Schaffen wir die Bauwende!?
Teil 1

Genau dieser Frage sind wir mit einer Umfrage nachgegangen. An Sonntagsreden und Bekundungen zum Klimawandel und zur Ressourcenschonung fehlt es gerade nicht. Hier besteht große Einigkeit.

Was passiert hier und heute real auf den Baustellen, bei Architekten und Bauschaffenden? Schaffen wir die Bauwende? – haben wir Architekten und Projektentwickler gefragt.

Eva Herr, Dipl.-Ing., MSc
Leiterin Stadtplanungsamt Stadt Köln

1. Welche Rolle spielt bei Ihnen die Transformation des Bauens?

Im Stadtplanungsamt muss man wohl eher von einer Transformation des Planens sprechen, aber auch hier passiert viel im Zusammenhang mit Klimawandel, Klimaanpassung und Ressourcenschonung. Ein gutes Beispiel ist das Kooperative Baulandmodell, was das Stadtplanungsamt verantwortet. Das Kernziel des Baulandmodells ist die Schaffung von gefördertem Wohnungsbau. Aber ein nicht unwesentliches „Nebenprodukt“ ist die umfassende Entsiegelung und die Realisierung neuer Frei- und Grünflächen, die das Baulandmodell vorgibt. Da viele Quartiersentwicklungen auf Konversionsflächen stattfinden, greift das Baulandmodell hier als faktisches Entsiegelungsprogramm und leistet einen wichtigen Beitrag zur stärkeren Begrünung der Stadt. Wir haben das Baulandmodell in diesem Jahr weiter aktualisiert. Ziel ist es, eine größere Bandbreite an Umsetzungsmöglichkeiten zu schaffen und Ablösebeiträge zukünftig auch für den Ausbau der gesamtstädtischen Grüngürtel zu nutzen. Damit wird das Baulandmodell noch wirksamer. Eine weitere Neuerung sind die Leitlinien Klimaschutz, die vor allem die energetischen Standards neuer Quartiere verbessern werden.

2. Wo liegen die realen Veränderungen, was behindert, was befeuert den Wandel?

Die Transformation kommt aus unterschiedlichen Richtungen. Zum einen fordern Bürger*innen und Initiativen dies ein, aber auch die Politik fällt entsprechende Beschlüsse. Schlussendlich gibt es aber auch Initiative innerhalb der Verwaltung, die erkannt hat, dass gerade im Planungs- und Baubereich große Möglichkeiten bestehen. Der Wandel wird vor allem dann beschleunigt, wenn alle an einem Strang ziehen.

3. Was muss passieren, damit es weiter voran geht?

Zum einen muss die Stadt als Vorbild vorangehen. Zum anderen kann Sie auf vielfältigste Weise auf Dritte Einfluss nehmen: Durch Anreizsysteme oder durch klare Vorgaben. Wichtig ist, sowohl den großen und lang angelegten Wurf nicht zu scheuen, aber auch die „Quick Wins“ mitzunehmen. Um Klimaziele auch bei langangelegten Stadtentwicklungs- und Infrastrukturmaßnahmen bis in die Realisierung zu begleiten, braucht es einen langen Atem. Ad-Hoc Lösungen und Experimente hingegen schaffen wichtige und schnell sichtbare Beiträge und dürfen daher nicht vergessen werden.

4. Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

Um beim vorangehenden Punkt zu bleiben: Die Stadt Köln packt die großen Langfristlösungen an, scheut aber auch nicht die Maßnahmen, die schnell und manchmal auch experimentell realisiert werden können.

Wichtige langfristige Maßnahmen sind die großen Stadtentwicklungsprojekte. Der Deutzer Hafen hat bereits für die Planung eine Vorzertifizierung in Platin von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) erhalten. Hier gilt es, die hohe Ambition auch in den kommenden Planungsschritten aufrecht zu halten. In der Parkstadt Süd wird auf heute versiegelter Fläche der Innere Grüngürtel weiter gebaut. Hier wird ein Freiraum geschaffen, der nicht nur für den Klimaschutz sondern auch für die Lebensqualität in der Stadt insgesamt eine erhebliche Bedeutung haben wird. Die Erweiterung des Grüngürtels geht ab Mitte der 2020er Jahre in die Umsetzung. Schon jetzt wird in frei werdenden Teilbereichen als Vorbote für den dauerhaften Park ein Pionierpark errichtet.

Neben diesen langfristigen Entwicklungsprojekten wird im Rahmen der Verkehrswende schnell und zügig reagiert: In kürzester Zeit wurden in kleineren Bereichen der Innenstadt Autostellplätze zu Fahrradstellplätzen oder Aufenthaltsflächen umgenutzt. Baumkübel schaffen ad hoc ein mehr an Grün, ohne größere Baustellen und Umbaumaßnahmen.

Eva Herr studierte Architektur in Weimar und Stadt- und Regionalplanung in Großbritannien. Nach beruflichen Stationen unter anderem in Großbritannien, Bremen und Hamburg leitet sie seit 2019 das Stadtplanungsamt in Köln. Das Stadtplanungsamt verantwortet unter anderem die Bauleitplanung sowie die planerische Steuerung der städtebaulichen Großprojekte Parkstadt Süd, Deutzer Hafen und Kreuzfeld. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Gestaltung öffentlicher Räume, unter anderem die Aufwertung der Domumgebung, die „Via Culturalis“ sowie die Umgestaltung des Ebertplatzes.

