Schaffen wir die Bauwende!?
Teil 3

Genau dieser Frage sind wir mit einer Umfrage nachgegangen. An Sonntagsreden und Bekundungen zum Klimawandel und zur Ressourcenschonung fehlt es gerade nicht. Hier besteht große Einigkeit.

Was passiert hier und heute real auf den Baustellen, bei Architekten und Bauschaffenden? Schaffen wir die Bauwende? – haben wir Architekten und Projektentwickler gefragt.

Dr. Christine Lemaitre
Geschäftsführende Vorständin, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.

Welche Rolle spielt bei Ihnen die Transformation des Bauens?

Die Transformation des Bauens ist der Grund dafür, dass es die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen gibt. Seit 15 Jahren versuchen wir mit allem, was wir tun, die Transformation hin zum nachhaltigen Bauen zu beschleunigen. Transformation heißt für uns vor allem eines: Wissen muss von den Köpfen in die Hände. Die Gründerinnen und Gründer der DGNB haben sich überlegt, was ganzheitliche Nachhaltigkeit im Bauen bedeutet und dann ein Instrument entwickelt, dass die Denkweise auch umsetzbar macht – und zwar für alle. Entstanden ist das DGNB Zertifizierungssystem, das sich für alle Gebäudetypen, für Neubau und Bestand, aber auch für ganze Quartiere anwenden lässt. All die ökologischen Themen, die jetzt verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gelangen – Klimaschutz, Ressourcenschonung, Biodiversität, Wasserknappheit, aber auch die Gesundheit der Nutzer – sind von Anbeginn darin verankert und an realen Bauwerken umgesetzt worden. Möglich wird das durch ganz konkrete Methoden wie die Ökobilanzierung, die den CO2-Fußabdruck des Gebäudes von der Herstellung der Rohstoffe über die Nutzung bis hin zum potenziellen Rückbau adressiert. Oder aber durch Schadstoffgrenzwerte von Bauprodukten, die nach Fertigstellung in der Innenraumluft geprüft werden. Dank mittlerweile 1600 Mitgliedern, der ehrenamtlichen Mitarbeit von Experten aus allen Bereichen der Baubranche und Hochschulen und zahlreichen europäischen Partnern, kann die DGNB einen großen Erfahrungs- und Wissensschatz anbieten. Die Zeit drängt und wir müssen alle Kräfte bündeln. Ich hoffe, dass immer mehr Menschen auf den bestehenden Erfahrungsschatz zurückgreifen, damit die Transformation so schnell wie möglich gelingt.

Wo liegen die realen Veränderungen, was behindert, was befeuert den Wandel?  Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die Rolle des Architekten?

Eine Art Verharrung und damit Behinderung von Veränderungen ist sicherlich darin begründet, dass Akteure des Bauens Respekt vor dem Neuen haben, aber auch Angst etwas falsch zu machen. Hinzu kommt die Mentalität des „erstmal müssen die anderen“, die Regierungen etwas tun.

Ich habe auch den Eindruck, dass wir mittlerweile eine Nachhaltigkeits-Eliten-Bubble haben, die immer schneller immer höher steigt, mit sich übertrumpfenden Leuchttürmen. Ich erlebe in diesem Zusammenhang immer wieder auf Vorträgen, wie die schon immer dagewesenen Kernthemen des nachhaltigen Bauens unter neuer Überschrift als etwas ganz Neuartiges deklariert werden. Holz ist beispielsweise kein revolutionär neuer Baustoff, sondern erlebt eine Renaissance. Das Stichwort hier lautet „alter Wein in neuen Schläuchen“. Problematisch sehe ich das, weil Planende, die sich erstmals mit den Themen befassen mit einer Unmenge an Definitionen konfrontiert sind – und das ist hemmend. Wie sollen sie sich da entscheiden? Wir brauchen Nachhaltigkeit in der Breite. Und das bekommen wir, indem wir nicht, indem wir uns immer wieder auf neue Erkenntnisse stürzen und sie als unser eigen verkünden, sondern indem wir pragmatische Lösungen für das Tagesgeschäft anbieten, wenn Zeit- und Kostendruck besteht.

Architekten haben natürlich eine verantwortungsvolle Schlüsselposition. Sie sind im Gespräch mit den Bauherren, können beraten. Und auch dazu beitragen, dass wir wegkommen von der Architektur aus dem Katalog mit Hochglanzaufnahmen, die mit der Realität nichts zu tun haben, aber beim Bauherrn oder auch Investierenden falsche Vorstellungen auslösen. Genau deshalb haben wir ja auch die Initiative Phase Nachhaltigkeit gegründet, damit Architekten und Bauingenieure sich austauschen, Erfahrungen teilen und die Hemmschwelle abnimmt, Themen der Nachhaltigkeit anzusprechen.

