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ZIRKULÄRES BAUEN: BAUEN NEU DENKEN

Mit dem dritten von insgesamt vier Newsletterfolgen bringt das KAP Forum fünf weitere Beiträge zum ZIRKULÄREN BAUEN. Mit diesen Beiträgen möchten wir die Umsetzung des Zirkulären Bauens weiter befeuern. Denn: Die Zukunft des Bauens liegt in einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen. Ziel ist es, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, von der Produktion der Baustoffe bis hin zur Wiederverwertung, im Einklang mit ökologischen Prinzipien zu gestalten. Wir müssen Bauprozesse optimieren, Abfälle minimieren und Rohstoffe effizient wiederverwenden. So senken wir signifikant den CO2-Ausstoß und leisten zugleich einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz. Die Umsetzung ist herausfordernd und doch bieten sich schon heute enorme Chancen, die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Bauweise aktiv zu gestalten.
Die Vorarbeit ist längst geleistet. Viele kluge Köpfe aus unterschiedlichen Bereichen haben dazu beigetragen. Lesen Sie hier die Beiträge von 1. Dominik Campanella, Concular 2. Roberto Martinez, Kaldewei 3. Patrick Teuffel, Circular Structural Design 4. Michael Scharpf, Holcim Deutschland 5. Marcel Winter & Benedikt Bührle, CMID – Component & Material Identity.
Wir müssen es nur machen. Auf geht’s!
Das Redaktionsteam
Gerhard G. Feldmeyer
Architekt, Climate Responsible Strategies, Botschafter Madaster Foundation
Andreas Grosz
Initiator und Leiter KAP Forum für Architektur & Stadtentwicklung
Tobias Groß
Partner+Gestalter KAP Forum, Gründer und Leiter Studio für Gestaltung, Köln
Die Autor:innen
Kim Le Roux, Margit Sichrovsky, Wiebke Ahues, LXSY Architektur | Thomas Bader, Leipfinger Bader GmbH | Baubüro in situ AG+denkstatt sàrl | Dr. Patrick Bergmann, Madaster Germany | Dominik Campanella, Concular | Manuel Ehlers, Triodos Bank | Gerhard G. Feldmeyer | Marcel Gröpler, Lindner Group | Roberto Martinez, Franz Kaldewei GmbH & Co. KG | Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin Landeshauptstadt München | Philipp Müller, Wicona by Hydro | Michael Scharpf, Holcim Deutschland GmbH | Verena Brehm, Oliver Seidel, Felix Rebers, Cityförster | Sebastian Schels, Ratisbona | Markus Steppler, Derix Group | Prof. Dr. Patrick Teuffel, Circular Structural Design | Simone Walser, STRABAG Real Estate GmbH | Ephraim Wille, Laarakkers | Anastasiya Vitusevych, EDGE Technologies | Marcel Winter & Benedikt Bührle, CMID

Dominik Campanella
Co-Founder und Geschäftsführer von Concular
Fotos: © Concular
Zirkuläres Bauen – Von der Vision zur Praxis: Die Rolle digitaler Plattformen und Marktplätze
Die Bauindustrie steht vor einer gewaltigen Transformation. Mit 40 % der globalen CO₂-Emissionen und 60 % des Abfallaufkommens ist sie einer der größten Umweltverschmutzer. Gleichzeitig wächst der regulatorische Druck, zirkuläre Prozesse zu etablieren – sei es durch verpflichtende Gebäuderessourcenpässe oder strengere CO₂-Grenzwerte. Doch wie gelingt der Übergang von einem linearen zu einem zirkulären Bausystem? Welche Rolle spielen digitale Plattformen und Marktplätze? Und was muss passieren, damit zirkuläres Bauen zur Norm wird?
Jährlich fallen in Deutschland Millionen Tonnen an Baumaterialien aus Rückbauprojekten an, doch nur 1 % werden tatsächlich wiederverwendet. Gleichzeitig beträgt der Markt für Baumaterialien in Deutschland 20 Milliarden Euro pro Jahr – ein riesiges Potenzial, das in Zukunft weiter wachsen wird. Einer der Hauptgründe für die bisher geringe Wiederverwendungsquote ist der Mangel an standardisierten Prozessen für die Identifikation, Dokumentation und Wiederverwendung von Materialien. Hier setzen digitale Lösungen an: Concular hat sich als Marktführer für Gebäuderessourcenpässe etabliert und bietet eine digitale Infrastruktur, um Baumaterialien systematisch zu erfassen und wieder in den Kreislauf einzubringen.
Durch die langjährige Erfahrung mit fast 600 großen Projekten in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie einem Team von mittlerweile 70 Experten mit eigenen Lagern und Büros deutschlandweit ist Concular das führende Unternehmen für zirkuläres Bauen in Europa. Über 10 Millionen Materialien wurden wieder in den Kreislauf gebracht und Städte wie Bremen und Stuttgart wurden bereits mit digitalen Gebäuderessourcenpässen ausgestattet.
Der Markt für wiedergewonnene Bauprodukte – Potenzial und Herausforderungen
Lösungen aus der Praxis – Effiziente Prozesse für zirkuläres Bauen
Mit den Prozessen, Standards und Lösungen, die von Concular entwickelt und allen zur Verfügung gestellt werden, lassen sich 30 % der Rückbaukosten einsparen, während der Einbau wiedergewonnener Materialien im Durchschnitt 20 % günstiger ist als die Nutzung neuer Produkte. Zusätzlich sinkt der CO₂-Ausstoß im Vergleich zur Neuproduktion um 95 %.
Ein Beispiel aus der Praxis ist die Sanierung eines historischen Verwaltungsgebäudes in Düsseldorf. Hier konnten durch ein umfassendes Pre-Demolition Audit über 70 % der Materialien wiederverwendet werden. Der Rückbau generierte 160.000 € Umsatz, während gleichzeitig 600.000 € an Rückbaukosten eingespart wurden. Das bedeutet einen direkten Gewinn von 760.000 € durch zirkuläres Bauen. Ähnliche Erfolge wurden auch bei großflächigen Gewerbeprojekten erzielt, bei denen durch präzise digitale Gebäuderessourcenpässe erhebliche Materialwerte erhalten blieben.
Ein entscheidender Baustein für die Transformation ist die Ökobilanzierung. Herkömmliche Lebenszyklusanalysen konzentrieren sich meist auf Neubauprojekte, während die Wiederverwendung von Materialien kaum berücksichtigt wird. Die von Concular entwickelte Software CircularLCA ermöglicht eine zirkuläre Ökobilanzierung, bei der sowohl die Materialkreisläufe als auch der Materialrestwert (MRV) mit einbezogen werden. Zudem lassen sich Neubauten nach allen gängigen Standards wie DGNB, QNG und weiteren bilanziert darstellen.