Andreas Kipar, Dott. Arch. Dipl.-Ing., Landschaftsarchitekt & Stadtplaner
Geschäftsführender Gesellschafter LAND srl

1. Welche Rolle spielt bei Ihnen die Transformation des Bauens?

Bei Bauträgern und Architekten – weniger auf Baustellen, wo zurzeit noch viele alte Projekte umgesetzt werden – setzt sich auf breiter Front neues Denken durch. Die wichtigsten Themenfelder sind Klimawandel und Ressourcenschonung. Die Pandemie hat geholfen, innezuhalten, unser eigenes Tun zu befragen, und das latente Thema Klimawandel in den Mittelpunkt katapultiert. Die gegenwärtige Debatte um Energie und um Ressourcenknappheit in Zeiten auch militärischer Konflikte führt dazu, den gesamten Wandlungsprozess der Ressourcenkette, im Baumanagement und in der Planungspraxis zu überdenken.
Die sich aus den Nachhaltigkeitszielen entwickelnden ethischen Themen generieren neue partizipative Prozesse in der Planung und neue Designer-Prozesse in der Gestaltung: Aus der Ethik des Notwendigen folgt eine Ästhetik des Möglichen. Unsere Erfahrungen bei LAND sind geprägt von der Entwicklung urbaner Landschaften der letzten dreißig Jahre. Die grünen Strahlen in Mailand führen wie das Modell Essen zu Prozessen, die heute auch in kleineren und mittleren Städten greifen: in Bozen wie in Vercelli, in Lugano wie in Münster und vielen mehr.

2. Wo liegen die realen Veränderungen, was behindert, was befeuert den Wandel?

Die realen Veränderungen liegen in den Herausforderungen, die mittlerweile privat und öffentliche Hand miteinander verbinden: Die Privaten bekommen keine Finanzmittel ohne den Nachweis der Nachhaltigkeit ihrer Projekte; die öffentliche Hand kann nur mit naturbasierten Strategien auf den Klimawandel reagieren. In der Energiekrise, die jetzt hinzukommt, fallen die letzten Tabus. Ohne integratives Denken ist Wandel unmöglich. Einzelne Projekte werden in die jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategien der öffentlichen Verwaltungen eingepasst oder entwickeln sich aus ihnen.
Auch für die Immobilienwirtschaft gilt: Nicht mehr die „Lage“ steht an erster Stelle der urbanen Entwicklung, sondern der „Freiraum“ verspricht Lebensqualität. Er verbindet die finanzielle Attraktivität für den Investor mit dem Bedürfnis der Menschen nach Verbindung mit Natur. Tabus fallen: Landwirtschaft findet sich mit Gewerbe und Freizeiteinrichtungen wie in Fellbach (IBA Stuttgart) auf Augenhöhe. Eine neue Rangordnung durchzieht die Bauplanung und verbindet ihre drei wichtigsten Elemente: An erster Stelle steht die landschaftliche Entwicklung, gefolgt von der Siedlungsentwicklung und einer nachhaltigen Mobilität. Jedoch behindern vielfach alte Vorschriften den Wandel, endlich muss auch die Gesetzgebung den neuen Prämissen angepasst werden.

3. Was muss passieren, damit es weiter vorangeht?

Wir sind verpflichtet, mit der hoch dotierten Ressource Landschaft verantwortungsvoller umzugehen als noch vor zehn Jahren. Ohne integratives Denken ist dabei kein Wandel möglich. Einzelne Projekte werden in die jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategien der öffentlichen Verwaltungen eingepasst bzw. entwickeln sich aus ihnen. In den Verwaltungen setzt sich zu langsam die Notwendigkeit durch, dass Wettbewerbe vor der Auslobung vorbereitet und in ein partizipatives, konsensfähiges Programm integriert werden müssen. Wenn Städte sich zu urbanen Landschaften entwickeln sollen, dann kann man Planung nicht mehr an verschiedene Fachämter (Grün, Bau, Verkehr, Ordnung etc.) delegieren, sondern muss – wie etwa gerade in Köln-Mühlheim – sie alle zusammen mit Stakeholdern an einen Tisch bringen.

Und schließlich geht es auch darum, die Nabelschau, die Grenzen des allein fachschaftlichen Denkens zu überwinden. Das Modell vom neuen Europäischen Bauhaus kann hier gerade in der Verantwortung für die zukünftigen Generationen ein Vorbild sein.

4. Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

Amsterdam oder Kopenhagen haben nach der Ölkrise in den 1970er-Jahren sofort die Weichen gestellt, – so konsequent, dass sie heute an der Spitze der Bewegung liegen. Und sie haben sie in Wachstumszeiten gestellt, während wir uns gegenwärtig gleichsam in einer „Phase der Reife“ befinden. Andere Großstädte wie Paris, London oder Mailand sind seit geraumer Zeit dabei, Stadtplanung und Ökologie unter landschaftlicher Sicht zu verbinden, das zahlt sich inzwischen aus. Aber worauf es unter den heutigen Herausforderungen besonders ankommt: Wir müssen schneller reagieren, die Entscheidungszeiten verkürzen.