Befeuert werden die Veränderungen sicherlich dadurch, dass Dinge persönlich erfahrbar werden. Die Auswirkungen des Klimawandels werden konkreter und der Ukraine-Krieg sorgt auch dafür, dass das Verständnis für Lieferketten und Rohstoffabhängigkeiten steigt. Hinzu kommt natürlich auch die Regulatorik der EU mit dem Green Deal und der EU-Taxonomie. Dadurch entsteht eine Dynamik und eine andere Art von Druck. Nachhaltigkeit wird vom „nice to have“ zum Geschäftsmodell.

Was muss passieren, damit es weiter voran geht / Anregungen / Kritik?

Wir müssen das Thema Nachhaltigkeit erden, Zielkonflikte zulassen und ein systematisches Vorgehen ermöglichen. Dafür braucht es eine Haltung des Aufeinanderhörens und der Wille zum Wissensaufbau. Natürlich muss man sich dazu erstmal Zeit nehmen um auch mal kritisch hinterfragen zu können, ob wirklich so gebaut werden sollte, wie es immer schon gemacht wird.

Gerade in dieser Aufbruchstimmung braucht es die unabhängige Qualitätssicherung. Mit der zunehmenden Präsenz der Themen Klimaschutz, intergenerative Gerechtigkeit und neuer Regulatorik wächst natürlich auch die Zahl der selbsternannten Experten, die voreilig erklären, wie das Bauen zu sein hat. Dass das ohne jegliche wissenschaftliche Untersuchung möglich ist, halte ich für gefährlich. Kritisch sehe ich auch, dass aus einem „schneller, höher, weiter“ ein „nachhaltiger als nachhaltig“ wird. Dadurch verlieren wir uns wieder in einem Wettbewerb der Radikalitäten, anstatt uns auf das zu fokussieren, worauf es ankommt: das Pariser Klimaabkommen und die schnellstmögliche Transformation der Baubranche in ihrer Gänze mit der zentralen Herausforderung der Bestandsoptimierung. Es braucht also neben den innovativen Lösungen für die Ziele genauso ein Korrektiv, das sagt: hierhin und nicht weiter. Sonst verkehren wir Nachhaltigkeit ins Gegenteil.

Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

Zu nennen ist das Projekt „Einfach bauen“ in Bad Aibling, das aufzeigt, wie materialgerechtes, robustes Bauen gelingen kann – eine Konzentration auf das Wesentliche ohne viel unnötige Technik. Vorbildhafte Beispiele sind natürlich Gebäude, die mehr erneuerbare Energie erzeugen, als sie verbrauchen, beim Rathaus Freiburg ist das in ganzheitlich nachhaltiger Weise gelungen. Zu nennen sind aber auch inspirierende Persönlichkeiten wie Anupama Kundoo oder Ashok Lall, die ich aus unserer weltweiten Initiative Building Sense Now kenne. Sie zeigen wie kultur- und klimagerechtes Bauen aussehen kann. All die Beispiele machen deutlich: Im Bauen gibt es keine Pauschalantworten.

Dr. Christine Lemaitre ist geschäftsführende Vorständin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. mit Sitz in Stuttgart.

 

 

Jens Kreiterling, Dipl.-Ing. Architekt
Vorstand, Landmarken AG

Welche Rolle spielt bei Ihnen das Thema „Transformation des Bauens“?

Wir sind einer der ersten Projektentwickler, die Rendite nicht nur kaufmännisch, sondern auch sozial und ökologisch definieren. Jedes unserer Projekte muss einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und auf die Klimaziele einzahlen. Darauf haben wir unsere Unternehmensstrategie ausgerichtet. Wir haben 2021 einen verpflichtenden Nachhaltigkeitsstandard für alle Projekte eingeführt. Dieser legt eine Mindestqualität für die Themenbereiche Energieeffizienz, Klimaschutz, Biodiversität, Gesundheit und Lieferkette für alle Projekte, unabhängig von Standort und Assetklasse, fest. Darüber hinaus haben wir Ende 2020 den Landmarken Sustainability Fonds ins Leben gerufen, aus dem wir besondere Nachhaltigkeitsmaßnahmen in unseren Projekten unterstützen ohne Anspruch auf Verzinsung oder Amortisation. Diese Werkzeuge sollen es uns erleichtern, die Transformation, in der sich die Branche befindet, umzusetzen. Ein weiteres Beispiel: Während eine Immobilie früher je nach Geschäftsmodell nur bis zur Fertigstellung oder für wenige Jahre betrachtet wurde, ist es nun die CO2-Lebenszyklus-Betrachtung, die die maßgeblichen Informationen über eine Immobilie liefert.