Ökobilanzierung als Schlüssel für zirkuläres Bauen
Pre-Demolition Audits & die DIN SPEC 91484
Die systematische Erfassung von Baumaterialien vor dem Rückbau ist entscheidend, um Wiederverwendung planbar zu machen. Concular hat maßgeblich an der Entwicklung der DIN SPEC 91484 mitgewirkt – dem ersten Standard für Pre-Demolition Audits in Deutschland. Die Norm wurde mit über 40 Partnern aus der Bau- und Immobilienbranche entwickelt und bereits bei über 2.000 Gebäuden in mehr als acht Ländern angewendet – ein voller Erfolg. Deutschland übernimmt hier eine Vorreiterrolle, denn aus dieser deutschen Norm wird aktuell ein internationaler Standard entwickelt, der weltweit neue Maßstäbe für zirkuläres Bauen setzen wird. Conculars Software ermöglicht es, den gesamten Prozess von der Analyse bis zur Umsetzung einfach zu steuern und Gebäude innerhalb von Stunden digital zu erfassen, Materialien zu inventarisieren und optimale Verwertungskonzepte zu entwickeln. Diese Daten fließen nahtlos in Gebäuderessourcenpässe ein und ermöglichen so eine langfristige Strategie für zirkuläres Bauen.
Ein oft genannter Kritikpunkt ist die vermeintlich unsichere Gewährleistung wiedergewonnener Materialien. Concular hat gemeinsam mit der VHV Versicherung, Deutschlands größter Bauversicherer, eine Möglichkeit entwickelt, wiedergewonnene Materialien gleichwertig zu neuen Produkten zu versichern. Diese Lösung geht sogar darüber hinaus: Während herkömmliche Materialhersteller insolvent gehen können, bietet eine Versicherung mit über 150 Jahren Erfahrung eine stabile und langfristige Absicherung für Bauherren und Architekten.
Gewährleistung für wiedergewonnene Materialien
Wissen für alle: Handbuch für zirkuläres Bauen
Um die Bauwende voranzutreiben, stellt Concular sein Wissen frei zur Verfügung. Das Handbuch für zirkuläres Bauen bietet auf über 100 Seiten praxisnahe Anleitungen, Ausschreibungstexte und wertvolle Informationen für alle, die nachhaltiges Bauen umsetzen wollen. Das Handbuch kann kostenlos heruntergeladen werden: concular.de/handbuch-zirkulares-bauen.
„Die Klimakrise wird auf der Baustelle entschieden“ – dies sollten wir uns alle verdeutlichen. Die Art und Weise, wie wir bauen, beeinflusst maßgeblich unsere Umwelt und das Erreichen der Klimaziele.
Die Weichen für ein zirkuläres Bausystem sind gestellt. Mit digitalen Gebäuderessourcenpässen, zirkulärer Ökobilanzierung und optimierten Rückbauprozessen wird der Wandel von einer linearen zu einer zirkulären Bauwirtschaft Realität. Entscheidend ist, dass alle Akteure – von Planern über Investoren bis zur Politik – an einem Strang ziehen, um eine Baukultur zu schaffen, die den Ressourcenverbrauch drastisch reduziert und Wiederverwendung zur Norm macht. Die CO₂-Grenzwerte, die ab 2027 über die Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) der EU verpflichtend werden, sind dabei der entscheidende regulatorische Hebel. Länder wie Dänemark und Frankreich zeigen bereits, dass nachhaltiges Bauen günstiger, schneller und effizienter sein kann.
Fazit: Der Wandel ist machbar – mit digitalen Lösungen
Dominik Campanella ist Co-Founder und Geschäftsführer von Concular, dem führenden digitalen Ökosystem für zirkuläres Bauen. Er war Mitinitiator der DIN SPEC 91484 und ist Mitglied in verschiedenen Fachgremien zur Förderung von Materialkreisläufen in der Bauwirtschaft. Vor der Gründung von Concular war er in der Softwareentwicklung tätig und verbindet heute technologische Innovationen mit nachhaltigem Bauen.

Roberto Martinez
Strategic Sales, Commercial Business, Member of the Executive Board, Kaldewei, Ahlen
Foto: © Kaldewei
Zirkularität als Gamechanger
Erfolgsfaktor Transparenz als Basis für eine neue Baukultur
Schon heute hat unser lineares Wirtschaftssystem aus „take –make –waste“ – also „kaufen – verwenden – wegwerfen“ – keinerlei Zukunftsperspektive. Ressourcenknappheit, Beeinträchtigung von Umwelt und Mensch, anhaltender Ausstoß an Treibhausgasemissionen und die damit einhergehende Erderwärmung sind nicht mehr tragfähig. Die erforderliche Transformation zur Circular Economy bedeutet, dass eingesetzte Rohstoffe am Ende ihrer Nutzungsphase wieder als Ausgangsmaterialien für neue, schadstofffreie Produkte genutzt werden – ohne Qualitätsverlust und ohne signifikanten Quantitätsverlust. Die Voraussetzungen dafür müssen bereits zu Beginn der Produktentwicklung geschaffen werden, damit schadstofffreie Materialien am Ende sortenrein demontiert und getrennt werden können.
Nachhaltigkeit definiert die Art und Weise, wie wir bauen und leben, neu. Für die Bauwirtschaft bedeutet dies: Wir brauchen eine Zukunft, in der jedes Gebäude nicht nur funktionale Räume hat, sondern ein nachhaltiger Lebensraum ist, in dem die Produkte und Materialien eine nahezu unbegrenzte Lebensdauer haben und am Ende wieder zu Rohstoffen werden. Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft ist also von essenziell wachsender Bedeutung.
Nachhaltig bauen
Zirkularität par excellence
Wir können uns glücklich schätzen, dass die Kaldewei Badobjekte seit jeher aus Stahl und Glas bestehen. Glas wird aus natürlichen Rohstoffen hergestellt, die in ausreichendem Maße in der Natur vorkommen. Als Altglas kann es immer wieder in den Produktionskreislauf zurückgelangen. Stahl ist vielleicht das kreislauffähigste Material. Einmal hergestellt, kann es immer wieder ohne Qualitätseinbußen in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. Mit über 90 Prozent Recyclingquote ist Stahl vermutlich das führende Material nicht nur in der Sanitärbranche. Stahl-Emaille ist die Kombination von Stahl und Glas und verbindet die nachhaltigen Eigenschaften beider Materialen. So sind zum Beispiel Badlösungen aus Kaldewei Stahl-Emaille plastikfrei, besitzen eine besonders lange Lebensdauer und sind zu 100 Prozent kreislauffähig
Plastik dagegen ist eine der größten Umweltbedrohungen unserer Zeit. Wir finden es leider auch beim Neubau oder der Sanierung von Bädern – zum Beispiel durch die Verwendung von Acryl oder anderer Kunststoffe, aus denen Badewannen, Duschen und Waschtische bestehen. In 2019 sind rund 600.000 Bade- und Duschwannen aus Acryl in Neubauten, bei Modernisierungen und als reine Ersatzbeschaffung im privaten Wohnbau eingesetzt worden. Das sind etwa 12.000 Tonnen Plastik! Dazu kommen noch weitere kunststoffhaltige Materialien, wie zum Beispiel Mineralguss, der in der Regel zu einem Drittel oder mehr aus Polyesterharz besteht. Hier gilt es also genau zu prüfen, welche Materialien nachhaltig sind, um Plastik im Bad signifikant zu reduzieren.
