Wenn wir alles richtig machen, steigt die Flächeneffizienz

Dr. Carl Friedrich Eckhardt, BMW-Konzernstratege für Nachhaltigkeit und Mobilität, über Parkdruck, Staus und Emissionen, Chancen und Wandel in der Stadt der Zukunft.

Mobilität war schon immer entscheidend für die Stadt. Was wird sich konkret tun in den nächsten Jahren?
Städte kämpfen seit Jahren mit Parkdruck, Staus und Emissionen und streben inzwischen zudem das Leitbild der Lebenswerten Stadt an, also bessere Lebensqualität und bessere Mobilitätsqualität gleichzeitig. Selbst kleinere Städte wie Oslo, Amsterdam oder Kopenhagen sind zwar progressiv, kämpfen aber auch noch mit Staus und Luftverschmutzung. Größere Städte tun sich dagegen nach wie vor schwer. Insgesamt kann man aber beobachten, dass Städte inzwischen mehr machen als nur Schadensbegrenzung. Das ist grundsätzlich gut.

Alle reden von der Smart City. Werden wir das Ende von Staus erleben und des Parksuchverkehrs?
Die Digitalisierung eröffnet für Städte die große Chance, Parkdruck und Staus zu eliminieren. Dafür müssen sie lediglich Qualitätsziele für den Parkraumsuchverkehr und den Verkehrsfluss definieren sowie ein System dynamischer und differenzierender Nutzungsentgelte etablieren. Wenn man die Bepreisung im Straßenverkehr richtig macht, verbessert sich die Mobilitätsqualität aller Modi, die Emissionen sinken und die Flächeneffizienz steigt. 

Experten schwärmen von multimodaler Mobilität. Fahren wir mit dem E-Roller zum E-Auto und erhalten gleichzeitig per Messenger ein Angebot für einen Wochenpass der U-Bahn?
Multi-Modalität grenzt sich von Mono- und Inter-Modalität ab, die sich alle auf das Mobilitätsverhalten beziehen. Mono-modal bewegt sich eine Person, wenn sie für alle Wege immer dasselbe Verkehrsmittel nutzt. Multi-modal bedeutet, dass sie für unterschiedliche Wege je nach Anforderungen oder Vorlieben flexibel unterschiedliche Fahrzeuge oder Mobilitätsangebote nutzt. Inter-Modalität heißt, dass sie für einen Weg mehrere Angebote kombiniert, also etwa mit dem E-Scooter zum E-Fahrzeug an einer Ladesäule fährt. Mit Blick auf Mobilität der Zukunft ist Multi-Modalität noch wichtiger als Inter-Modalität. Das Messenger-Beispiel fällt hingegen in die Kategorie Dual Use eines Mobilitätsangebotes.

Das Zauberwort lautet »Smart City«. Was genau steckt dahinter – vor allem, welche Chancen?
Eine Smart City bedeutet in Bezug uf Mobilität zweierlei: Erstens, dass Nachhaltigkeitsziele effizient und mit ohne nennenswerte politische Risiken erreicht werden. Insbesondere die Digitalisierung spielt diesbezüglich natürlich eine zentrale Rolle.

Dank digitaler Mobilitätsangebote ist es schon heute möglich, die durchaus heterogenen Mobilitätsbedürfnisse viel besser zu erfüllen als jemals zuvor und dabei zudem die Nachhaltigkeitsziele der Städte zu erreichen.

Zweitens, dass sich auch bei der Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien ein Paradigmenwechsel durchsetzt. Heute dominieren noch die Schadensbegrenzung und der Fokus auf bestimmte Maßnahmen oder Marktanteile des so genannten Umweltverbundes. Das hat aber nirgends auf der Welt zu Erfolgen geführt. Städte sind jedoch dann smart, wenn sie sich stattdessen auf Qualitätsziele und Rahmenbedingungen wie Preissteuerung und multi-/inter-modalen Wettbewerb konzentrieren. Dann werden die Ziele auf jeden Fall erreicht und die Bürger können gemäß der eigenen Fasson mobil sein.

Weniger Lärm, weniger Emissionen vor Ort. Macht Elektromobilität die Städte lebenswerter?
Auf jeden Fall sind E-Fahrzeuge ein wesentlicher Bestandteil nachhaltiger urbaner Mobilität. Ob auf zwei oder vier Rädern, ist dabei unerheblich. Sie stärken die Möglichkeiten, auch individuell auf nachhaltige und stadtverträgliche Art mobil sein zu können.

Wie werden E-Fahrzeuge klingen? Und wie werden sie unser Verständnis von Straße, Verkehr und Motoren verändern?
Keine Frage, der Straßenlärm wird sich reduzieren, je mehr elektrifizierte Autos in den Städten fahren. Vermutlich wird eine große Mehrheit der Menschen das als Fortschritt schätzen, selbst die Mehrheit der Autofahrer.

Bis wann rechnen Sie mit einem nennenswerten Anteil von E-Fahrzeugen in unseren Städten? Europa wird bei dieser Entwicklung wohl nicht führend sein, oder?
In Oslo kann man seit Jahren sehr gut beobachten, wie das Zusammenspiel von Fahrzeugangeboten und Rahmenbedingungen zu einem enormen Anstieg der E-Fahrzeuge in der Stadt führt. Inzwischen gibt es über 100 Fahrzeugmodelle mit E-Antrieb zu kaufen. Und das ist erst der Anfang. Allein die BMW Group wird 2023 insgesamt 25 elektrifizierte Modelle im Angebot haben. Und die E-Antriebe entwickeln sich weiter. Der European Green Deal sowie die stärkeren Klima-Ambitionen vieler Staaten und Städte werden der Elektromobilität in den kommenden Jahren sicher einen enormen Schub verleihen.

Sehen Sie neue Verbindungen zwischen Architektur und Fahrzeugen, eine, die über Elektrotankstellen auf der Straße, Garagen und Parkhäuser hinausgeht?
Die wichtigste Verbindung besteht in der Stadtplanung. Eine gleichermaßen auf Bürgerzentrierung und Flächeneffizienz getrimmte Verkehrsstrategie verbessert nicht nur die Mobilitätsqualität eines jeden Nutzersegments. Sie eröffnet zudem vielfältige Spielräume zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in öffentlichen Räumen.
Ich wünsche mir, dass Städte bei den bereits heute für den motorisierten Straßenverkehr nicht zugänglichen Flächen zeigen, was das bedeuten kann. Es gibt leider noch viel zu wenige Beispiele, welche Lust auf Mehr erzeugen.