Wo liegen die realen Veränderungen, was behindert, was befeuert den Wandel?

Bei uns gilt der Grundsatz: Revitalisierung vor Abriss und Neubau! In den vergangenen zehn Jahren dienten bereits 40% unserer Projekte dem Bestandserhalt. Von den restlichen Projekten sind 85% Brownfield Developments, also Entwicklungen auf z.T. bereits versiegelten Brachen. Der Neubau auf der grünen Wiese spielt eine immer geringere Rolle. Treiber sind der Klimawandel, aber auch Flächen- und Ressourcenknappheit. Die Motivation ist hoch, die Hürden sind es jedoch auch – durch Regularien oder die vielen Schnittstellen in der Planung. So ist z.B. der Einsatz von Recyclingbeton, eine mögliche Antwort auf die Ressourcenverknappung, immer noch wenig verbreitet. Ein anderes Beispiel ist der Holzbau, der trotz Jahrhunderte alter Erprobung heute schwierig zu realisieren ist. Oftmals steht hier eine Kombination aus unzureichendem Wissen und konservativer Regulatorik im Weg.

Aktuell ist jedoch viel Dynamik im Markt, die eigentlich nur in Richtung nachhaltige und sozial verträgliche Immobilien ausschlagen kann. So haben die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung ganz neuen Schwung in die Gespräche mit Investoren und Bestandshaltern gebracht. Der Kapitalmarkt ist gefordert, Verantwortung zu übernehmen.

Was muss passieren, damit es weiter voran geht / Anregungen / Kritik?

Das Thema muss in der Breite der sehr diversifizierten Immobilienbranche ankommen und flächendeckend implementiert werden. Einzelne Leuchtturmprojekte zu feiern, reicht nicht aus! Es muss ein Umdenken in der finanziellen Bewertung von Immobilien her. Lage, Lage, Lage, oder die Laufzeit des Mietvertrags dürfen nicht mehr die wichtigsten Kriterien sein, sondern die ökologische und soziale Wirkung. Sie müssen auch in der finanziellen Vergütung validiert werden, und zwar nicht als „Nice-to-have“, sondern als Grundvoraussetzung für eine Finanzierung und den Verkauf. Neben den privaten Akteuren ist aber auch die öffentliche Hand gefragt, ihren Beitrag zu leisten. Leider sehen wir es bei europaweiten Vergabeverfahren noch viel zu selten, dass ein Fokus auf messbar nachhaltige Immobilien gesetzt wird. Das muss sich ändern! Auch muss das Dilemma aufgelöst werden, dass Investitionen in klimafreundliche Alternativen zumindest aktuell noch Mehrkosten bedeuten, die im klassischen Geschäftsmodell auf die Mieter umgelegt werden. Hier kann die Politik mit Förderungen helfen, die Schaffung von ökologischen Mehrwerten sozial verträglich zu gestalten. Viel Potenzial liegt auch im Bestand und dessen Sanierung, denn das Ziel des klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2045 ist eine gesamtgesellschaftliche Mammut-Aufgabe, die nicht allein von der Immobilienwirtschaft geschultert werden kann. Bei allen Bestrebungen gilt: Planer, Entwickler, Bauwirtschaft, Investoren und öffentliche Hand müssen die Herausforderungen im Schulterschluss angehen und gemeinsam Lösungen erarbeiten.

Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

Das von uns initiierte Moringa Hamburg HafenCity wird das erste Wohnhochhaus Deutschlands, das in Anlehnung an das Cradle-to-Cradle Prinzip realisiert wird. Moringa vereint in einzigartiger Weise die konsequente Anwendung der ökologischen Bauweise nach dem Kreislaufwirtschaftsprinzip und bezahlbares Wohnen. 78% der Bau- und Ausstattungsmaterialen werden sich leicht demontieren, sortenrein trennen und wiederverwenden lassen, eine bisher unerreichte Zahl. Und das in einem architektonisch herausragenden Gebäude, in dem mehr als 40 Prozent aller Wohneinheiten öffentlich gefördert sind. Der hohe Grünflächenanteil (mehr als 100% der Grundstücksfläche), die nichttragenden Holzaußenwände, der Ausschluss gesundheitsgefährdender Stoffe und ein aktives Management im späteren Betrieb sollen das Gebäude zum gesündesten Haus der Stadt machen. Wir setzen hier eine neue Benchmark für ökologische und soziale Immobilienentwicklung und möchten damit das Verständnis für die Bedeutung einer vollumfänglichen Transformation der Branche schärfen.