Plastik: reale Bedrohung für unseren Lebensraum

Erfolgsfaktor Transparenz
Letztlich bedarf es unabhängiger Bewertungen und Zertifikate, die Architekten und Planern das Leben erleichtern und für Transparenz sorgen. Denn die Schaffung jener ist Voraussetzungen für die Vergleichbarkeit von Materialien und Produkten. Allerdings stehen keine verpflichtenden Veröffentlichungen zur Verfügung, die eine nachhaltige Bewertung aller relevanter Materialien ermöglichen. Es hapert noch an einem gesetzlichen Rahmen, in dem sich alle Zertifikate und Nachhaltigkeitsanforderungen bewegen (z. B. Mindeststandards).
Bereits etabliert haben sich die Umwelt-Produktdeklarationen (EPD), die vom Institut Bauen und Umwelt e.V. IBU nach ISO 14025 und EN 15804 erstellt werden. Sie sind ein wertvolles Werkzeug für Architekten und Planer, um fundierte Entscheidungen beim nachhaltigen Bauen zu treffen.
In einer EPD für Badprodukte wird für einen Quadratmeter Material der ökologische Fußabdruck angegeben. So lassen sich verschiedene Materialien gegenüberstellen und bewerten. Dabei wird nicht nur die Herstellung eines Produktes betrachtet, sondern auch die Nutzung, Entsorgung und das Recyclingpotenzial.
Mit Hilfe der EPDs lassen sich zum Beispiel der Umweltimpact für Badprodukte aus Stahl-Emaille, Acryl und Mineralguss ermitteln und die entsprechenden Werte für jeweils einen Quadratmeter jeden Materials miteinander vergleichen. So beträgt das Global Warming Potential unter Berücksichtigung der Recyclinggutschriften in Kilogramm CO2-Äquivalent
• für Stahl-Emaille 29,3 Kilogramm,
• für Acryl 107,2 Kilogramm und
• für Mineralguss 94,6 Kilogramm.
Große Unterschiede beim Energieverbrauch sind ebenfalls schnell und einfach zu erfassen: im Vergleich zu einem Quadratmeter Stahl-Emaille (502 MJ = 100%) wird für die gleiche Fläche Acryl 264 Prozent (1.327 MJ) und für Mineralguss 376 Prozent (1.887 MJ) an erneuerbarer und nicht erneuerbarer Energie benötigt.
Materialien vergleichen mit EPDs

Madaster – die Datenbank für Materialien, Gebäude und Infrastruktur
Kaldewei gehört zu den 17 Gründungsmitgliedern der deutschen Madaster-Online-Plattform und ist mit über 42.000 Produktinformationen einer der Pioniere auf dem Weg in die Circular Economy der Bau- und Immobilienwirtschaft. Die Dokumentation, Registrierung und Archivierung von Materialien in Gebäuden und Objekten erleichtert die Wiederverwendung, fördert intelligentes Design und vermeidet Abfall. Auf diese Weise wird jedes Gebäude zu einer echten Materialdatenbank.
Die Cradle to Cradle® Zertifizierung [C2C] ist ein weltweit relevanter und branchenübergreifender Multi-Attribut-Standard mit dem Ziel einer gesunden, gerechten und nachhaltigen Zukunft. Sie gibt Marken, Produzenten und Designern Orientierung bei der Entwicklung und Herstellung von Produkten. Zentrum des Cradle to Cradle Konzepts ist eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft, in der Abfall komplett vermieden wird und alle Materialien entweder in biologische oder in technische Kreisläufe zurückgeführt werden. Der Zertifizierungsprozess betrachtet die Performance in fünf Bereichen: Materialgesundheit, Produktkreislaufwirtschaft, Luftreinhaltung und Klimaschutz, Wasser- und Bodenbewirtschaftung sowie soziale Fairness.
C2C Certified®: Konsequente Kreislaufwirtschaft ohne Abfall
Verbriefte Nachhaltigkeit
Rund 600 verschiedene Kaldewei Artikel in der Farbe Alpinweiß dürfen sich ab sofort „Cradle to Cradle Certified® silver“ nennen, darunter natürlich auch die am stärksten nachgefragten „Klassiker“ für das Privatbad und für das Projektgeschäft. Kaldewei ist damit der erste Anbieter von Bade- und Duschwannen sowie Waschtischen, der durch ein C2C Certified Zertifikat seine konsequent nachhaltige Ausrichtung belegen kann. Der Prozess hat mehr als eineinhalb Jahre beansprucht, ein Jahr lang wurden mit Hochdruck Dokumente erarbeitet und eingereicht, viele Daten und Informationen ermittelt. Fast jede Abteilung des Unternehmens war involviert. Und hier sei gesagt, dass vieles schon erarbeitet war, da wir uns lange mit dem Thema beschäftigen und Kreisläufe für Stahl-Emaille ganz klar definiert sind. Andere Unternehmen haben es hier deutlich schwerer und müssen Kreisläufe erst noch implementieren, es ist also eine enorme Innovationkraft gefragt. Und hier stehen wir an einem ganz kritischen Punkt: wenn Unternehmen sich in den letzten Jahren nicht vorbereitet haben und „nur“ den Storytelling Aspekt eines grünen Images und des CSR-Gedanken gespielt haben, entsteht ein wirtschaftliches Problem. Kurz gesagt: Wer nicht vorbereitet ist, ist abgehängt.
Für Kaldewei ist die Cradle to Cradle® Zertifizierung nicht nur ein wichtiger strategischer Schritt, sondern auch ein weiterer positiver Beitrag zur Umwelt. Auch die Bauwirtschaft profitiert von der C2C Certified® Zertifizierung, denn diese hilft ihr dabei, nachhaltiger, wirtschaftlicher und innovativer zu werden. Sie bietet ökologische, gesundheitliche sowie ökonomische Vorteile und hilft Unternehmen der Bauwirtschaft, sich schneller an notwendige Markt- und Regulierungsanforderungen anzupassen.
