BAUEN NEU DENKEN
Digitalisierung/KI im Bauwesen

Teil 2

»Klug angegangen, bringt die Digitalisierung einen riesigen Schwung in die Branche. Wenn jeder am Bau Beteiligte sich klar macht, wie er/sie sich digital vernetzen und neu aufstellen kann, entstehen völlig neue Möglichkeiten des Miteinanders und des Bauens,« so die Autorin und Bauingenieurin Weber-Lewerenz im Interview mit dem KAP Forum.

Welchen Beitrag können Digitalisierung und KI leisten, um die Herausforderungen der Baubranche stemmen zu können, haben wir ganz unterschiedliche Köpfe aus der Baubranche gefragt: Architekt:innen, Immobilienwirtschaftler:innen, Projektentwickler:innen, Bauunternehmer:innen, Stadtplaner:innen, Wissenschaftler:innen.

Besonders zu erwähnen und interessant sind zudem die Antworten (auch im Vergleich) die Caspar Schmitz Morkramer dem KI-Chatbot „ChatGPT“ gestellt hat.

Mit Beiträgen von Caspar Schmitz Morkramer, Dr. Christian Schlicht, Petra Rinnenburger, Tilman Gartmeier, Inga Stein-Barthelmes, Sander van de Rijdt und Prof. Turadj Zarinfar.

Bauen neu denken!

 

1. Caspar Schmitz Morkramer
CEO, Gründer und Inhaber des Architekturbüros caspar.
Plus die Antworten von ChatGPT auf dieselben Fragen.
Foto: © AKIM photography

Wo liegen für Sie die Herausforderungen und Chancen von Digitalisierung und KI im Bauwesen, einer Branche, die sich bislang eher schwer mit dem Thema getan hat?

Als Teil des Gesamtvorstands der BIM-Allianz und als Gründungsmitglied von Madaster („Kennedy“) ist das Thema für unser Büro entscheidend. Anwendungsmöglichkeiten der Digitalisierung und KI sehe ich überall, vom Programming und Vorplanung über die Bauausführung bis hin zum Betrieb von Gebäuden. Ob und wie KI Entwurfs- und Bauprozesse nicht nur optimieren, sondern auch grundsätzlich verändern wird – das ist eine der großen Fragen.

Das Bauen ist stark fragmentiert, viele unterschiedliche Gewerke treffen aufeinander und müssen miteinander verbunden werden. Bei vielen Großprojekten haben wir in den letzten Jahren ein krachendes Scheitern erlebt.

Wir stehen am Anfang. Der Tag, an dem man auf den Knopf drückt, und fertig ist der Entwurf, ist weit entfernt. Wir sehen heute ja noch nicht einmal das Ende der BIM-Fahnenstange! Wir dürfen aus dem KI-Hype keine Hysterie machen. Wir Bildersüchtigen dürfen uns auch nicht vom großen Bildermacher KI verführen lassen. Auge, Intellekt, Emotion, Erfahrung – das bleibt bei uns. Architektur bleibt bei uns. Klar scheint aber: Je mehr Prozesse automatisiert und uns abgenommen werden, desto mehr wandelt sich unsere Rolle: mehr Prozessmanagement als -durch-führung, mehr Dirigent:in als Musiker:in.

Eine Hürde bei der Digitalisierung ist die Vielzahl und Heterogenität der Akteur:innen. Daher halte ich es für sinnvoll, analog zur BIM-Allianz möglichst viele davon zusammenzubringen und ihre diversen Bedürfnisse zu ermitteln. Anschließend gilt es gemeinsam – auch mit Forschungseinrichtungen und Softwarefirmen – vernetzte Lösungen für die Praxis zu entwickeln.

Wo stehen wir mit der Digitalisierung im Bauwesen? Was sind Hindernisse, was könnten Beschleuniger sein?

Wo kann die Digitalisierung konkret eingesetzt werden, und wie kann sie den Bauprozess insgesamt begleiten, besser vernetzen und weiter voranbringen?

BIM und damit verbundene Tools wie Madaster zeigen längst Digitalisierung in action! Hier werden Daten erfasst, verglichen, verschränkt, erzeugt – in einer Weise, die uns bislang unmöglich war. Doch die Entscheidungen, die der Datenverarbeitung folgen müssen, treffen wir. Wir sind es, die am Anfang und am Ende des Prozesses sitzen: vorm Computer nämlich. BIM bereitet unser Handeln vor. Aber wir sind es, die das Vorbereiten vorbereiten.

Vergleichen wir BIM-Prozesse mit dem Fallen von Dominosteinen, sind es in diesem Bild immer noch wir, die die Steine aufbauen. Wenn wir einen Stein falsch setzen (oder einen falschen Stein nehmen), läuft der Prozess falsch oder gar nicht. Hier wird KI auf BIM aufsatteln: KIBIM würde vor Prozessbeginn falsch gewählte oder platzierte Steine erkennen und eigenständig korrigieren. KIBIM könnte auch die Form der Domino-Schlange verändern, solange es weiß, wo und warum sie laufen soll. KIBIM würde sich selbst füttern und aktiv Prozessmodelle prüfen, reparieren, verbessern. Es bereitet das eigene Handeln vor.

So könnten aus Prozessmodellen Entwürfe werden und aus metaphorischen Dominosteinen real geplante Bau-Steine. Die Anwendungen solcher Kompetenz wären umfassend. Neben Entwurfs-Arbeit wird u.a. an der Modell-Erstellung geforscht, z.B. an der Verwandlung von Point Clouds in BIM-Modelle, am Echtzeit-Abgleich zwischen Plan und Ausführung auf der Baustelle oder am sich selbst managenden Gebäude.

KI-Anwendungen müssen denselben Regeln unterworfen sein wie menschliche. Es muss immer Korrektive, Kontrollen, Kritik geben. Sie sollten außerdem nach ESG-Maßgaben operieren; aus heutiger Sicht muss ihr Zweck vor allem die CO2-Emissionsreduktion sein.