Das heißt: Wir brauchen einen „präventiven Konsens“.

Den kann man durch neue Formate schaffen, zum Beispiel durch „Werkstätten“. In denen können Stakeholder gemeinsam mit Politik, Wirtschaft und Kultur/Wissenschaft Räume auf ihre Begabung abtasten. So wie es gerade in Münster mit den Zukunftsquartieren geschieht. Oder in Mailand mit dem Projekt, den Piazzale Loreto im wahrsten Sinne des Wortes aufzubrechen. Auch Düsseldorf geht neue Wege bei der Umgestaltung der Corneliusstraße im Zusammenhang mit der Rheinischen Post. Die Umwandlung eines Straßenraumes zu einem Raum für Menschen bedeutet sich eine Straße nicht mehr als Linie, sondern als Fläche zu denken. Die „Begabung“ dieser urbanen Landschaft bezieht ebenso die Häuser und ihre Hintergärten mit ein, damit Mensch und Natur sich auch im öffentlichen Raum wieder verbunden fühlen.

Der Landschaftsarchitekt BDLA und Städtebauer Andreas Kipar ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des internationalen Landschaftsarchitekturbüros LAND mit Sitz in Deutschland, Italien und der Schweiz. Er studierte Landschaftsarchitektur an der Universität GHS Essen sowie Architektur und Städtebau am Polytechnikum Mailand, wo er seit 2009 Öffentliche Raumgestaltung unterrichtet. AK ist ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau- und Landesplanung (DASL), des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA), des Italienischen Verbandes der Landschaftsarchitekten (AIAPP) und des Italienischen Instituts für Stadtplanung (INU). AK ist Urheber des Mailänder Modells „Raggi Verdi“ (grüne Strahlen) das in Essen bei der grünen Hauptstadt Europas 2017, und in der preisgekrönten Smart City Rublyovo-Arkhangelskoye in Moskau ebenfalls Anwendung findet.

Reinhard Lepel, Dipl.-Ing. Architekt
Geschäftsführender Gesellschafter Lepel & Lepel Architekt Innenarchitektin PartG mbB
Foto: © Bettina Malik

Was ist? Die Ist-Situation in der Planung: Alle Wollen.

Als unser Büro mit Clouth 104 ein Quartiersbaustein in Köln entwickelte, hatten wir das Ziel, alles richtig zu machen in Sachen städtebauliche und denkmalgerechte Eingliederung, technische-, ökologische- und konstruktive Auslegung sowie Flexibilität der Nutzungsmöglichkeiten. Das Bauvorhaben ist schließlich 2020 mit DGNB Platin zertifiziert und ausgezeichnet worden. Ein großer Erfolg auf den wir stolz sind. Aber es war noch keine Rede von Holzhybrid Konstruktionen oder cradle to cradle Prinzipien.

Heute sind wir bereits weiter. Es gibt keine Auftraggeber mehr, weder Öffentliche, Institutionelle, noch Private, die nicht ökologisch nachhaltig, klima- und Ressourcen schonend denken und mit uns Ziele für ihre Neubauprojekte in diesem Sinn formulieren. Als Mitglied der Initiative „Phase Nachhaltigkeit“ haben wir uns dazu verpflichtet die Deklaration Nachhaltigkeit als Grundlage für die Zieldefinition mit unseren Bauherrn zu verwenden.

Diesen Weg fordern wir ein und gehen ihn mit unseren Bauherrn, soweit es geht.

Mit unseren Fachplanern entwickeln wir konstruktive und technische Antworten, um mit nachhaltigen Materialien und regenerativen haustechnischen Systemen die jeweils dem Ort und der Nutzung des Gebäudes angemessenste Lösung zu finden.

Die schnelle Entwicklung auf dem Gebiet zum Beispiel der Materialökologie und der C2C Kreislaufsystemen erfordert aber auch eine ständige Auseinandersetzung mit allen am Bau Beteiligten und ein stetes Lernen, um auf der Höhe der Zeit zu sein. Das heißt regelmäßige bürointerne Lehrgänge und ständiger Erfahrungsaustausch über neue Entwicklungen sind Voraussetzung für das Erreichen unserer Planungsziele.

Die Ist-Situation bei der Umsetzung: Wenige können.

Heute ist die größte Herausforderung bei der Umsetzung eines klimaschonenden Bauvorhabens die Fachfirmen zu finden, die in ihrem Gewerk die Expertise und das Know-how haben mit neuen Materialien und Konstruktionstechniken zu arbeiten. Wo früher einfache Gipskartonplatten eingebaut wurden, braucht es heute Firmen die Lehmbau- oder Strohbauplatten verbauen können, um nur ein einfaches Beispiel zu nennen.

Da wird die Auswahl knapp. Hier wünscht man sich auf dem Markt und bei den Gewerken ein An- und Umlernen auf breiter Basis.

Aktuell kommt noch die Herausforderung stabiler Lieferketten und belastbarer Kostenaussagen dazu.
Zeit, Kosten und Qualität in ein gutes Gleichgewicht zu bringen ist aktuell die neue Herausforderung.
Ziele, die man sich am Anfang gesetzt hat, zu erreichen, trotz Lieferschwierigkeiten und Kostensteigerungen, sollten nicht zu Lasten der Nachhaltigkeit gehen.