Mit der Cradle to Cradle® certified Zertifizierung, Umwelt-Produktdeklaration und der Teilnahme an Initiativen wie Science Based Targets und Madaster treiben wir die Circular Economy als vielversprechendes Konzept voran. Diese Ansätze helfen auch unseren Partnern dabei, den gestiegenen Endkundenansprüchen mit zukunftssicheren, umweltfreundlichen Lösungen zu begegnen. Kaldewei unterstützt hier, indem das Unternehmen konsequent auf das kreislauffähige Material Stahl-Emaille setzt, das nicht nur plastikfrei, sondern auch langlebig und umweltfreundlich ist. Für eine neue Baukultur, für eine Welt ohne Abfall.
Unterstützung der Baubranche auf dem Weg zur Circular Economy


Nachhaltiger Lebensraum: Die Moringa GmbH mit Sitz in Monheim am Rhein entwickelt gemeinsam mit kadawittfeldarchitektur im Elbbrückenquartier in der Hafen City das erste Wohnhochhaus Deutschlands nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C).
Bildquelle: MORINGA GmbH by Landmarken / Entwurf kadawittfeldarchitektur
Stahl ist mit über 90 Prozent Recyclingquote vermutlich das führende Material nicht nur in der Sanitärbranche.
Bildquelle: KALDEWEI

Bildquelle: KALDEWEI


EPDs sind ein wertvolles Werkzeug für Architekten und Planer, um fundierte Entscheidungen beim nachhaltigen Bauen zu treffen.
Bildquelle: IBU
Kaldewei ist der erste Anbieter von Bade- und Duschwannen sowie Waschtischen, der durch ein C2C Certified Zertifikat seine konsequent nachhaltige Ausrichtung belegen kann.
Bildquelle: KALDEWEI
Roberto Martinez ist seit 2013 bei dem Familienunternehmen Kaldewei in Ahlen/Deutschland für den Vertrieb und das Projektgeschäft weltweit verantwortlich. Seit 2017 ist er Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für Strategic Sales / Commercial Business. Roberto Martinez ist der Architekt der internationalen Projektstrategie. Martinez ist 56 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Er ist seit über 25 Jahren weltweit im Bereich Interieur & Architektur tätig, davor acht Jahre lang für Mode und technische Textilien.

Patrick Teuffel
Gründer von CIRCULAR STRUCTURAL DESIGN und Professor für Innovation and Sustainability Strategies an der SRH Berlin School of Technology and Architecture
Foto: © Patrick Teuffel
Die Zukunft des Bauens ist zirkulär
Die Bauindustrie steht vor einer tiefgreifenden Transformation. Jahrzehntelang folgte sie einem linearen Prinzip: Materialien wurden produziert, verbaut und am Ende ihres Lebenszyklus entsorgt. Doch mit steigenden Umweltanforderungen, knapper werdenden Ressourcen und neuen regulatorischen Rahmenbedingungen rückt ein anderes Modell in den Fokus: das zirkuläre Bauen. Der Schlüssel dazu liegt nicht nur im Recycling von Baumaterialien, sondern vor allem in der Wiederverwendung tragender Bauteile, da diese in er Regel den größten Masseanteil am Bauwerk haben.
Tragwerke bilden das Rückgrat eines Gebäudes. Sie bestehen aus Stahl, Beton, Mauerwerk oder Holz, die in der Herstellung enorme Mengen an Energie sowie endlichen Ressourcen verbrauchen und für entsprechende CO₂-Emissionen verantwortlich sind. Allein die Produktion von Zement, einem Hauptbestandteil von Beton, verursacht weltweit 7–8 % der gesamten CO₂-Emissionen. Stahl, obwohl gut recycelbar, erfordert für seine Herstellung hohe Temperaturen und damit große Mengen an Primärenergie. Holz ist zwar ein nachwachsender Rohstoff, doch auch hier gibt es Grenzen: Der steigende Bedarf kann unter Umständen in vielen Regionen bereits die nachhaltige Verfügbarkeit übersteigen.
Angesichts dieser Herausforderungen ist es nicht mehr zeitgemäß, tragende Bauteile nach der Nutzung einfach abzubrechen und zu entsorgen. Die bessere Alternative: Sie gezielt erhalten und in neuen Gebäuden wiederverwenden.
Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist das europäische Forschungsprojekt ReCreate. In Deutschland, Finnland, den Niederlanden und Schweden werden Spendergebäude selektiv zurückgebaut, um tragende Betonfertigteile für neue Bauprojekte nutzbar zu machen.
Diese Bauteile sind oft in einem sehr guten Zustand und könnten problemlos weiterverwendet werden. Doch in der Praxis gibt es technische und regulatorische Herausforderungen: Sind die Materialien noch tragfähig? Wie können sie in neue Konstruktionen integriert werden? Welche Prüfverfahren sind notwendig, um die baurechtlichen Anforderungen zu erfüllen? ReCreate beantwortet diese Fragen in der Praxis und zeigt, dass es möglich ist, ganze Stahlbeton-Elemente direkt wiederzuverwenden, anstatt sie nur als Recycling-Schutt zu verwerten.
Eine zentrale technische Herausforderung besteht in der Verbindungstechnik. Während in der Vergangenheit viele tragende Bauteile monolithisch oder mit nicht lösbaren Verbindungen ausgeführt wurden, zeigt sich heute, dass lösbare Verbindungen eine Schlüsselrolle spielen. Schraubverbindungen im Stahlbau oder modulare Betonfertigteile mit Steckverbindungen ermöglichen es, Tragwerke nicht nur dauerhaft sicher, sondern auch demontierbar zu konstruieren.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Nachweisführung der Tragfähigkeit. Während für neue Bauteile standardisierte Berechnungsverfahren existieren, ist die Wiederverwendung oft mit Unsicherheiten verbunden. Hier setzen Projekte wie ReCreate auf eine Kombination aus Materialprüfungen, experimentellen Tests und digitalen Simulationen, um die Tragfähigkeit und Langlebigkeit der Bauteile sicher nachzuweisen.
Wie aus alten Tragwerken neue entstehen
Digitale Werkzeuge für die Wiederverwendung
Zirkuläres Bauen erfordert eine neue Herangehensweise an die Planung und Dokumentation. Building Information Modeling (BIM) ermöglicht es, Bestandsgebäude und ihre Materialien digital zu erfassen und den Rückbau sowie die Integration wiederverwendbarer Bauteile präzise zu planen. Besonders relevant sind hier Materialpässe, die für jedes Bauteil Informationen zu Materialeigenschaften, ursprünglicher Nutzung und möglichen neuen Einsatzbereichen enthalten.
