Design-Ikonen aus der
Sommerfrische
Kusch+Co

Im Sauerland entstehen Möbel für die Drehachsen der Welt. Das Unternehmen Kusch+Co produziert für die internationalen Airports und Offices — von Dublin bis New York.

von Inken Herzig

Immer tiefer verlieren sich die Landstraßen in dichte Wälder. Fingerhut und Spitzwegerich strecken sich aus den Wiesen, Dörfer mit Fachwerkhäusern, Wanderwege und Skipisten lösen sich ab. Seit dem 19. Jahrhundert steht das Hochsauerland für soliden Tourismus – zugleich gilt es als Region, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Doch was wäre der Flughafen Paris- Charles-de-Gaulles ohne die westfälische Mittelgebirgsregion? Ebenso der Flughafen Kapstadt, der Vienna International Airport, Stockholm Arlanda oder die Flughäfen von Düsseldorf und Liverpool?

Sie alle verbindet ein Unternehmen, das für Design »made im Sauerland « steht: Kusch+Co. Das Unternehmen – oder man könnte auch sagen die Manufaktur – produziert Objektmöbel in einem Landstrich, der zwar nicht als Wegmarke auf der Weltkarte erscheint, sich jedoch mit seiner Leidenschaft für Gestaltung direkt ins Herz des Weltmarkts hineinkatapultiert. Seine Klassiker kennt man, auch wenn man das Unternehmen nicht kennt. Zum Beispiel die Wartebänke »Terminal« des dänischen Designers Prof. Jorgen Kastholm. Mit bequem ausgeformten Sitzen, die an die Bauhaus-Ära erinnern, haben sie unzähligen Fluggästen einen verlässlichen Platz angeboten. Ein Möbel, das in über 200 Flughäfen der Welt zu Hause ist.

Sleepless in Hallenberg: Nähert man sich dem Stammwerk, hämmert und sägt, vibriert und kreist es. Die Produktion des 1939 gegründeten Unternehmens läuft 75 Jahre später auf Hochtouren. Rund 330 Mitarbeiter stellen Tische und Sitzmöbel für Objekteinrichtungen her. Und doch duftet es nicht anders als einst: nach würzigem, sauberem Holz aus den umliegenden Forsten. Fast ein Drittel der Kusch+Co Produktion widmet sich Möbeln aus dem nachwachsenden Rohstoff. »Made in Germany« bedeutet bei Kusch+Co: Vom Baumstamm bis zum fertigen Produkt wird nahezu alles in Hallenberg hergestellt. »Qualität ist durch nichts zu ersetzen«, war schon Leitsatz des Firmengründers und »Selfmademan« Ernst Kusch, der sein Werk in einer großen Lagerhalle in Hallenberg startete. Fährt man heute durch die 4500 Einwohner große Gemeinde, in der das Vereinsleben aktiv und die Verbindlichkeit füreinander hoch sind, gehört das Unternehmen längst nicht mehr zu den Hidden Champions.

In dritter Generation geleitet, zählt es zu den Top-Firmen der deutschen Familienunternehmen und wird geschäftsführend von Ricarda und ihrem Vater Dieter Kusch geführt. Vor rund zehn Jahren kehrte die Betriebswirtin und Innenarchitektin nach ihrer Ausbildung in Großbritannien wieder in die Heimat zurück, um die Traditionen des Unternehmens mit zu gestalten. »Ich habe nach acht Jahren im multikulturell geprägten Großbritannien sehr stark hinterfragt, wie ›deutsch‹ wir als Unternehmen in Zukunft auftreten wollen, vor allem in Bezug auf die Marke,« erzählt Ricarda Kusch. »Mit Hilfe eines Grafik Designers aus London, Damian Schober, haben wir den Kusch+Co Auftritt internationaler und auch ein bisschen ›sexier‹ weiterentwickelt.«

In diesem Zug kam es später auch zur Allianz mit zwei jungen skandinavischen Designern, die für Kusch+Co das preisgekrönte Programm Njord entwarfen. Mit viereinhalb Kilogramm ist er leicht wie ein Stuhl und mutet optisch wie ein Sessel an, gewann 2012 neben drei weiteren Designpreisen den Red Dot Award für gute Gestaltung und verknüpft nordische Gestaltungstradition mit deutschem Handwerk. Seine Entwerfer, die in Kopenhagen arbeitenden Designer Antonio Scaffidi und Mads K. Johansen, waren begeistert, als sie zum ersten Mal nach Hallenberg kamen und die unzähligen, sauber geschichteten Holzbohlen sahen, die zum Trocknen gelagert wurden: »Sie schienen nur darauf zu warten, handwerklich in ein Möbelstück umgesetzt zu werden«, erzählt Antonio Scaffidi. »Wir wussten gleich, dass wir uns damit beschäftigen werden. Und natürlich waren wir beeindruckt von den Produktionsstätten – die sind imposant!« Das Unternehmen, das aktuell 14 Ausbildungsberufe anbietet, setzt mit eigener Holz- und Metallverarbeitung, Pulverbeschichtung- und Verchromungsanlage auf Eigenständigkeit. Über 150 Handwerker arbeiten bei Kusch+Co und sorgen mit dafür, dass das Sauerland, die drittgrößte Industrieregion Deutschlands, internationale Wertschätzung und zahlreiche Preise erhält. Die Produkte präsentieren sich in der modernen Ausstellungshalle des Unternehmens, die von innen als schwebende Gangway durch die Kojen mit den Klassikern und Evergreens der Kusch+Co Historie führt. Im Infocenter, welches der BDIA für die Innenarchitektur auszeichnete, steht eine museumsreife Sammlung von Stühlen.

Übrigens sieht man hier auch die ersten »Colanis«. Prof. Luigi Colani, der in den 1970er und 1980er Jahren mit seinen biomorphen Formen Erfolge feierte, arbeitete 1968 bei Kusch+Co. »Er holte wie jeder andere hier seine Lohntüte ab«, erzählt Tommy Rube, Prokurist und Ressortleiter Marketing des Unternehmens, und erinnert an den Designer, der frischen Wind nach Studien der Aerodynamik aus Paris nach Hallenberg brachte und für die Kollektion Möbel entwarf, die sich heute noch zeitlose Klassiker nennen dürfen. Auch die jüngsten Innovationen finden sich hier: vom edlen Loungemöbel bis zu formschönen Antworten auf die wachsenden Bedürfnisse einer »Silversurfer-Gesellschaft «. Möbel, die dem Wunsch nach dem Hotelgefühl in Pflegezentren und Kliniken entgegen kommen. Der Kundenstamm für diese hochspeziellen Möbel wächst. Nicht zuletzt liegt hier auch eine Qualitätskompetenz der Hallenberger, die mit den strengen Normen des deutschen Hygieneund Brandschutzes für die sichersten Standards der Welt stehen.

Um schnellen Erfolg geht es dem Unternehmen nicht, sondern um Werte, Nachhaltigkeit und Qualität. So erhielt das Programm 6000 São Paulo von Norbert Geelen jüngst den »FIRA Ergonomics Excellence Award«. Hiermit werden Produkte ausgezeichnet, die die Anforderungen der europäischen Standards noch übertreffen, dem Nutzer ein überdurchschnittlich hohes Maß an Sicherheit, Ergonomie und Bedienungsfreundlichkeit bieten. Designqualität »made in Hallenberg«. Wo mit Anspruch und Liebe zum Detail zwar hinterm Berg produziert wird, aber mit Leidenschaft Berge überwunden werden.