Das muss besser werden.

Einem Punkt wird heute m. E. viel zu wenig Bedeutung eingeräumt. Das Müll- Problem durch Verpackungen auf der Baustelle und zur Baustelle nimmt in meiner Wahrnehmung extrem zu. Hier braucht es ein Umdenken und Umsteuern. Es benötigt hier Anreize neue Wege zu finden, um vom Verpackungsterror und damit von den Müllbergen weg zu kommen.

Das ist heute schon gut: more and more of less and less.

Wir sind Verfechter des less-is-more-Gedankens. Wir überzeugen Bauherrn gern gewohnte Bau- und Ausbauqualitäten zu hinterfragen. Oberflächen und Bauteile werkgerecht und unverputzt oder unverkleidet zu lassen.

Die nachhaltigste Transformation des Bauens entsteht im Weglassen.

Es entsteht nebenbei eine neue Ästhetik des Bauens – ehrlich, unverstellt und robust. Im besten Sinne des Wortes frei. Eine Architektur der Freiheit.

Ein großes Vorbild sind für mich die französischen Architekten Lacaton Vassal oder das Kölner Büro BeL Sozietät für Architektur.

Reinhard Lepel ist Architekt und Projektentwickler. Er studierte an der RWTH Aachen sowie der Architekturfakultät der Universität Venedig IUAV bei Vittorio Gregotti. Von 1989 bis 1991 war er an der RWTH Assistent am Lehrstuhl Konstruktives Entwerfen bei Prof. Peter Kulka und Prof. Mirko Baum.
Gemeinsam mit seiner Frau, der Innenarchitektin Monika Lepel führt er seit 1994 das Büro für Innen – und Architektur LEPEL & LEPEL in Köln. 1998 wurde er in den BDA berufen, war 6 Jahre Mitglied des BDA Vorstandes in Köln und ist bei Wettbewerben als Jurymitglied tätig. Seit 2022 ist er Mitglied der Aachen Building Experts.

Karin Loosen, Dipl.-Ing. Architektin
Geschäftsführende Gesellschafterin, LRW Architekten und Stadtplaner PartG mbB,
Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer
Foto: © Berry Behrendt

1. Welche Rolle spielt bei Ihnen die Transformation des Bauens?

Im Tätigkeitsschwerpunkt Wohnungs- und Städtebau spielt für unser Büro
ressourcenschonendes und effizientes Planen immer eine wichtige Rolle, denn urbanes
Bauen erfordert aufgrund knapper und hochpreisiger Grundstücke schon lange einen hoch
konzentrierten Umgang mit Ressourcen.

Die aktuellen und notwendigen Klimaziele im Bauen stellen uns nun vor neue planerische
Herausforderungen und fließen in alle neuen Projekte ein, mehr oder weniger intensiv, je
nach Bauherrn, Projektkonstellation und Bauaufgabe.

2. Wo liegen die realen Veränderungen, was behindert, was befeuert den Wandel?

Emissionsfreies, klimaneutrales Bauen verschärft die Anforderungen immens und benötigt
dringlich gesamtheitlichere Betrachtungsweisen mit umfassenderen und vor allem
sektorübergreifenden Handlungsansätzen. Dazu besteht auf dem Markt noch große Trägheit
aufgrund fehlender Investitionsbereitschaft, betrieblicher Qualifizierungen, logistischer
Unerfahrenheit, ressortgetrennter Kommunikation und Verwaltungsabläufe.

In Wettbewerbsverfahren sind klimaschützende Anforderungen an das Bauen bereits in den
jeweiligen Auslobungen Grundlage, hingegen in der Planungspraxis stehen wir
transformatorisch noch weitgehend am Anfang. Planungs- und Bauprozesse sind komplex
und zeitintensiv, schnelle Kursänderungen aufgrund der gesamten Baukette von tradiertem
Firmen Know-how, Finanzierung, Planung, Verwaltung/Genehmigung, Fertigung und
Vermarktung noch sehr schwergängig.

Diverse Bauherrn mit ihren spezifischen Portfolios – Bestandshalter, Genossenschaften,
städtische Träger oder freie Investoren und auch zunehmende Fondsgesellschaften gehen
mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten an neue Marktanforderungen. Käufer und Mieter
als Zielgruppe sind ebenfalls verschieden und extrem preisempfindlich. Dazu kommt die
hohe Bodenknappheit mit den hohen Grundstückspreisen in unseren Städten. Das Budget
für Investitionen in neue Technologien ist knapp bemessen. Es gibt bei allen technischen
Anforderungen an das heutige Bauen wenig finanzielle Spielräume für Experimente,
Pilotprojekte und neue Risiken.

Die Lage der Bauwirtschaft wird zudem aufgrund der momentanen weltpolitischen Krise
bedrohlich verschärft. Es entstehen hohe wirtschaftliche Risiken wegen Preissteigerungen
und Materiallieferengpässen. Zum Preis-, Material- und Energierisiko kommt inzwischen
auch ein Nachfragerisiko hinzu, mit der Konsequenz, dass Projekte zurückgestellt oder sogar
storniert werden. In der Fachbranche machen sich zunehmend negative Szenarien und
Prognosen breit, die einen Rückgang beim Wohnungsneubau erwarten. Die bisher extrem
wachstumsgeprägte Konjunktur der Bauwirtschaft gerät ins Wanken und stellt die bau- und
klimapolitischen Ziele infrage.