Plattformen wie Madaster und Concular entwickeln solche digitalen Datenbanken, die eine Brücke zwischen Rückbauprojekten und Neubauten schlagen. Das von ReCreate entwickelte ReCreate Studio, ein Revit-Plugin, geht noch einen Schritt weiter: Es ermöglicht die automatisierte Integration von Bestandsbauteilen in neue Tragwerksplanungen, wodurch der Planungsprozess effizienter und skalierbarer wird.
Aber auch der Einsatz von KI bietet vollkommen neue Möglichkeiten in diesem Kontext: Im Rahmen des vom BMWJ geförderten KI-Pilotprojekts des Green-AI Hub Mittelstand entwickelte das DFKI, Concular gemeinsam mit CIRCULAR STRUCTURAL DESIGN ein KI-gestütztes Empfehlungssystem für das zirkuläre Bauen. Dieses System soll Architekt:innen und Tragwerksplaner:innen dabei unterstützen, wiederverwendbare Bauteile effizient in neue Bauprojekte zu integrieren. Durch die Berücksichtigung der Tragfähigkeit und anderer Eigenschaften der vorhandenen Komponenten wird der Planungsprozess optimiert und der Ressourcenverbrauch reduziert. Ziel ist es, die Bauteilsuche zu vereinfachen und die Nachhaltigkeit in der Bauindustrie zu fördern.
Lange Zeit war ein Hindernis für die Wiederverwendung tragender Bauteile das Fehlen klarer gesetzlicher und normativer Vorgaben. Doch hier zeichnet sich eine positive Entwicklung ab.
Mit der neuen DIN SPEC 91484 wurde erstmals ein standardisiertes Verfahren entwickelt, um Bauteile vor dem Rückbau hinsichtlich ihres Wiederverwendungspotenzials zu bewerten. Die DGNB-Zertifizierung (TEC1.6 „Zirkuläres Bauen“) belohnt Projekte, die konsequent auf Wiederverwendung setzen, mit einer besseren Nachhaltigkeitsbewertung.
Auch das logistische Umfeld entwickelt sich weiter: In Berlin gibt es mit dem Urban Mining Hub einen ersten Pilotstandort, an dem rückgebaute Bauteile für eine spätere Nutzung gelagert werden können. Ziel ist es, Wiederverwendung nicht mehr als Ausnahme, sondern als reguläre Baupraxis zu etablieren.
Zirkuläre Geschäftsmodelle im Bauwesen setzen auf Wiederverwendung statt Wegwerfkultur. Durch den gezielten Einsatz von gebrauchten Bauteilen werden Materialkosten reduziert, Abfälle minimiert und CO₂-Emissionen gesenkt. Dies schafft nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile: Planungs- und Entsorgungskosten sinken, während neue Einnahmequellen durch Materialverkauf und Dienstleistungen entstehen.
Regulatorische Fortschritte und neue Geschäftsmodelle
Warum jetzt der richtige Moment ist
Die Wiederverwendung tragender Bauteile ist keine Zukunftsvision mehr, sondern wird bereits erfolgreich umgesetzt. Mit Projekten wie ReCreate, neuen digitalen Planungswerkzeugen und klaren regulatorischen Fortschritten steht die Branche vor einem Wendepunkt.
Die Frage ist nicht mehr, ob Wiederverwendung möglich ist, sondern wie schnell sie zum neuen Standard werden kann. Der ökologische und ökonomische Mehrwert ist unübersehbar. In einer Zeit, in der Materialknappheit und Klimawandel die Bauindustrie vor neue Herausforderungen stellen, bietet das zirkuläre Bauen eine überzeugende Antwort.
Wer heute beginnt, Tragwerke neu zu denken, gestaltet das Bauen von morgen.
Mehr zum ReCreate-Projekt unter:
www.recreate-project.eu
Patrick Teuffel ist Gründer von CIRCULAR STRUCTURAL DESIGN und Professor für Innovation and Sustainability Strategies an der SRH Berlin School of Technology and Architecture. Er ist Experte für zirkuläre Tragwerksplanung und nachhaltige Materialien im Bauwesen. Mit seinen Tätigkeiten entwickelt er innovative Konzepte zur Wiederverwendung von Bauteilen und optimierten Materialkreisläufen. Er ist zudem in europäischen Forschungsprojekten wie ReCreate aktiv, die zirkuläre Baupraktiken fördern. Sein Fokus liegt auf ressourcenschonenden Konstruktionsmethoden und digitalen Planungstools für nachhaltiges Bauen.

Michael Scharpf
Leiter Nachhaltiges Bauen, Holcim Deutschland GmbH
Foto: © Holcim (Deutschland) GmbH
Kreislaufwirtschaft ganzheitlich gemacht.
Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Bauwirtschaft, aber auch die Gesellschaft insgesamt steht, ist klar, dass es ein “Weiter so” nicht geben kann: Der Verlust der Biodiversität und der Klimawandel erfordern eine grundlegende Veränderung der Ressourcennutzung in der Industrie. Materialien wie Beton und Zement sollten in Zukunft nicht mehr linear, sondern zirkulär genutzt werden, um Primärressourcen zu schonen und Emissionen zu reduzieren. Allein die Bauwirtschaft ist für mehr als 50 Prozent des Abfallaufkommens in Deutschland verantwortlich. Das muss sich ändern. Baustoffe dürfen nie zu Abfall werden, und die wichtigsten Rohstoffquellen der Zukunft sollten nicht mehr ausschließlich Sand- und Kiesgruben sowie Steinbrüche sein, sondern die bestehende Bausubstanz in den Städten – Urban Mining. Mit anderen Worten: Beton muss wieder zu Beton werden. Holcim als einer der größten Produzenten von mineralischen Baustoffen hat diesen Weg schon vor vielen Jahren eingeschlagen. Obwohl Veränderungen in der Baustoffbranche oft einen langen Atem brauchen, täuscht der Eindruck, dass nur große Ziele für die Zukunft formuliert werden, sich in der Gegenwart aber nichts tut. Denn neben den großen Visionen gibt es bereits heute viele Lösungen, die elementare Schritte in Richtung nachhaltiges Bauen darstellen.