Eine Herausforderung liegt darin, sich vor Monopolisierung zu schützen. BIM – und erst recht KI! – muss in Kollaboration und Transparenz entwickelt und angewendet werden. Von allen, für alle. Das zeigt unsere Arbeit in der BIM-Allianz, die auf Open-BIM beharrt. Die Allianz lebt durch, von und mit kritischem Austausch und aktiver Kollaboration im Sinne des besten Ergebnisses und nicht im Sinne einer bestimmten Anwendung. Die Open-Source-Haltung ist so alt wie kommerzielle Software selbst – und wichtiger denn je.

Technik ist nie neutral und wertfrei. Welche Werte und Regeln sollten mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden?

Antworten von ChatGPT auf dieselben Fragen:

Frage 1

Die Herausforderungen der Digitalisierung und KI im Bauwesen liegen unter anderem in der Integration von neuen Technologien in traditionelle Arbeitsprozesse, der Datensicherheit und dem Datenschutz, der Qualifikation und Schulung von Mitarbeitern sowie der Interoperabilität verschiedener Systeme.

Die Chancen von Digitalisierung und KI im Bauwesen liegen in der Optimierung von Planungs- und Bauprozessen, der Verbesserung von Arbeits- und Sicherheitsbedingungen auf der Baustelle, der Steigerung der Effizienz und Produktivität sowie der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und -felder. Außerdem können durch den Einsatz von KI neue Erkenntnisse und Lösungen bei der Planung, Konstruktion und Wartung von Bauwerken gewonnen werden, die zu einer höheren Qualität und Nachhaltigkeit führen.

Im Bauwesen sind wir in Sachen Digitalisierung noch in einem vergleichsweise frühen Stadium, wenn man es mit anderen Branchen vergleicht. Das liegt zum Teil daran, dass die Bauindustrie sehr fragmentiert ist und viele unterschiedliche Gewerke und Akteure zusammenkommen müssen, um ein Projekt zu realisieren. Eine einheitliche Datenstruktur und Interoperabilität von Systemen sind hierbei entscheidend.

Ein weiteres Hindernis für die Digitalisierung im Bauwesen sind oft hohe Investitionskosten in Technologien und Software, die sich nicht sofort auf die Rentabilität eines Projekts auswirken können. Hier können mögliche Förderungen und Anreize für Unternehmen und Investoren ein Beschleuniger sein.

Eine Herausforderung ist auch die Akzeptanz und das Verständnis für die neuen Technologien und Systeme bei den beteiligten Akteuren im Bauwesen. Es braucht Schulungen und Training, um die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse zu erwerben.

Ein weiterer Beschleuniger kann sein, dass Bauherren und Investoren verstärkt auf digitale Technologien setzen, um Kosten- und Zeitersparnisse zu realisieren. Insgesamt ist ein Umdenken und eine stärkere Öffnung für die Digitalisierung im Bauwesen notwendig, um die Chancen, die sich durch den Einsatz von Technologie und KI ergeben, voll auszuschöpfen.

Frage 2.1

Frage 2.2

Die Digitalisierung kann in nahezu allen Bereichen des Bauprozesses eingesetzt werden. Einige konkrete Beispiele sind:

1. Planung und Entwurf: Durch den Einsatz von BIM (Building Information Modeling) können digitale Modelle erstellt werden, die alle relevanten Daten und Informationen enthalten und somit eine bessere Planung und Koordination ermöglichen.
2. Baustellenvorbereitung und Logistik: Digitale Tools wie 3D-Scanning, Drohnen oder Geoinformationssysteme können zur Baustellenvorbereitung und Logistik eingesetzt werden, um beispielsweise die topografischen Bedingungen zu erfassen, den Materialbedarf zu ermitteln und die Transportwege zu optimieren.
3. Bauausführung: Durch den Einsatz von IoT (Internet of Things) können Baumaschinen und Geräte vernetzt und überwacht werden, was zu einer höheren Effizienz und Sicherheit auf der Baustelle führen kann. Außerdem können durch den Einsatz von Robotik und 3D-Druck auch bestimmte Bauarbeiten automatisiert werden.
4. Projektmanagement und Controlling: Digitale Plattformen und Softwarelösungen können das Projektmanagement und Controlling unterstützen, indem sie beispielsweise die Budgetierung und Kostenkontrolle, die Dokumentation und die Kommunikation zwischen den Beteiligten erleichtern.

Insgesamt kann die Digitalisierung dazu beitragen, den Bauprozess effizienter, sicherer und nachhaltiger zu gestalten, indem sie beispielsweise Materialverschwendung reduziert, die Kommunikation und Koordination verbessert und die Qualität der Arbeitsergebnisse steigert.

Die Werte und Regeln, die mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden sollten, sind unter anderem:

1. Transparenz: Die Entscheidungen, die auf Basis von KI getroffen werden, sollten nach-vollziehbar und transparent sein.
2. Datenschutz und Datensicherheit: Der Schutz der Daten, die im Zusammenhang mit der Nutzung von KI erhoben und verarbeitet werden, sollte gewährleistet sein.
3. Ethik und Verantwortung: KI-Systeme sollten ethischen Grundsätzen entsprechen und die Verantwortung für ihre Anwendung und ihre Auswirkungen sollte bei den Entwicklern und Nutzern liegen.
4. Partizipation und Mitbestimmung: Diejenigen, die von KI betroffen sind, sollten in den Entwicklungs- und Entscheidungsprozess einbezogen werden.
5. Nachhaltigkeit: Der Einsatz von KI sollte auch im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte bewertet und gestaltet werden.

Insgesamt geht es darum, die Chancen und Potenziale von KI und digitalen Arbeitsmethoden zu nutzen, ohne dabei grundlegende Werte und Regeln zu vernachlässigen oder zu verletzen.