Ein weiteres Beispiel ist unser Bürogebäude Kite Loft Köln, dass sich gerade im Bau befindet und sich nicht nur durch nachhaltige Energieerzeugung (Geothermie) auszeichnet. Im Gegensatz zur klassischen Heizlast-Berechnung nach DIN12831 konnte durch eine Simulation mit zukünftigen Klimadaten die Immobilie ideal auf heutige und zukünftige energetische Bedarfe ausgelegt werden. So wurden etwa 30% der Anlagengröße eingespart. Die eingesetzte Gebäudeautomation unterstützt das Ziel des klimaneutralen Betriebs weiter. Jährliche Reviews zwischen den Mietern und unserem Asset Management für die ersten drei Jahre des Mietverhältnisses sorgen ebenfalls für eine stetige Optimierung im Betrieb. Mit diesem sogenannten Landmarken-Versprechen möchten wir als Entwickler den Lebenszyklus-Gedanken wirklich leben und unsere Gebäude nach Fertigstellung nicht einfach sich selbst überlassen. Wir übernehmen Verantwortung für das, was wir den Mietern und Investoren anbieten und sind auch über den Übergabetermin hinaus als Ansprechpartner da.

Als Vorstand der Landmarken AG ist Jens Kreiterling insbesondere für die Themen Projektentwicklung, Innovation, Nachhaltigkeit und Realisierung verantwortlich. Der gelernte Architekt und Ökonom hat das Unternehmen seit Ende 2006 mit Norbert Hermanns als Gründer aufgebaut und verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Immobilienwirtschaft.

Jens Kreiterling stellt den Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit und möchte stets einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Lebendige und sinnstiftende Projekte zu entwickeln, die Städte nachhaltig besser und lebenswerter machen, sind seine Motivation und Leidenschaft. Als ExCom-Mitglied im ULI engagiert er sich intensiv für das Thema ESG, im ICG gestaltet er aktiv das Thema Social Impact Investment mit.

Christine Damke
Co-Founderin und Partnerin, BeyondBuild GmbH

Wie Herausforderungen zu Chancen für die Immobilienwirtschaft werden.

Das Thema Digitalisierung nimmt in der Bau- und Immobilienbranche stetig an Bedeutung zu. Für Unternehmen, die sich jetzt richtig aufstellen, bietet die digitale Transformation großes Potenzial, das sie für sich nutzen können. Dabei ist das Wissen zu Markt und aktuellen Themen für alle Akteure entscheidend.

Die gesamte Branche wird aktuell von der EU-Regulatorik stark geformt. Die Offenlegungs- und die Taxonomie-Verordnung sehen umfassende neue ESG-Pflichten vor. Investoren werden gezwungen, ihr Kapital in nachhaltigen Investments anzulegen. Somit werden auch nachhaltiges Bauen, Revitalisieren und Bewirtschaften von Immobilien zur zentralen Aufgabe der Branche. Weltweit sind Gebäude für mehr als 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich – und nicht nur in Deutschland verfehlt der Gebäudesektor regelmäßig die angestrebten Klimaziele. Bestandsimmobilien drohen daher in den nächsten fünf bis zehn Jahren aufgrund wachsender CO2-Kosten und hoher ESG-Anforderungen drastisch an Wert zu verlieren. Die Immobilienbranche steht damit vor einem Umbruch, denn sie muss die Transformation „from grey to green“ zügig vorantreiben und schnellstens umzusetzen.

Doch nicht nur Regulierungsanforderungen üben Druck auf die Immobilienwirtschaft aus. Getrieben durch die Megatrends der heutigen Zeit verändern sich auch die Lebens- und Arbeitsformen zusehends. Dynamische Lebenskonzepte verlangen mehr räumliche Flexibilität. Die Gebäude der Zukunft müssen entsprechend konzipiert werden, damit Wohneinheiten jederzeit erweitert oder verkleinert werden können. Zudem müssen sie zum Wohlbefinden der Nutzer beitragen und die technischen Voraussetzungen haben, um beispielsweise den Lärmpegel zu mildern oder eine angenehme Raumtemperatur herzustellen. Zusätzlich werden zukünftig Space-as-a-Service-Modelle für die flexible Nutzung eine immer größere Rolle spielen. Der Trend geht eindeutig weg von der schlichten Monetarisierung des „nackten Quadratmeters“ und hin zur „Service-Economy“. Am umfangreichsten ist dies aktuell schon mit Co-Working sowie Flex-Office-Angeboten umgesetzt, Co-Living- und Silver-Living-Themen werden zukünftig ebenfalls in den Fokus rücken.