Dennoch beobachten wir auf dem ganzen Markt große Aufgeschlossenheit und Motivation,
sich generell für die Klimaziele zu engagieren. Und Krisen waren bisher immer auch
Chancen, um bewährte Pfade zu verlassen mit der Notwendigkeit zur Neuerfindung.

3. Was muss passieren, damit es weiter voran geht / Anregungen / Kritik?

Sowohl im Umgang mit dem Bestand als auch im Neubau denken wir über eine neue
Ästhetik der Architektur nach. Neue technische Elemente der Energiegewinnung als auch
zunehmende Flächen für resiliente Maßnahmen erfordern Gestaltqualität. Unser Stadtbild
und unsere Architektursprache befinden sich in einem Transformationsprozess. Bestehende
schützenswerte Identitäten und auch der Denkmalschutz müssen dabei in diesen Prozess
eingebunden werden.

Wir brauchen eine ernst zu nehmende neue Umbaukultur. Ein wichtiger werdendes
Betätigungsfeld muss die Ertüchtigung der Bestandsbauten werden. Die darin gefangene
„Graue Energie“ können wir in Zeiten von Rohstoffmangel, Lieferschwierigkeiten und CO2
Minimierung bauwirtschaftlich nicht mehr vernachlässigen. Recycling-Architektur mit
Bricolage-Ästhetik könnte ein ernst zu nehmender neuer Architekturtrend sein.
Umbau muss planungsrechtlicher einfacher werden. Wir brauchen dringend eine Änderung
der Musterbauordnung in eine Umbauordnung. Gemeinsam mit den Kommunen könnten wir
eine Umbaukultur erarbeiten und bauordnungsrechtliche Hürden beseitigen.
Innovationen und damit einhergehende Risikobereitschaft im Investment sollten durch
Förderanreize motiviert werden. Pilotprojekte helfen für Öffentlichkeitswirksamkeit.
Auch Restriktionen könnten CO2 Einsparungen steuern.

Wir brauchen für die politisch Handelnden dringend gute Beispiele, kluge und gestalterisch
hochwertige Referenzbauten.

4. Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

In Hamburg stehen sowohl die HafenCity GmbH als auch die IBA Hamburg für äußerst
innovative und zukunftsorientierte Projektqualität (Moringa, Holzhochhaus Roots …). Damit
wäre die Beispielliste schon seitenlang zu füllen. Besonders erwähnenswert erscheint mir
hierbei die Konzeption des neuen Stadtteils Grasbrook – wo schon in der Funktionsplanung
ein integrierter Ansatz gewählt wurde im Sinne vom Klima- und Ressourcenschutz und in
einer umfassenden Komplexität aller Fachbelange aufgesattelt wird.

Spannend sind sehr kompromisslose Ansätze aus der Schweiz:
Suffizientes Wohnen
Wohn- und Atelierhaus
Degelo Architekten, Basel

Oder auch Gebäude als Energieproduzent zu gestalten – mit hohem gestalterischem Wert.
Hier sind neue klimatechnische Elemente gestaltprägend und führen zu einer notwendigen
neuen Architekturästhetik:

Aktivstadthaus – Geschosswohnungsbau als Energieproduzent
(u.a. Photovoltaik Fassade)
Frankfurt am Main, Bauherr ABG Holding
HHS Hegger.Hegger.Schleiff Architekten

Zum Thema zirkuläres Bauen mit recycelten Materialien gibt es auch schon
Vorzeigeprojekte:

Zirkuläres Bauen mit Recycling Materialien
Aufstockung baubüro in situ, Basel / Zürich

Urban Mining
Rathaussanierung und Erweiterung in Korbach
Dr. Anja Rosen

Auf dem Markt gibt es wichtige Planungshilfen, die immense Wichtigkeit haben, um die
neuen Planungsprozesse anzuschieben!

Erwähnenswert z. B. die Publikation der Bundesarchitektenkammer (BAK) zur Vernetzung
von BIM und Bauen im Bestand.

Und der frisch erschienene
Atlas Recycling – Gebäude als Materialressource
Edition DETAIL
von Annette Hillebrandt / Petra Riegler-Floors / Anja Rosen / Johanna-Katharina Seggewies

In unserem Büroalltag sind wir bei vielen Wettbewerbsverfahren auf neuen Pfaden
unterwegs. Bis zur Realisierung – aufgrund der langwierigen Prozesse von WB, Planung,
Genehmigung, Realisierung – dauert es dann noch …

Aktuelles von LRW

Wettbewerbsbeitrag „Paul-Nevermann-Platz“, Hamburg-Altona 2021
Auslober: Robert Vogel GmbH & Co Kommanditgesellschaft, Hamburg
Erweiterung eines Bestandsbüroareals mit neuen hybriden Bürogebäuden und mit coexistenten Nutzungen (Büro, Bank, Café, Mobility Hub, betreutes Wohnen, Hospiz)