Frage 3

Caspar Schmitz-Morkramer, CEO, Gründer und Inhaber des Architekturbüros caspar. Studium der Architektur an der RWTH in Aachen und der TU Berlin. Erste Arbeitserfahrungen gewann er bei Murphy/Jahn (Chicago) und Renzo Piano (Genua). 2019 ging sein Architekturbüro caspar. aus der 2004 gegründeten Büropartnerschaft meyerschmitzmorkramer hervor. Die Arbeit von Caspar Schmitz-Morkramer und seinem Büro wurden mit zahlreichen Preisen gewürdigt. Darunter die zweifache Auszeichnung für das Projekt Abtei Michaelsberg mit den renommierten MIPIM Awards.

 

 

2. Dr. Christian Schlicht
Präsident bei CoreNet Global.
Foto: © Anna-Lena Ehlers

Wo liegen für Sie die Herausforderungen und Chancen von Digitalisierung und KI im Bauwesen, einer Branche, die sich bislang eher schwer mit dem Thema getan hat?

Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die nachhaltige Transformation im Immobiliensektor verschieben die baulichen Aktivitäten weg vom Neubau hin zum Bestand mit entsprechender Lebenszyklusbetrachtung. Das Bauen im Bestand ist meiner Ansicht nach die Champions League, aufgrund der heterogenen Ausgangslage und Umsetzung im laufenden Betrieb. Ein Evergreen ist nach wie vor die Herausforderung der fehlenden Schnittstellen zwischen: Planen – Bauen – Betreiben. In der Umsetzung sind die einzelnen Silos der jeweiligen Gewerke nach wie vor omnipräsent.

Vielfach herrschen hier, trotz der vorhandenen technischen Möglichkeiten, Blindflug und Diskrepanz zwischen “as planned” und “as built”. BIM und digitale Zwillinge sind noch wenig etabliert, da der Nutzen nicht allen Beteiligten, aufgrund der verschiedenen Motivationen, klar ist. Dies zeigt sich in wiederkehrenden Fehlern bei prominenten und weniger prominenten Beispielen in der gesamten Republik, aufgrund mangelnder Fehlerkultur, Perfektionismus sowie bewusster Intransparenz.

Große Chancen sehe ich im Aufbau digitaler Ökosysteme entlang des Lebenszyklus, in den alle Akteure gleichermaßen Daten und Informationen einzahlen und die Akteure sich für Ihre jeweiligen Fragestellungen auch wieder bedienen können (bspw. für ein GRESB Report). (siehe hierzu LINK)

Stellen Sie sich das Ökosystem wie viele aneinanderhängende Aquarien vor, durch die alle das gleiche Wasser fließt. Das Wasser sind die Daten. Die Mieter sind z.B. die Fische im Aquarium. Die Wasserqualität verrät Ihnen, wie wohl sich die Fische im Aquarium fühlen. Stimmt die Wasserqualität, liegen also die Daten innerhalb eines Toleranzbereichs, sind die Fische gesund. Als Immobilieneigentümer sind sie jederzeit in der Lage, eine Wasserprobe zu nehmen und zu bestimmen, was sie tun müssen, damit sich die Mieter wohl fühlen.

Wir müssen verstehen, dass die aktuelle Intransparenz viele Taschen füllt, aber die Aquarien trübt hält. Es muss klar werden, wie Datenteilung funktioniert und dann gezielte Anreize aussehen.

Das Bauen ist stark fragmentiert, viele unterschiedliche Gewerke treffen aufeinander und müssen miteinander verbunden werden. Bei vielen Großprojekten haben wir in den letzten Jahren ein krachendes Scheitern erlebt.

Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen weist die Bauwirtschaft einen geringen Reifegrad auf, da u.a. das langlebige Wirtschaftsgut Immobilie nicht lebenszyklusorientiert verstanden wird. Als Beschleuniger sehe ich, wenn ich die Sektoren vergleiche, die Erhöhung der Kollaboration- und Kooperationsbereitschaft der involvierten Parteien, um systematisch davon wegzukommen, immer wieder das Rad neu zu erfinden. Die damit verbundenen Hindernisse liegen in den unterschiedlichen Zielen und Interessen der jeweiligen Akteure, die nach wie vor sehr opportunistisch agieren. Es braucht gezielte Anreize-Systeme und ein durchgängiges Verantwortungsbewusstsein, das Stand heute im Lebenszyklus nur schwer durchgängig einzuhalten, wenn z.B. A die Immobilie baut, sie an B verkauft, B dann C mit dem Facility Management (FM) und D mit Property Management (PM) beauftragt, E, F, G, H und I sie mieten und J sie finanziert hat.

Gemäß Art 14 GG “Eigentum verpflichtet” sehe ich die Schlüsselposition hier bei den Eigentümerinnen und Eigentümern, um diesen Systemwandel zu vollziehen und die o.g. Ökosysteme vital zu halten.

Wo stehen wir mit der Digitalisierung im Bauwesen? Was sind Hindernisse, was könnten Beschleuniger sein?

Wo kann die Digitalisierung konkret eingesetzt werden und wie kann sie den Bauprozess insgesamt begleiten, besser vernetzen und weiter voranbringen?

Sinnvollerweise setzt die Digitalisierung bereits in der Planungs- und Bauphase ein, um den gesamten Lebenszyklus der Immobilien zu betrachten. Sie hilft allen Protagonisten mit Hilfe von BIM, AR/VR-Technologie die wechselseitigen Abhängigkeiten aufzuzeigen, um mögliche Implikationen zu prognostizieren. Von der richtigen Standort-Auswahl (Risikobewertung mittels KI, etc.) über die Baufortschrittskontrolle durch Robotics und Drohnen, sowie das Bauprojektmanagement durch mobile Anwendungen, kann die rechtzeitige Einbindung, Kommunikation und Vernetzung aller Beteiligten sichergestellt werden. Die saubere Übergabe und Dokumentation für das Life Cycle Management im Betrieb ist hierdurch möglich. Zudem kann die Bau- & Immobilienwirtschaft durch die Digitalisierung die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft, durch z.B. Material-Kataster (C2C: Cradle-to-Cradle, ESG, etc.), ermöglichen. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Digitalisierung keine organisatorischen oder strukturellen Defizite löst, sondern nur unterstützender Natur ist!