Neben der Dekarbonisierung der Zementproduktion ist die Forcierung der Kreislauffähigkeit der Produkte eine der größten Herausforderungen unserer Branche. In beiden Bereichen wird bereits viel erreicht. So bietet Holcim mit ECOPlanet seit Jahren einen klimafreundlichen Zement an, der den CO2-Fussabdruck gegenüber einem Standardzement um über 30 Prozent reduziert. Auch in unseren drei deutschen Zementwerken setzen wir ehrgeizige Projekte zur Dekarbonisierung um und investieren dafür erhebliche Summen. So wollen wir in Lägerdorf (Schleswig-Holstein) bis zum Ende des Jahrzehnts das erste klimaneutrale Zementwerk in Betrieb nehmen, das die CO2-Emissionen der Zementherstellung nahezu vollständig abtrennen und jährlich mehr als eine Million Tonnen CO2 einsparen wird. Nach der Abtrennung wollen wir das Prozessgas zu hochreinem CO2-Gas aufbereiten, das dann als wertvoller Rohstoff von anderen Industrien, zum Beispiel der chemischen Industrie, genutzt werden kann. Dieser Ansatz wird als Carbon Capture and Utilization (CCU) bezeichnet. Aus dem Treibhausgas wird zum Beispiel ein Trinkbecher aus Kunststoff. Ist dessen Lebensdauer abgelaufen, kann er als Ersatzbrennstoff bei der Zementherstellung energetisch verwertet werden, wobei das CO2 wieder abgetrennt wird und nach der Aufbereitung erneut als Rohstoff, zum Beispiel für neue Trinkbecher, dient. So entsteht ein geschlossener CO2-Kreislauf, in dem aus ehemaligen Emissionen wertvolle Rohstoffe werden. Auch das verstehen wir unter Kreislaufwirtschaft.
Innovatives Duo: Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft.
Urban Mining: Die Stadt als Rohstofflager.
Genauso wichtig ist die Kreislauffähigkeit der von uns produzierten Baustoffe. Bereits heute lassen sich viele Baustoffe in Kreisläufen statt linear nutzen, selbstverständlich auch Beton und sogar Zement. Der Schlüssel dafür liegt im sogenannten Urban Mining, also der Nutzung bestehender und ausgedienter Gebäude oder Infrastruktur, bei denen das Material recycelt oder wiederverwendet wird. Kreislauf bedeutet für uns, die Nachnutzung gleich mitzudenken – und schon beim Bauen zu fragen: Wie kann das Material später wiederverwendet oder recycelt werden? Bei der Umsetzung arbeiten wir eng mit verschiedenen Partnern zusammen, wie zum Beispiel Madaster, einer digitalen Datenbank für Gebäude, Materialien und Infrastruktur. Im digitalen Zwilling des Gebäudes werden die verbauten Produkte und Baustoffe detailliert gelistet, um sie für eine spätere, möglichst gleichwertige Nutzung verfügbar zu machen. Insgesamt haben wir bei Holcim Deutschland alleine im Jahr 2023 in der Produktion ca. 2,1 Millionen Tonnen an Sekundärroh- und -brennstoffen verwendet, die wir aus Reststoffen gewonnen haben, darunter auch viele recycelte mineralische Bau- und Abbruchmaterialien.
Die Entwicklung von Technologien für das zirkuläre Bauen und die hochwertige Aufbereitung von Rohstoffen sind dabei von zentraler Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hat der weltweit tätige Holcim-Konzern die ECOCycle-Plattform für zirkuläres Bauen entwickelt, die eine sortenreine Baustofftrennung, Zerkleinerung und hochwertige Aufbereitung von Bauschutt ermöglicht. Diese Technologie wird bei Holcim Deutschland derzeit in vier verschiedenen Ballungsräumen eingesetzt.
Um eine gleichbleibend hohe Qualität unserer Produkte zu gewährleisten, prüfen wir bereits beim Abbruchprojekt das Material auf seine Eignung, unter anderem auf Schadstofffreiheit. Denn nicht jeder Bauschutt ist recyclingfähig. Ist das Abbruchmaterial für eine Wiederverwendung geeignet, wird es zum nächstgelegenen ECOCycle-Center transportiert. Erst die hohe Qualität ermöglicht ein gleichwertiges Recycling oder sogar eine höherwertige Aufbereitung und Verwertung – bisher wurden Abbruchmaterialien meist als Frost- und Tragschichten im Erd- und Straßenbau eingesetzt (Downcycling).
Produkte mit derart aufbereitetem Abbruchmaterial gibt es in allen Segmenten, vom Zement über die Gesteinskörnungen bis zum Beton. So hat Holcim im September 2024 als erster Anbieter vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) die Anwendungszulassung nach neuer Norm für einen Zement mit einem Anteil an hochwertigen rezyklierten Bau- und Abbruchabfällen erhalten. Der Recyclinganteil im Zement beträgt bis zu 20 Prozent. Damit schöpft der Zement die Möglichkeiten der neuen Norm DIN EN 197-6 aus und schont natürliche Ressourcen wie Kalkstein oder Kreide.
Mit Produktlinien wie ECOPact R oder R-Pact bieten alle Holcim Betonwerke ressourcenschonende Betone nach DIN 1045-2 und DAfStb-Richtlinie mit bis zu 45 Prozent Recyclinganteil an. Betone, die mit R-Zement und rezyklierter Gesteinskörnung hergestellt werden, unterscheiden sich in ihren Eigenschaften nicht von herkömmlichen Betonen.
So können wir Abbruchmaterialien aus Rückbauprojekten nach der Aufbereitung in unseren ECOCycle Centern vollständig der Zement- und Betonproduktion zuführen – oder als rezyklierte Gesteinskörnungen in verschiedenen Korngrößen anbieten. Mit anderen Worten: Wir sind in der Lage, entlang der gesamten Produktionskette Beton aus alten Materialien neue Baustoffe herzustellen, Kreisläufe vollständig zu schließen und damit Primärressourcen zu schonen.
ECOCycle Inside.
Geocycle schließt Materialkreisläufe.
Um natürliche Rohstoffe zu schonen und Stoffkreisläufe zu schließen, setzen wir in unseren Zementwerken möglichst ausschließlich alternative Roh- und Brennstoffe statt natürlicher Ressourcen ein. Anstelle von fossilen Brennstoffen zur Befeuerung des Drehrohrofens werden industrielle Nebenprodukte wie Klärschlamm, Gewerbeabfälle und biogene Abfälle verwertet. Geocycle hat als fester Bestandteil der Holcim Gruppe langjährige Expertise im Bereich innovativer Recycling- und Verwertungslösungen. Ziel ist es, den Einsatz alternativer Brennstoffe weiter zu optimieren, langfristig auf den Einsatz fossiler Brennstoffe zu verzichten und damit die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Dies bringt einen doppelten Vorteil: Denn die Verbrennung von Ersatzbrennstoffen, auch als Co-Processing bezeichnet, belastet die Umwelt weniger als die Deponierung oder klassische Müllverbrennung. Neben Co-Processing ist Geocycle auf die Aufbereitung von industriellen Reststoffen für die Verwendung als alternativer Rohstoff spezialisiert. Auf einer Aufbereitungsplattform werden industrielle Reststoffe, die nicht mehr recycelt werden können, für den Einsatz im Zementklinkerofen vorbereitet. Aus unterschiedlichen Materialien, wie zum Beispiel Reststoffen der Stahlindustrie, Aschen und Stäube entstehen hier alternative Rohstoffe, die für die Zementproduktion notwendig sind und wiederum Primärrohstoffe einsparen. Aus Abfall werden also wertvolle Rohstoffe für nachhaltige Baustoffe und damit Stoffkreisläufe geschlossen.