Großen Einfluss auf die Alltags-Architekturaufgaben mit hohem Potenzial für neue Planungskultur im Sinne der Nachhaltigkeit nehmen in Hamburg auch die sog. “Konzeptausschreibungen“, an denen Bauherren mit ihren Architekten teilnehmen:

Wettbewerbsbeitrag Grundstücksausschreibung IBA Hamburg 2021
„Mehrfamilienhäuser im Vogelkamp Neugraben“ mit Holzbau für DIE WOHNKOMPANIE Nord GmbH, Hamburg

Karin Loosen, geb. 1965 in Koblenz-Moselweiß, ist Architektin und Stadtplanerin. Sie studierte
Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt. Seit 1996 führt sie zusammen mit
Rudolf Rüschoff und Thomas Winkler das Hamburger Architekturbüro LRW Architekten und
Stadtplaner mit den Schwerpunkten Wohnungs- und Städtebau. Weitere Partner sind Kilian
Jonak (seit 2018) und David Sommer (seit 2022). Als Preisrichterin ist sie in zahlreichen Wettbewerbsverfahren tätig. Karin Loosen war von 2008 bis 2012 1. Vorsitzende des Bund Deutscher Architekten undArchitektinnen BDA der Freien und Hansestadt Hamburg e.V. 2014 wurde sie zur
Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer gewählt. Sie ist Vorstandsmitglied der
Bundesarchitektenkammer, Beiratsmitglied der HafenCity Hamburg GmbH und seit Mai 2017
Stv. Vorsitzende des Beirates der Bundesstiftung Baukultur. Seit Mai 2019 ist sie
Mitglied der Stadtgestaltungskommission München.

Achim Nagel, Dipl.-Ing. Architekt
Geschäftsführender Gesellschafter PRIMUS developments GmbH

1. Welche Rolle spielt bei Ihnen die Transformation des Bauens?

Nachdem wir eher zufällig – oder vielleicht sagt man besser aus Gründen der Rationalität – zum Holzmodulbau gekommen sind, hat uns das Planen und Bauen mit Holz zu Überzeugungstätern gemacht. Holz als Baustoff und die Serialität des Bauens in Verbindung mit der konsequenten Digitalisierung des Planungs- und Bauprozesses lässt uns inzwischen vergessen, mit welchem personellen und materiellen Aufwand das Bauen früher verbunden war. Insofern hat uns die Transformation des Bauens von dem Ballast der Zeit – und Materialverschwendung befreit.

2. Wo liegen die realen Veränderungen?

Der Planungsprozess wird völlig anders ablaufen. Planer und Ausführende finden viel früher zueinander. Die Planungsansätze werden viel offener (auch ergebnisoffener) weiterentwickelt. Der Architekt ist nach meinem Eindruck wieder Lenker des Prozesses und auch näher an dem, was dann ausgeführt wird.

Die Realisierung ist wegen der Serialität des Bauens besser vorbereitet und mit weniger Mängeln und den Ärgernissen von deren Beseitigung verbunden.

3. Was muss passieren, damit es weiter voran geht / Anregungen / Kritik?

Alle Planungsbeteiligten müssen selbstbewusst im Team arbeiten und lernfähig sein. Bildung und Praxis müssen stärker Teil der Ausbildung und Berufspraxis sein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen offen sein für neue Formen des Voneinander – Lernens.

Die CO²-lastige Bauindustrie muss ihre Geschäftskonzepte anpassen, ohne sich nur auf die unerschöpfliche Zurverfügungstellung von erneuerbaren Energien durch andere zu verlassen.
Die Bauordnungen müssen entrümpelt werden und zwar gründlich.

Die Förderung muss den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes betrachten und den Verbrauch von CO² sowie den Abriss von nutzbaren Gebäudestrukturen bestrafen.

4. Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

Es gibt inzwischen eine Reihe von nachhaltigen Projekten, viele sehr gut geplant u./o. gebaut. In Deutschland begann das mit WOODIE in Hamburg und Florian Naglers Wohnbebauung über einem Parkplatz am Dantebad in München, dann das Abgeordnetenhaus LUISE in Berlin, die Schulprojekte in Frankfurt und Berlin von Kaufmann Bausysteme mit den Architekten NKBAK in Frankfurt und die wunderbaren Projekte von Hermann Kaufmann. Zu nennen ist auch das genossenschaftliche Projekt Gröninger Hof in Hamburg. Die Zahl wächst. Leider aber auch die Zahl der Greenwashing-Projekte.

Achim Nagel, geschäftsführender Gesellschafter von PRIMUS developments in Hamburg. Als einer der wenigen Architekten unter den Projektenwicklern engagiert er sich für eine nachhaltige Baukultur. Nach Jahren als Architekt im Hamburger Büro von Prof. Peter Schweger, Leiter der Bauabteilung des Medienkonzerns Bertelsmann und Partner im Architekturbüro Ingenhoven, Overdiek + Partner, gründete Nagel 1999 die PRIMUS developments. Das Unternehmen machte sich einen Namen als Spezialist für Büro- und Wohnungsbauten auf Konversionsflächen von Häfen in Köln, Hamburg und Offenbach. Seit einigen Jahren konzentriert sich die PRIMUS auf die Entwicklung von Gebäuden im Holzmodulbau. Der Prototyp dieses Bautyps, der WOODIE in Hamburg, erhielt u. a. den Deutschen Holzbaupreis und den MIPIM Award in Gold. Weitere WOODIE–Projekte in Berlin, Hamburg, Offenbach und Lübeck sind in Planung u./o. befinden sich in der Realisierung. Achim Nagel ist Mitglied des Vorstandes des Fördervereins Bundesstiftung Baukultur e.V.