Hier muss ich widersprechen. Technik bzw. Tools sind per se wertfrei und neutral. Wenn ich einen Hammer habe und damit einen Kuchen backen soll, hat er keinen Wert für mich. Wenn ich hingegen damit meine Gartenlaube zusammenzimmere, dann schon. An sich ist der Hammer wertlos. Der Wert entsteht erst durch den Menschen, der ihm einen Wert beimisst. Genauso gibt der Kontext den Daten und Informationen erst einen Wert.
Da künstliche Intelligenz und digitale Arbeitsmethoden zunehmend in unseren Alltag integriert werden, ist es genauso wichtig, dass sie von ethischen Werten, praktischen Mehrwerten und Prinzipien geleitet werden. Hier einige Werte und Regeln, die mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden sollten: Transparenz, Fairness, Datenschutz, Sicherheit, Verantwortung und Nachhaltigkeit. Es ist essentiell, dass wir als Gesellschaft eine breite Diskussion darüberführen, welche Werte und Prinzipien mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden sollten, um sicherzustellen, dass diese Technologien im Einklang mit unseren ethischen und moralischen Standards stehen (siehe hierzu EU-Leadership).

Fazit: Wir müssen schnell raus aus den Silos sowie der Einzeloptimierung und rein in die Synchronisation der einzelnen Gewerke und Lebenszyklusphasen, um den großen Wurf zu schaffen und entsprechend Mehrwerte zu stiften.

Technik ist nie neutral und wertfrei. Welche Werte und Regeln sollten mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden?

Dr. Christian Schlicht ist Präsident bei CoreNet Global und steht dem Chapter Central Europe vor. Der promovierte Wirtschaftsingenieur mit einem Faible für komplexe Projekte agierte bis zum erfolgreichen Exit im April 2022 als CEO & Gründer der REGUL.AI. Zuvor war er über ein Jahrzehnt lang bei der Würth für das Corporate Real Estate Management sowie sechs Jahre als Director für Center Management und Facility Management bei ECE-Projektmanagement zuständig. Aktuell ist er beratend an der Schnittstelle zwischen Immobilien, Technologie und Nachhaltigkeit tätig. Mit Beyond Tech startet er derzeit eine neue Geschäftsidee.

3. Petra Rinnenburger
Technische Betriebsleiterin Gebäudewirtschaft der Stadt Köln.
Foto: © Stadt Köln / Martina Goyert

Wo liegen für Sie die Herausforderungen und Chancen von Digitalisierung und KI im Bauwesen, einer Branche, die sich bislang eher schwer mit dem Thema getan hat?

Deutschland ist „gebaut“. Das heißt, dass die überwiegende Zahl der Gebäude durch eine weitgehend analoge Plansicht geprägt ist. Neubauten in BIM zu planen ist daher wesentlich einfacher als im Bestand das Basisdatenmodell erstellen zu lassen und dann damit weiterzuarbeiten. Wir haben in unseren Pilotprojekten festgestellt, dass hier die Erfassungen nicht schnell in BIM zu überführen waren. Energetische oder gar nachhaltige Datensätze sind kaum bis gar nicht vorhanden. Sie zu erfassen, ist eine Dekadenaufgabe. Eine Riesen-Chance ist eine konsequente Übernahme der Datenmodelle und Equipment-Informationen in den Betrieb.

Digitale Planung ist kein Allheilmittel, das den Erfolg bei der Umsetzung von Großprojekten garantieren könnte. Sie kann nur einer der Erfolgsfaktoren sein. Bauprojekte werden – alleine durch die notwendigen Fachbeteiligten – immer eine intensive Abstimmung und Kommunikation in allen Leistungsphasen benötigen. Sind die Planungen in die Ausführungsplanung und im Weiteren in die Werk- und Montageplanung übernommen worden? Wurden die Kollisionen stringent beobachtet, Lösungen erarbeitet und auch ihnen entsprechend gebaut? Es bedarf einer kontinuierlichen Überwachung aller Prozesse und dies nicht nur in der (digitalen) Planungsphase, sondern auch wenn gebaut wird. Je mehr Schnittstellen in der Planung eines Datenmodells schon „vorausgesehen“ und „geheilt“ werden konnten, umso besser können für die Bauzeit deutliche und einvernehmliche Vorgaben gemacht werden.

Das Bauen ist stark fragmentiert, viele unterschiedliche Gewerke treffen aufeinander und müssen miteinander verbunden werden. Bei vielen Großprojekten haben wir in den letzten Jahren ein krachendes Scheitern erlebt.

Wo stehen wir mit der Digitalisierung im Bauwesen?

Das ist nicht pauschal zu beantworten, weil viele Planungsbüros schon mit digitalen Tools arbeiten. Für viele kleinere Handwerksbetriebe und Ingenieurbüros ist ein Invest in eine offene Softwarelandschaft jedoch eine schwierige oder gar unlösbare Herausforderung. Der Mehrwert muss in Form von Synergien für alle Beteiligten erkennbar werden. Bei der Planung und Überwachung der Ausführung mit dem Ipad für die einen. In Form von weniger Dokumentationsarbeit bei der Abnahme und (Daten-)Übergabe, weil idealerweise alle Informationen bereits in der Werk- und Montageplanung enthalten sind, für die nächsten. Und mit den kompletten Berechnungsdaten aller technischen Anlagen für alle denkbaren Simulationen bis hin zum Rückbau und der Nachverfolgung der zurückgebauten Bau-/Rohstoffe.

