine einfache, aber preisgekrönte Möbelidee umsetzt. »Ich will keine Unikate herstellen, denn davon kauft man eines und es ist entsprechend teuer. Sondern authen­tische Möbel, die seriell gefertigt werden.« Seine Entwürfe werden von einem erfahrenen Team aus 90 Schreinern und Mitarbeitern um­ gesetzt, produziert, versendet und verkauft. Kein Stück gleicht dem anderen: hier ist das Holz dunkler, dort hat es mehr Patina. Und die Kunden verlassen mit dem Hochgefühl, ein echtes Piet-­Hein­-Eek­-Original gekauft zu haben, stolz die Hallen.

Interessierte reisen inzwischen aus der ganzen Welt an, um das neue Leben in den ehemaligen Keramikwerken von Philips zu erleben. Sie füllen auch das neue Restau­rant auf dem Gelände, das mit seiner Spei­sekarte – Ziegenkäse aus den Niederlanden, Burger mit selbst gemachtem Landbrot – ge­nauso ehrlich daherkommt. Serviert wird auf Blümchen-Porzellan, das von Omis Esstisch oder dem Trödel stammen könnte.

Um das neue Areal ans Laufen zu bringen, trug Piet Hein Eek das persönliche Risiko. »Wir verdienten unser Geld mit der Kollektion und subventionierten die neue Idee«, erzählt er. Inzwischen hat sich auch der Standort Eindhoven gemausert. »Es ist die Produktions­region in Holland«, erzählt er. Auch ein Grund, warum immer mehr Designer von Rotterdam aus in das rund dreimal kleinere Städtchen mit seiner berühmten Design­Akademie ziehen. »Eindhoven ist das frisch gebackene Silicon Valley der Niederlande«, lacht Eek und spielt damit auf den neuen Campus an, der ebenfalls auf dem Philips­-Gelände entstand. Hier residiert inzwischen das nati­onale Forschungs-­ und Entwicklungscluster der Niederlande mit rund 100 Einrichtungen. 8.000 Menschen arbeiten an künftigen Anwendungen, die von der Medizintechnik über IT­Sicherheit bis hin zu Energiemanage­mentsystemen reichen.

Die ganze Welt – quasi fassbar um die Ecke. Das Gelände inspiriert. Auch Piet Hein Eek. Und er bleibt auch hier seiner zweiten, ganz privaten Erfolgsstrategie treu, wie er es schon nach dem Studium tat. »Die erste Maßnahme war, dass ich mir eine Umge­bung gestaltete, in der ich mich richtig wohl fühlte. Denn für mich stand fest: nur in einer Umgebung, in der ich mich gut fühle, kann ich auch richtig spannende Sachen entwerfen.«

www.pietheineek.nl

von Inken Herzig