Diese Produkte, Ansätze und Lösungen sind bereits heute Realität. Wir sehen, dass sich ein Markt für klimafreundliche Baustoffe und ressourcenschonende Produkte etabliert, auch wenn es noch Luft nach oben gibt. Grüne Produkte und Gebäude müssen noch stärker nachgefragt werden.
Dabei schließen sich Ökologie und Ökonomie nicht aus. Die Wertschöpfungskette lässt sich nachhaltig transformieren – Wir sind überzeugt, dass es gar keinen anderen Weg geben kann. Deshalb werden wir Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft weiter dynamisch vorantreiben – heute, nicht erst in ferner Zukunft!
Die Zukunft ist zirkulär. Und schon jetzt möglich
Mehr Informationen zu ECOCycle gibt es hier:
www.holcim.de
Michael Scharpf ist Leiter Nachhaltiges Bauen bei Holcim Deutschland, eine Tochtergesellschaft des weltweit tätigen Baustoffkonzerns Holcim Ltd.
Der gelernte Maurer verfügt über Studienabschlüsse in Architektur und Internationaler Betriebswirtschaftslehre, besitzt internationale Berufserfahrungen und hat sich besonders intensiv mit Themen rund um Nachhaltiges Bauen und damit verbundene Zertifizierungen beschäftigt. 2007 baute er für ARCADIS Deutschland die Nachhaltigkeitsberatung auf und war in dieser Funktion Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Als Vice-Chair des global agierenden Concrete Sustainability Councils (CSC) führte er ein weltweites Zertifizierungssystem mit ein.
Bei Holcim Deutschland berät Michael Scharpf Architekten, Planer und Bauherren zu nachhaltigem Bauen und unterstützt die Einführung nachhaltiger Produktlinien, insb.CO2- und ressourcenoptimierter Zement und Betone.

Marcel Winter & Benedikt Bührle
Architekten und Co-Founder von CMID – Component & Material Identity
Foto: © Bührle/Winter
Material mit Identität – Der Fingerabdruck für Baustoffe.
Stellen wir uns das Jahr 2035 vor: Die Materialien unserer Gebäude werden im Kreislauf genutzt. Baustoffe aller Art haben kein Verfallsdatum mehr, sondern werden als wertvolle Ressourcen mit dauerhafter Funktion betrachtet.
Rückbau bedeutet nicht mehr Zerstörung. Vielmehr gleicht er einem sorgfältig choreographierten Prozess: Bauteile werden demontiert, gesammelt und in einem neuen Kontext wiederverwendet. Ein Dach von gestern wird zur Fassade von morgen, eine alte Holzbalkenkonstruktion zum tragenden Element eines Neubaus. Unsere Bauweisen haben sich gewandelt – ehemals verklebte Baustoffe lassen sich rückstandsfrei trennen und wiederverwenden. Materialien sind keine Wegwerfprodukte mehr, sondern durch dokumentierte Lebenszyklen mit Daten verknüpft und wiederverwendbar. Eine Zukunft, in der die Bauwirtschaft einen wertvollen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und zum Klimaschutz leistet.
Um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, muss der Anteil an wiederverwendeten Baustoffen im Jahr 2025 deutlich steigen. Derzeit sind gebrauchte Baustoffe jedoch im Vergleich zu Neuen wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig. Um sie erfolgreich in den Bauprozess integrieren zu können, müssen aufwändige Prüfungen durchgeführt und Informationen über die jeweiligen Materialien mit hohem zeitlichen und finanziellem Einsatz beschafft werden. Ein erheblicher Aufwand, der dazu führt, dass ein großes Potenzial für die Wiederverwendung nicht genutzt wird.
Strengere gesetzliche Anforderungen verteuern die Herstellung neuer Materialien und machen damit gebrauchte Alternativen attraktiver. Die Realität bleibt jedoch herausfordernd, denn selbst wenn die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist, gelten für gebrauchte Baustoffe die gleichen strengen Anforderungen wie für Neuprodukte. Fehlende Informationen über Inhaltsstoffe, Herkunft oder Zertifikate stellen ein erhebliches Risiko für Unternehmen und Anwender dar und verhindern so häufig den Einsatz. Hinzu kommen logistische Hürden: Materialien müssen zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar sein. Um dies verlässlich planen zu können, bedarf es einer systematischen Erfassung aller nutzbaren Materialien. Ohne diese Strukturierung wird die Nutzung von Gebrauchtmaterialien unabhängig vom Ort des ersten Lebenszyklus selten erfolgreich umgesetzt, weil die dringend notwendige Effizienz in der Verfügbarkeit über Gemeinde- und Landesgrenzen hinweg fehlt.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es Methoden für eine umfassende Datenerfassung und die damit verbundene Informationsnutzung im Bauwesen. Digitale Gebäudemodelle, sogenannte BIM-Modelle, erfassen bereits in der Planungsphase alle relevanten Material- und Bauwerksinformationen. Sie dienen als zentrale Datenquelle, ermöglichen Berechnungen und begleiten Gebäude als digitale Zwillinge über die gesamte Nutzungsdauer. In allen Planungs- und Betriebsphasen verfügbar, sind diese Modelle im Idealfall ein wichtiger Informationsträger für den Rückbau.
Die Realität zeigt jedoch, dass BIM-Modelle häufig unvollständig sind. Bauabweichungen, nachträgliche Anpassungen oder unvollständige Eintragungen führen dazu, dass sich die „digitalen Zwillinge“ von ihren physischen Vorbildern entfernen. Zudem sind diese Modelle an spezifische Bauwerke gebunden. Wird ein Gebäude abgerissen, verschwinden oft auch die gespeicherten Informationen – und mit ihnen die Daten zu wiederverwendbaren Materialien. Hochwertige Baustoffe, die problemlos ein zweites Leben antreten könnten, landen auf der Deponie oder werden energieintensiv recycelt.
2025 – Ein Wandel mit Hindernissen.
Material mit Identität – Der Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft.