Größte Herausforderung aus unserer Sicht sind fehlende Standards. Gerade der öffentliche Bauherr hat durch seine Regelung, in „Big open BIM“ zu arbeiten, ein riesiges „Spielfeld“ geöffnet. Dies könnte auch noch, je nach Bauherr, variieren, also immer neue Anwendungsfälle nötig machen. Sicherlich stellt auch das Verhältnis von Personalressourcen zur Menge der zu erfassenden Bestandsbauten und/ oder Pflege neu geplanter BIM-Modelle eine riesige Herausforderung dar. Bereits jetzt können wir aus unseren abgeschlossen Projekten erkennen, dass die Datenmodelle quasi täglich an Aktualität verlieren, da eine kontinuierliche Anpassung bei Änderungen nicht leistbar ist, auch qua notwendiger Zusatzqualifizierung aller Projektbeteiligten. Abgesehen davon, gibt es nach wie vor keine klaren Vorgaben dazu, welche Leistungsdaten und/ oder Rechenmodelle zur Anlagentechnik zum Modell gehören bzw. gehören dürfen.

Was sind Hindernisse?

Was könnten Beschleuniger sein?

Schnellstmögliche Standard-Vorgaben als Regelvorgabe fürs öffentliche Bauen könnten Anwendungsfälle vereinheitlichen und für alle Projektbeteiligten schneller erlernbar und umsetzbar machen. Die Hoch- und Berufsschulen hätten damit eine handhabbare Vorgehensweise für ihre Lehrpläne und könnten gezielter unterstützen. Nur so wäre zu spürbar, dass Digitalisierung tatsächlich beschleunigt – wie etwa bei Genehmigungsverfahren – was wiederum Akzeptanz bei vielen Auftraggebern schaffen würde.

Wo kann die Digitalisierung konkret eingesetzt werden und wie kann sie den Bauprozess insgesamt begleiten, besser vernetzen und weiter voranbringen?

Massendaten und/oder Regeltermine könnten automatisiert ausgewertet und in die Bearbeitung überführt werden. Umbauten und Wartungen könnten sehr weitreichend am Datenmodell vorbereitet und simuliert werden und so für noch mehr Nachhaltigkeit sorgen.

Technik ist nie neutral und wertfrei. Welche Werte und Regeln sollten mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden?

So viel Offenheit wie möglich, so viel Orientierung wie nötig.

Petra Rinnenburger, Dipl.-Ing. und Architektin AKNW, Studium in Saarbrücken, viele Jahre eigenverantwortlich für große öffentliche Auftraggeber gebaut, bevor sie zur Gebäudewirtschaft kam. Seit 2012 bei der Stadt Köln tätig (Gebäudewirtschaft). Ab April 2014 Geschäftsführende Betriebsleiterin der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln; ab 2018 Mitglied der Geschäftsführenden Betriebsleitung und Technische Betriebsleiterin; seit mehr als 25 Jahren in der Bauverwaltung tätig, vorher Land NRW (BLB NRW). Langjährige Erfahrung in der Steuerung technischer und strategischer Bauprojekte der öffentlichen Hand. Koordination und Schnittstellenmanagement großer technischer und strategischer Projekte. Langjährige Zusammenarbeit mit Bundes- und Landesbehörden und in der kommunalen Verwaltung. Begleitung und organisatorische Neuausrichtung öffentlicher Verwaltungen.

4. Tilman Gartmeier
Gründer und Vorsitzender der Geschäftsführung der Cube Real Estate GmbH
Foto: © Stefan Gatzke

Wo liegen für Sie die Herausforderungen und Chancen von Digitalisierung und KI im Bauwesen, einer Branche, die sich bislang eher schwer mit dem Thema getan hat?

Baustellen, Grundstücke und Projekte sind jedes Mal unterschiedlich. In Zuschnitt, Größe, Abhängigkeiten zu den Nachbarn, Bebaubarkeit & Co. Somit systematische Ansätze zu verfolgen und umzusetzen, ist nicht einfach. Ich sehe aber Chancen in der Digitalisierung der Baustelle vor Ort, bspw. durch Roboter -automatisierte Spritzguss- oder Drucktechnik im Rohbau. Durch Fertigungsroboter für großflächig sich wiederholende Leistungen, bzw. Gewerke, wie bspw. Fassadenbau, Maler- und Bodenbelagarbeiten.

Das Bauen ist stark fragmentiert, viele unterschiedliche Gewerke treffen aufeinander und müssen miteinander verbunden werden. Bei vielen Großprojekten haben wir in den letzten Jahren ein krachendes Scheitern erlebt.

Wir stehen definitiv im Bauwesen – also überall dort, was nach der Schreibtischarbeit passiert – noch am Anfang in Punkto Digitalisierung. Die letzten Jahre der positiven Marktentwicklung haben die Weiterentwicklung in meinen Augen sogar noch gehemmt, denn oftmals war weder Innovation noch bessere Leistung für das Mehrergebnis notwendig, sondern schlichtweg nur Zeit, Mut oder einfach die Bereitschaft abzuwarten. Nun, in der aktuellen Marktphase, müssen sich die Teilnehmer wieder stärker um Konkurrenzfähigkeit, Kostenreduktion und vor allem um Innovationen bemühen.

Wo stehen wir mit der Digitalisierung im Bauwesen? Was sind Hinternisse, was könnten Beschleuniger sein?

Wo kann die Digitalisierung konkret eingesetzt werden und wie kann sie den Bauprozess ingesamt begleiten, besser vernetzen und weiter voranbringen?

Der Begriff BIM ist ein Wort, das viel verwandt aber wenig verstanden wird. Als integrales Gebäudeplanungssystem will es über mehrere Planungsdisziplinen hinweg einen digitalen 3D Plan schaffen, an dem revisionssicher und disziplinunabhängig gearbeitet werden kann. Schaffen wir es, das in der breiten Masse zur Regel werden zu lassen, ist mit Sicherheit ein großer Schritt getan, der vor allem Fehler frühzeitig vermeidbar macht und die Basis für strukturiertes und systematisiertes Ausführen, vielleicht auch bald durch Unterstützung von Robotern und dergleichen ermöglicht.