Werner Sübai, Dipl.-Ing. Architekt
Gesellschafter, HPP Architekten GmbH

1. Welche Rolle spielt bei Ihnen die Transformation des Bauens?

Veränderungen im Planungs- und Bauprozess sind kontinuierliche Begleiter unseres Schaffens. Die aktuellen Veränderungen des Bauens basieren auf der intensiven Transformation des Planens vom 2D zum multidimensionalen Planungsprozess sowie der Notwendigkeit, zukünftig immer nachhaltiger und ressourcenschonender, also maximal rezyklierbar und energieneutral zu planen und bauen.

Der digitale Planungsprozess, die 3D Planung oder auch die BIM Planungsmethodik, verändert die zeichnungsbasierte und vom Plan aus gedachte Konzept- und Entwurfsentwicklung über KI-gestützte Simulationen hin zur modelbasierten Datenbank. Dieser Entwicklungsschritt hebt die Qualität der integrierten Planung durch den digitalen Gebäudezwilling. Er ermöglicht erstmalig die Vorfertigung von Bauelementen, Bauteilen und Modulen auf einem neuen Qualitätsniveau mit weiterem Entwicklungspotential in Richtung industrieller Fertigung (im Sinne einer Mass-Customization).

Die zunehmende Notwendigkeit der Energieeinsparung im Zusammenspiel mit einem bewussten, bestmöglich wiederverwertbaren Einsatz von Baumaterialien – ausgelöst durch Vorgaben der EU-Taxonomie, ESG, “Fit for 55“ und dem Ziel der CO2-Neutralität in naher Zukunft- beschleunigt das Umdenken und den Transformationsprozess.

Durch das Zusammenspiel all dieser Aspekte ergeben sich die nächsten Entwicklungsschritte in der Planung sowie in der Folge der Umsetzung: Die datenbasierte Planung im 3D Model und die Befüllung dieses Models mit Eigenschaften (Attributen), die Programmierung mit den notwendigen Parametern der Nachhaltigkeit, neue Materialanforderungen sowie die Verortung von Materialien, Bauteilen und Modulen über Geodaten im Model und somit auch im fertig gestellten Gebäude. Letztere können bestmöglich nach Ablauf des Gebäudelebenszyklus im Verständnis eines „Materiallagers“ an anderer Stelle und in neuen Gebäudestrukturen wiederverwertet werden.

2. Wo liegen die realen Veränderungen, was behindert, was befeuert den Wandel?

Die aktuellen Veränderungen, die Transformation gelebter und bekannter Vorgehensweisen und Prozesse hin zum digital gestützten und datenbasierten Modell ermöglicht neben Transparenz und nachvollziehbaren Quellinformationen vor allem qualitative Optimierungen sowie eine smarte, allseitig zugängliche benutzerfreundliche Entwicklungs- und Prozessgestaltung. Die realen Veränderungen liegen im Spannungsfeld zwischen Entwicklung/Anwendung und Herstellung/Umsetzung.

Im Bereich der Entwicklung und Planung ist eine grundsätzliche Veränderung in der entwurflichen Haltung, der Konzeption, Nutzungsanordnung und Programmierung in weiten Bereichen auf dem Weg und in der Umsetzung. Die modelbasierte Planung hat sich bereits durchgesetzt. Sie führt in der Konsequenz zu einer durchkoordinierten und integrierten Planung im „digitalen Zwilling“ des zu realisierenden Gebäudes. Die Exaktheit, die Präzision befeuert bei zugleich erhöhter Planungskomplexität und Aufwand. Beides ist mit dem Verständnis der Notwendigkeit zur Veränderung, zur Transformation in eine bewusstere, nachhaltigere und ganzheitliche Planungsepoche leistbar. Die erhöhte Komplexität besteht nicht allein in der aufwendigeren Gestaltung des Planungsprozesses und Pflege des Datenmodells, sondern auch und vor allem in der digital abgestimmten und synchronisierten Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten und im Weiteren in der konsequenten Verarbeitung der Planungsdaten in allen nachfolgenden Phasen der Umsetzung: Der effizienten Nutzung erhobener Daten, ermittelter Massen und Mengen bis hin zur Erstellung und Lieferung von Bauteilen und Modulen auf die Baustelle.

Die digitale Transformation im Planungsprozess ist in weiten Teilen umgesetzt und erfährt kontinuierlich Optimierungen und Neuerungen. Die material- und energiebewusste Umsetzung in Handwerk und Bauindustrie befindet sich hingegen auf einem anderen Entwicklungsstand. Der Umsetzungsprozess verläuft in weiten Bereichen noch in analogen Mustern.