Eine nachhaltige Bauwirtschaft benötigt Materialien, die nicht nur physisch erhalten bleiben, sondern deren Daten jederzeit abrufbar sind. Sie müssen eindeutig identifizierbar sein. Denn nur wenn Informationen über Herkunft, Zusammensetzung und Verarbeitung eines jeden Bausteins oder Holzbalkens transparent verfügbar sind, können Materialien sicher wiederverwendet werden.
Dabei geht es nicht darum, ganze Baustoffgruppen oder Produktlinien zu kategorisieren, sondern jedem einzelnen Element eine eigene Identität zuzuweisen – eine Identität, die mehr ist als eine Nummer oder ein Etikett. Sie ist der digitale Fingerabdruck des Materials. Sie steht für die Authentizität und die eindeutige Zuordnung der Informationen zum Baustoff und gewährleistet die notwendige Übereinstimmung aller Informationen mit dem physischen Element. Ohne sie verlieren selbst hochwertige Baustoffe wie Stahlträger, Holzstützen oder Fassadenelemente an Wert. Nicht, weil sie unbrauchbar sind, sondern weil ihre Eigenschaften unbekannt bleiben.
Bisherige Methoden zur Identifikation, wie QR-Codes oder RFID-Chips, sind unzureichend: Sie können verloren gehen, manipuliert werden oder sind schwer zugänglich. Gerade für Urban Miner, die Baustoffe für die Wiederverwendung sichern wollen, ist das eine entscheidende Hürde. Denn von der Herstellung über die erste Nutzung bis zum Rückbau vergehen oft viele Jahre. Eine Zeit, in der die Nutzung von Gebäuden variiert und äußere Einflüsse auf die verbauten Materialien den Grad der Wiederverwendung beeinflussen.
Geht man sogar davon aus, dass sich die Kreislauffähigkeit nicht nur auf die einmalige Wiederverwendung beschränkt, sondern auch die Nutzung über mehrere Lebenszyklen umfasst, erscheint eine Identifikation über aufgebrachte Codes oder Chips als unzureichend.
Die Antwort liegt in den Materialien selbst. CMID – Component & Material Identity – nutzt die einzigartigen Oberflächenstrukturen von Baustoffen, um eine fälschungssichere Kennung zu erzeugen. Diese Materialidentität funktioniert wie ein Fingerabdruck und bleibt über den gesamten Lebenszyklus hinweg und weit darüber hinaus erhalten. Schnell und vollautomatisch wird jeder Balken, jede Platte oder jeder Ziegel bereits in der Produktion erfasst oder kann nachträglich mit einer Identität versehen werden.
Einmal vergeben, lassen sich diese Identitäten mit einer einfachen Kamera, etwa einem Smartphone, in Echtzeit abrufen. Ob auf der Baustelle, im Handel oder beim Rückbau – Inhaltsstoffe, Zertifikate und Verarbeitungshinweise sind sofort zugänglich. Gleichzeitig ermöglicht das System eine kontinuierliche Dokumentation des Materialzustands, wodurch die Wiederverwendung planbarer und wirtschaftlicher wird. Der Materialwert bleibt erhalten und kann durch die mögliche Zuordnung, etwa zur CO₂-Bilanzierung, potenziell sogar gesteigert werden.
Das Material als Teil der Antwort.
Mehr als nur Transparenz – Ein Paradigmenwechsel für die Bauwirtschaft.
Die Vorteile einer gesicherten Material-Identität sind vielfältig. Hersteller und Bauherren können Materialströme effizienter steuern, gesetzliche Anforderungen leichter erfüllen und Nachhaltigkeitsstrategien nicht nur formulieren, sondern auch nachweisbar umsetzen. Die Bewertung von Gebäuden und der verwendeten Baustoffe wird verlässlicher und der nachweisbare Wert wiederverwendeter Materialien wird für Nutzer und angegliederte Branchen wie Versicherungen und Investoren besser nachvollziehbar.
Die eigentliche Frage ist daher nicht, ob Materialien eine Identität brauchen – sondern warum sie bisher keine hatten. In einer Zeit begrenzter Ressourcen und steigender Umweltanforderungen bietet eine Material-Identität wie von CMID eine entscheidende Entwicklung: Materialien werden zu Trägern von Wissen, ihre Wiederverwendung wird zur Norm, und der Bauwirtschaft gelingt die Transformation von einer linearen zu einer zirkulären Branche.
Marcel Winter, Architekt und Co-Founder von CMID – Component & Material Identity. Mit einem starken Interesse an zukunftsfähigen Bauweisen und Kreislaufstrategien treibt er innovative Ansätze in der Baubranche voran. Studium der Architektur an der TU München und an der ETH Zürich. Engagiert sich als Gastkritiker und Autor zu nachhaltigem Bauen.
Benedikt Bühle, Architekt, Dipl.-Ing. TU München und Co-Founder von CMID – Component & Material Identity. Seine Erfahrung und sein Wissen in der Realisierung komplexer Bauprojekte nutzt er, um nachhaltiges und zirkuläres Bauen voranzutreiben. Er setzt sich für eine ökologische und sozial gerechte «Bauwende» ein.
Zirkuläres Bauen
Mit Beiträgen von
1. Gerhard G. Feldmeyer
Architect, Climate Responsible Strategies, Botschafter Madaster Foundation
2. baubüro in situ AG, Basel + denkstatt sàrl, Basel
3. Philipp Müller
Senior Sustainability Specialist bei Wicona
4. Markus Steppler
Geschäftsführer, Derix Gruppe
5. Simone Walser
Head of Innovation Management bei STRABAG Real Estate
Mit Beiträgen von
1. Kim Le Roux, Margit Sichrovsky & Wiebke Ahues
Architektinnen BDA & Partnerinnen LXSY, Berlin
2. Dr. Patrick Bergmann, Geschäftsführer
Madaster Germany GmbH
3. Prof. Dr. (Univ. of Florence) Elisabeth Merk
Stadtbaurätin von München
4. Thomas Bader
Geschäftsführer Leipfinger-Bader
5. Anastasiya Vitusevych
Senior Concept Development Manager, EDGE Technologies
Mit Beiträgen von
1. Manuel Ehlers
Teamleiter Nachhaltige Immobilien, Triodos Bank N.V.
2. Felix Rebers, Verena Brehm & Oliver Seidel
Cityförster architecture + urbanism
3. Sebastian Schels
Geschäftsführender Gesellschafter des Immobilienentwicklers RATISBONA Handelsimmobilien
4. Marcel Gröpler
Leitung Green Building, Lindner Group
5. Ephraim Wille
Kalkulator und Bodenmanager, Laarakkers Rückbau & Recycling GmbH