Ich sehe aber auch große Chancen in der Anwendung von künstlicher Intelligenz auf die Planung: alleine welche Unterschiede und damit welche Effizienzen oder andersherum Ineffizienzen sich zwischen zwei statischen Tragsystemen für ein und das gleiche Haus entdecken lassen (was auch in der Praxis geschieht), zeigt, dass ein mathematischen Minimierungssysteme in Punkto verplantem Material -und damit auch Kosten- mit Sicherheit Chancen für Verbesserung haben könnte. KI gesteuerte (Fach-)planung, bzw. hier Tragwerksplanung sozusagen.

Ich denke, dass wir in unserer Branche vor allem den Blick auf ressourcenschonendes, sowie kostenoptimiertes Vorgehen legen sollten, nicht mehr. Unter der Voraussetzung, dass Design, Architektur & Gestaltung weiterhin in Menschenhand bleibt.

Technik ist nie neutral und wertfrei. Welche Werte und Regeln sollten mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden?

Tilman Gartmeier, Gründer und Vorsitzender der Geschäftsführung des Leverkusener Projektentwicklers Cube Real Estate GmbH. 2013 Abschluss des Bachelor of Science mit Schwerpunkt Real Estate an der European Business-School und zeitgleich die Unternehmensgründung. Mit einem inzwischen 100-köpfigen Team mit Fokus auf kompakten Wohnraum sowie Quartiers- und Baulandentwicklung Cube Real Estate hat sich das Unternehmen am Markt erfolgreich etabliert.

5. Inga Stein-Barthelmes
Geschäftsführerin der planen-bauen 4.0 GmbH
Foto: © planen-bauen 4.0 GmbH

Wir werden in Zukunft digital Bauen: Prozesse ändern sich!

Wir sind längst in einer digitalisierten Welt angekommen. Die Digitalisierung betrifft nicht mehr nur klassische IT-Unternehmen, sondern Unternehmen quer durch sämtliche Branchen und Sektoren. Neue oder veränderte Geschäftsmodelle entstehen: Autos werden per App geteilt, Sprachen werden online gelernt und Musik wird gestreamt. Diese Entwicklung ist in der Baubranche eher langsam. Zwar werden auch im Bauwesen für die Planung, Errichtung und den Betrieb von Bauwerken digitale Werkzeuge eingesetzt, der Grad der Weiternutzung einmal erzeugter digitaler Informationen bleibt jedoch weit hinter den anderen Branchen zurück. Viel zu häufig gehen wertvolle Informationen verloren. Derartige Informationsbrüche treten über dem gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg auf: Angefangen bei den verschiedenen Phasen der Planung, über die Ausführung und die lange Phase der Bewirtschaftung bis hin zum Um- bzw. Rückbau des Bauwerks.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung innovativer digitaler Techniken sind durchgängige Informationsflüsse, Daten und Prozesse. Dafür benötigen wir verlässliche und allgemein zugängliche Standards. Mindestens ebenso wichtig sind jedoch Kooperation, integriertes Arbeiten und Partnerschaft. Die Digitalisierung kann die Trends der Zukunft und somit das Bauen voranbringen und zu einer enormen Effizienzsteigerung führen. Ein Umdenken muss stattfinden und somit ein Kulturwandel in der Welt des Bauens. Baukultur neu denken. In Prozessen:

Zukünftig muss die Orientierung aller Bau- und Instandhaltungsprozesse eines Bauwerks an seinen Lebenszyklus ausgerichtet werden. Denn, Bau- und Instandhaltungsprozesse werden immer komplexer. Viele verschiedene Sektoren werden viel früher in die Planungs- und Konstruktionsprozesse einbezogen, wie beispielsweise erneuerbare Energien als tragende Säule der Energiewende. Betreibermodelle, eingesetzt über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks, gewinnen zunehmend an Bedeutung. So fließen künftig durch den Einsatz von Sensoren auch Informationsprozesse mit in die Planung ein. Hinzukommt, dass die zunehmende Parametrisierung der Planungsprozesse eine frühzeitige Berücksichtigung von Materialeigenschaften und Fertigungsverfahren in der Planung erlauben. Dafür sind vernetzte Informationsplattformen zu Material- und Herstellungsparametern nötig. Wenn alle Prozessketten durchgängig digitalisiert sind, dann können wir auch die Fertigung von Gebäuden und Infrastruktur beschleunigen. In der intelligenten Fabrik werden IT und Produktion mit Hilfe von cyberphysischen Systemen vernetzt. So können Maschinenbau und Bauindustrie Prozesssymbiosen eingehen, in denen Schnittstellen optimiert und die gemeinsame Prozesseffizienz verbessert werden. Es gibt bereits heute viele umsetzbare Lösungen und Innovationen, welche sofort umsetzbar sind, um Nachhaltigkeit langfristig und wirtschaftlich zu fördern.

Um BIM in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, hat die Wertschöpfungskette BAU die planen-bauen 4.0 GmbH gegründet. Die Gründung der Gesellschaft ist ein echter Meilenstein. Dass es gelungen ist, die Interessen eines so großen Wertschöpfungsbereiches der deutschen Wirtschaft auf ein gemeinsames Ziel „Zukunft zu gestalten“ zu verpflichten, ist historisch.