Einen weiteren Treiber der Transformation stellt der Gebäudebetrieb nach Fertigstellung dar. Die Unterhaltungskosten eines Gebäudes übersteigen die Erstellungskosten über den gesamten Gebäudelebenszyklus um ein Vielfaches. Digitale Bestandsunterlagen bilden die Grundlage für die kaufmännische und technische Gebäudeverwaltung, für die technische Gebäudesteuerung/Automation sowie das Gebäudemonitoring in Echtzeit. Die digitalen Gebäudedaten, der „Digitale Zwilling“, bilden die optimale Basis um Instandhaltung, Betrieb und Nutzung optimal und effizient zu gestalten. Dies nicht nur aus Eigentümer- und Betreibersicht sondern auch aus Nutzersicht. Der Nutzer wird zukünftig über die Gebäudedigitalisierung aktiv mit dem Haus kommunizieren können. „Smart buildungs“ machen die Transformation im Bauwesen für die Nutzer ganz bewusst sichtbar und unterstützen deren intuitive Nutzung.

3. Was muss passieren, damit es weiter voran geht / Anregungen / Kritik?

Dranbleiben!

Die Basis zur durchgängigen und integrativen Umsetzung der Transformation besteht im konstruktiven Umgang sowohl mit den digitalen Werkzeugen als auch mit dem resultierenden Prozess; in der Planung, der Umsetzung sowie in der Logistik. Dies stellt die wesentlichen Treiber dar, die das Umfeld des Planungs- und Baumanagements zum Gelingen der Transformation beitragen kann.

Darüber hinaus sind auch alle sekundär begleitenden Planungsprozesse von der Verordnung über die Genehmigung bis hin zur Zertifizierung und dem Gebäudebetrieb auf ein digital integriertes Level zu entwickeln. Das Ziel besteht darin, alle analogen Verfahren und Prozesse mittelfristig durch digitale ersetzt zu haben. Voraussetzung hierfür ist ein kohärentes, leistungsstarkes und flächendeckendes Internet sowie die Einsicht und das Verständnis, dass zukünftig das transparente Datenmodel mit all seinen zugänglichen Informationen jeder Form von individuell gut eingespielter, jedoch analoger Prozessabwicklung zu priorisieren ist.

In unserem Büro finden kontinuierlich Qualifizierungsmaßnahmen sowie Schulungen zur 3D gestützten Planung und Projektbearbeitung sowie zur erfolgreichen Umsetzung der BIM Planungsmethodik statt. Die Transformation des Planungsprozesses ist strukturell vollzogen. Wir haben ein BIM Management implementiert, das übergeordnete Grundlagen für die modellbasierte Projektbearbeitung sowie die BIM Planungsmethode definiert. Darüber hinaus bringen sich BIM Koordinatoren in die Projektarbeit ein und gestalten anhand des „Digitalen Gebäudezwillings“ die Transparenz, Lesbarkeit und regelbasierte Qualitätssicherung für alle Planungsbeteiligten zugänglich und beherrschbar.

4. Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

Zwei Jahre Pandemie haben die digitalen Möglichkeiten unübersehbar beschleunigt und vorangetrieben. Aber auch ohne diese wäre es nur eine Frage von wenigen Jahren gewesen, um den durch die Pandemie erreichten Nutzungsstatus technischer sowie digitaler Werkzeuge, Formate und Prozesse in gleicher Intensität wie heute einzusetzen.

Die standortunabhängige Projektarbeit hat durch Cloud-Dienste einen neuen Stellenwert bekommen und ist aufgrund der digitalen Möglichkeiten oder besser gesagt aufgrund der zunehmenden Akzeptanz in der täglichen Arbeit etabliert. Reiseaktivitäten, die aufgrund von Besprechungsroutinen in der Vergangenheit als notwendig eingefordert wurden, haben sich um ca. 75% reduziert. Heute werden Reisen bewusster und hauptsächlich für initiale Termine oder auch Workshops mit kreativem oder komplexem Schwerpunkt getätigt.

Die Flexibilität des Arbeitsumfelds hat sich verändert. Bei bewusstem Umgang mit dem Bereich der „mobilen Arbeit“ lässt sich diesem Moment viel Positives abgewinnen. Stille Themen und Aufgaben die Konzentration können Ortsunabhängig bearbeitet und beigesteuert werden. Das Büro bleibt jedoch der Ort der Identifikation und des gemeinsamen Austauschs: Kerninhalte sollten dort, im Team, in Präsenz erarbeitet werden. Büroarbeit sowie die Arbeitswelt adjustieren sich aktuell. Für unsere Tätigkeit als Architekten scheint der Arbeitsschwerpunkt jedoch bis auf weiteres aufgrund des hohen Maßes an direktem Austausch und Kommunikation vor Ort im Büro statt zu finden. Für uns stellen 1-2 Tage/Woche abgestimmte mobile Arbeit im Moment eine machbare und effiziente Größe in Bezug auf das flexible Arbeiten dar.

Werner Sübai, 33 Jahre bei HPP, Gesellschafter HPP Architekten GmbH, Managing Director HPP Architects B.V. Amsterdam NL Werner Sübai absolvierte sein Architekturstudium an der Bergischen Universität Wuppertal. 1989 kam er zu HPP, wo er zunächst als Projektpartner und seit 2008 als Gesellschafter im Düsseldorfer Büro tätig ist, sowie seit 2018 Senior Partner der HPP Architekten GmbH ist. Seit Mitte der Neunziger Jahre setzt er seinen Schwerpunkt unter anderem auf die internationale Ausrichtung des Architekturbüros.