Inga Stein-Barthelmes, Dipl.-Volkswirtin. Studium an der Universität Potsdam. Bis März 2011 Referentin beim Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Abteilung Mittelstand und Familienunternehmen. Ab 2011 Referatsleiterin in der Bundesarchitektenkammer e.V., zuständig für nationale und internationale Wirtschaftspolitik sowie für den Verwaltungsbereich Finanzen. Ab 2012 zusätzlich die Übernahme der Position der Geschäftsführerin bei der D.A.V.I.D. GmbH, einer 100%igen Tochter der Bundesarchitektenkammer e.V. Im September 2018 Wechsel zum Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Dort Aufbau des Geschäftsbereichs Politik, Kommunikation und Presse. Seit Sept. 2021 Geschäftsführerin der planen-bauen 4.0 GmbH.

6. Sander van de Rijdt
Co-Founder + Co-CEO bei PlanRadar.
Foto: © PlanRadar

Wo liegen für Sie die Herausforderungen und Chancen von Digitalisierung und KI im Bauwesen, einer Branche, die sich bislang eher schwer mit dem Thema getan hat?

Der vergleichsweise niedrige Digitalisierungsgrad der Baubranche bietet viele Chancen. Es gibt in der Branche dadurch noch enormes Potenzial für Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung. Digitale Lösungen und KI werden Schlüsselfaktoren sein, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Produktivität zu verbessern, Kosten zu senken und Maßnahmen im Sinne der ESG-Kriterien umzusetzen. Gerade in Zeiten von Arbeitskräftemangel und steigender Inflation kann dadurch ein Wettbewerbsvorteil erzielt werden. Gleichzeitig sind die aktuellen Marktbedingungen eine Herausforderung für die Digitalisierung und es wird sich erst zeigen, in welchem Ausmaß Unternehmen weiterhin bereit sind, in die digitale Transformation zu investieren.

Das Bauen ist stark fragmentiert, viele unterschiedliche Gewerke treffen aufeinander und müssen miteinander verbunden werden. Bei vielen Großprojekten haben wir in den letzten Jahren ein krachendes Scheitern erlebt.

Obwohl die Digitalisierung auch nicht vor der Baubranche Halt macht und spätestens seit der Corona-Pandemie einen regelrechten Boost erlebt hat, setzen viele Unternehmen nach wie vor auf analoge Methoden im Baumanagement. Sie nutzen zum Beispiel Stift und Papier, um Mängel zu erfassen oder jonglieren mit unübersichtlichen Excel-Listen. Ein wichtiger beschleunigender Faktor sind daher sicherlich nutzerfreundliche Lösungen. Digitale Plattformen müssen einfach und intuitiv sein, um etwaigen Vorbehalten – die es nach wie vor gibt – entgegenzuwirken und innerhalb der Unternehmen Akzeptanz zu finden. Außerdem fehlt es oft noch an Know-how, das aber zum Beispiel bei der Anwendung künstlicher Intelligenz unbedingt notwendig ist.

Wo stehen wir mit der Digitalisierung im Bauwesen? Was sind Hindernisse, was könnten Beschleuniger sein?
Wo kann die Digitalisierung konkret eingesetzt werden und wie kann sie den Bauprozess insgesamt begleiten, besser vernetzen und weiter voranbringen?

Es gibt kaum einen Bereich in der Bau- und Immobilienwirtschaft, in dem digitale Technologien nicht eingesetzt werden können. Einer der wichtigsten Bereiche ist aber bestimmt die Kollaboration. An Bauprojekten sind meist viele Parteien beteiligt – transparente und effiziente Zusammenarbeit und Kommunikation sind daher essenziell, um nicht das Große und Ganze aus den Augen zu verlieren. Fehlende Zusammenarbeit und Datensilos führen ansonsten schnell zu Kostenexplosionen und jahrelanger Bauverzögerung. Digitale Lösungen wie PlanRadar können hier einen klaren Vorteil bringen, da sie Kommunikation auf einer zentralen Plattform zusammenführen und sicherstellen, dass alle mit den gleichen Informationen arbeiten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist sicher die Dokumentation. Vollständige, exakte und manipulationssichere Dokumentation der eigenen erbrachten Leistungen führt nicht nur zu einem großen Datenschatz, durch den beispielsweise Probleme frühzeitig erkannt und gelöst werden können, sondern dient auch als digitaler Audit-Trail für den Fall von Rechtsstreitigkeiten.

Was es beim Thema Digitalisierung und KI unbedingt braucht ist Verantwortung. Mit Software und KI werden große Datenmengen gesammelt, weshalb die Themen Datenschutz und IT-Security umso wichtiger werden. Die Verantwortung unseren Kundinnen und Kunden gegenüber sowie der Schutz sensibler Daten von Firmen oder Privatpersonen haben für uns höchste Priorität. PlanRadar etwa ist DSGVO-konform, ISO 27001-zertifiziert und wir führen regelmäßige Audits durch externe Experten durch, um stets die höchsten Sicherheitsstandards gewährleisten zu können.

Technik ist nie neutral und wertfrei. Welche Werte und Regeln sollten mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden?

Sander van de Rijdt ist Co-Founder und Co-CEO bei PlanRadar. Er verantwortet die Unternehmens- und Wachstumsstrategie sowie die Abteilungen Finanzen, HR, Legal und Administration. Vor PlanRadar gründete Sander bereits fünf andere IT-Unternehmen mit Geschäftsbetrieben in Europa, den USA, dem Nahen Osten und Zentralasien und begleitete sie von der Idee bis zum Wachstumsunternehmen, wobei er seine internationalen Erfahrungen als Unternehmensberater immer wirksam einsetzen konnte. Mehr über Sander.

7. Prof. Turadj Zarinfar
Geschäftsführender Gesellschafter, zarinfar GmbH.
Foto: © zarinfar GmbH

Wo liegen für Sie die Herausforderungen und Chancen von Digitalisierung und KI im Bauwesen, einer Branche, die sich bislang eher schwer mit dem Thema getan hat?

Bei größeren Bauprojekten kann die Vielzahl an Beteiligten eine große Herausforderung sein. Durch die Nutzung unterschiedlicher Soft- und Hardware und der zur Verfügung stehenden Mittel sind Interesse und Bereitschaft, neue, digitale Verfahren einzusetzen, heterogen ausgeprägt. Um gemeinsam digital an einem Projekt arbeiten zu können, sind aber auf allen Seiten kompatible Software mit entsprechenden Schnittstellen und bestimmten Anwenderkenntnissen notwendig. Digitale Anwendungen bieten Chancen für alle Projektbeteiligten. Verschiedene Optionen sowie Aufwand und Investitionsbedarf sind jedoch schwer zu überblicken. Da braucht es eine gute Beratung, die Orientierung gibt. Es ist auch wichtig, für eine gute Kommunikation aller Involvierten untereinander zu sorgen und das schon vor der Startphase. Wichtig ist, dass der Nutzen für alle überwiegt. Der besteht unter anderem in einer höheren Planungs- und Kostensicherheit.

Wir sehen Digitalisierung als Schüssel für nachhaltiges Bauen und einen gelingenden Klimaschutz im Bausektor. Zum Beispiel hilft die 3D-Modellierung, Ökobilanzen zu erstellen, und der Einsatz von Virtual Reality ermöglicht eine effizientere Bauplanung ab Leistungsphase 0.

Das Bauen ist stark fragmentiert, viele unterschiedliche Gewerke treffen aufeinander und müssen miteinander verbunden werden. Bei vielen Großprojekten haben wir in den letzten Jahren ein krachendes Scheitern erlebt.

Das Interesse am Einsatz von digitalen Methoden auf Bauherrnseite ist da, aber wir stehen nach wie vor eher am Anfang. Es wäre zielführend, sich auf bestimmte Normen und Standards zu einigen, etwa mit Blick auf Schnittstellen, Ablagen und den Austausch von Daten. Das ist noch unvollständig.

Auftraggeber brauchen eine fachliche Begleitung für ihr Bauprojekt. Digitalisierung beginnt mit der Frage „Welcher Grad der Digitalisierung macht im konkreten Fall überhaupt Sinn?“ und erst danach geht es um die zielgerichtete Implementierung und den Einsatz von entsprechenden Methoden und Tools.

Es braucht ein breites Schulungsangebot für Betriebe und Organisationen, um Mitarbeitende für neue Anwendungen weiter zu qualifizieren. Dazu die Anpassung von Ausbildungsberufen. An Hochschulen sollten Digitalthemen Teil der Ausbildung für Studierende in relevanten Fächern sein.

Wo stehen wir mit der Digitalisierung im Bauwesen? Was sind Hindernisse, was könnten Beschleuniger sein?
Wo kann die Digitalisierung konkret eingesetzt werden und wie kann sie den Bauprozess insgesamt begleiten, besser vernetzen und weiter voranbringen?

Es gibt Forschungen und erste Marktstudien zu KI. Beispielsweise haben TU und Stadt Wien gerade ein Forschungsprojekt beendet. Im Praxistest soll nun die Genehmigungsplanung durch eine KI vor der Prüfung durch das Personal der Baubehörde einen Check durchlaufen. Diese Bearbeitung des Bauantrags erleichtert Arbeitsprozesse und kann einer Kommune helfen, den Bauantragsprozess deutlich zu beschleunigen. Die ersten Ergebnisse sind verblüffend.

Ein weiteres Beispiel ist eine städtebauliche Studie, bei der die KI nach vorher festgelegten Kriterien alle erdenklichen städtebaulichen Entwürfe durchspielt und bewertet, um daraus die bestmöglichen Entwürfe abzuleiten.

Mit der BIM-Methodik lassen sich in der Theorie alle Daten über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks erfassen, verarbeiten und zwischen den Beteiligten austauschen.

Mit Virtual Reality können Bauprojekte ab der Vorplanung visualisiert werden. Durch Einbindung von Daten auf einer zentralen Plattform können alle Mitwirkenden Projektfortschritte jederzeit einsehen und in Echtzeit Terminfortschritte visuell verfolgen. Das hilft, Ausführungsqualitäten sicherzustellen, und bietet Abstimmungs- und Entscheidungshilfen im Projektverlauf.

In der Nutzungsphase kann mittels Sensorik über das Zusammenspiel von Nutzungsdaten und automatisierter Gebäudetechnik die Aufenthaltsqualität gesteigert werden. Das digitale Monitoring eines Gebäudes durch KI kann bei der Instandhaltung helfen. Das sorgt wiederum für mehr Planungs- und Kostensicherheit.

Der Einsatz von digitalen Arbeitsmethoden und KI wirft bestimmte Fragen auf. Es geht um Themen wie Datensicherheit, Urheberrechte oder Verantwortlichkeiten bei Haftungsfragen. Dafür braucht es klare Regeln und einen verlässlichen Rechtsrahmen. Der Einsatz von KI sollte immer Planungs-, Bau- und Betriebsprozesse unterstützen, ohne dabei das Individuum zu benachteiligen oder zu diskriminieren. Ein hoher ethischer Ansatz ist Grundvoraussetzung.

Technik ist nie neutral und wertfrei. Welche Werte und Regeln sollten mit dem Einsatz von KI und digitalen Arbeitsmethoden verbunden werden?

FH-Prof. Dipl.-Ing. Turadj Zarinfar, Jg. 1972, studierte Bauingenieurwesen an der Universität Dortmund. Von 1996 bis 2001 Bau- und Projektleiter bei zwei mittelständischen Bauunternehmen. 2002 Gründung der zarinfar GmbH in Köln, die sich seither auf die Beratung auf Bauherrenseite – insb. der öffentlichen Hand – spezialisiert hat. Turadj Zarinfar hat langjährige Erfahrungen als Dozent in den Bereichen Bau- und Immobilienmanagement und ist von der Ingenieurkammer NRW anerkannter „Beratender Ingenieur“. Er ist Professor für Bauprojektmanagement und Digitalisierung an der Fachhochschule Kärnten, Österreich.