Doch jede Herausforderung bietet auch Chancen: Wie können wir diese Themen also zielführend angehen? Neben einer klaren Strategie und guten Produkten und Dienstleistungen bringt auch die Bildung von Netzwerken den gewünschten Erfolg. Die Akteure der Immobilienwirtschaft, deren Produkte und Services sich sinnvoll ergänzen, müssen sich untereinander vernetzen und den Kunden so eine Gesamtlösung bieten. Die angestrebte Zukunft wird nur eintreten, wenn sich bereits etablierte Unternehmen mit jungen Tech-Anbietern zusammenschließen, um gemeinsam digitale Lösungen zu entwickeln. Die Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und PropTechs lassen sich dabei auf vielfältige Art umsetzen. Gekoppelt ist dies immer an die Frage, welche Produkte und Services der Markt benötigt. Dabei kann zum Beispiel die Implementierung einer digitalen Lösung mit den CO2-Emissionen eingespart werden oder die Umrüstung einer Immobilie zu einem flexiblen, smarten Wohnprojekt als Anforderung definiert werden.

Ein gelungenes Beispiel ist die Zusammenarbeit der PropTechs spaceOS und aedifion mit der Commerz Real AG für die Büroimmobilie “1330 West Fulton“: Dies ist das erste Projekt in den USA, das mit der Cloud-Plattform von aedifion digital ausgerüstet wurde, um den Gebäudebetrieb datenbasiert zu optimieren. So können Energieverbrauch und CO2-Emissionen schnell und einfach reduziert und ESG-Ziele schneller erreicht werden. Als Plattform für Workplace-Experience ist das PropTech spaceOS ebenfalls an dem Projekt beteiligt. Mieter können damit beispielsweise Räume, Parkplätze oder Desks buchen, bei Problemen direkt mit dem Facility Management kommunizieren und Informationen zu beispielsweise Luftqualität und Verbräuche im Gebäude einsehen. So sind durch die Digitalisierung gleich zwei bedeutende Treiber der Branche an den richtigen Stellen abgeholt worden: Die Reduzierung des CO2-Verbrauchs im Gebäude selbst, um zu einer nachhaltigeren Immobilienwirtschaft beizutragen, als auch der Mensch, der über sein Verhalten einen wichtigen Einfluss auf die Nutzung und damit den Ressourcenverbrauch in der Immobilie hat.

Unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung: Die Vernetzung der etablierten Unternehmen mit der entsprechenden Branchenexpertise und mit innovativen PropTechs ist der Schlüssel für die zukunftsfähige Immobilienwirtschaft. Denn nur durch den Einsatz von Technologien werden wir die Branche flexibler, individueller und ökologisch wie auch ökonomisch nachhaltiger gestalten können. Die Herausforderungen sind groß, doch sie bringen auch den entscheidenden Impuls, um jetzt die notwendigen nächsten Schritte zu gehen.

Christine Damke ist Co-Founderin und Partnerin bei BeyondBuild; sie verantwortet als Geschäftsführerin die BeyondBuild Experts, einem Boutique-Beratungshaus für zukunftsfähige Immobilien. Ehrenamtlich ist sie außerdem als Vorstandsvorsitzende der Brancheninitiative PropTech Powerhouse e.V. aktiv. Sie verfügt über langjährige Erfahrung bei der Entwicklung und der zielgerichteten Implementierung von digitalen Technologien in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Vor BeyondBuild war sie als Group Manager Digital Consulting bei der Strabag AG tätig. Zuvor bekleidete sie verschiedene Management- und Business Development-Positionen, unter anderem bei dem ConstructionTech Anbieter Think-Project und bei gmp Architekten.

Dr.-Ing. arch. Jörg Spangenberg
Nachhaltigkeitsberater bei kadawittfeldarchitektur

Klimawandel und zur Ressourceneffizienz beim Bauen. Fragen zum Stand der Dinge.

Auch vor mir liegt der aktuelle Band von Werner Sobek: „non nobis – über das Bauen der Zukunft. Ausgehen muss man von dem was ist“. Der Titel wurde von Joseph Beuys inspiriert.

Es lohnt sich für jeden Bauschaffenden Werner Sobek’s ersten Teil der Trilogie zu lesen und gespannt zu sein, was in den kommenden beiden Bänden noch an exzellent resümierten Informationen für nachhaltigere Bauentscheidungen gezeigt werden wird. Sobek erklärt uns den Stand seiner Erkenntnisse über Fakten, Wirkmechanismen- und Wirkungsketten des Klimawandels in gut verständlichen Texten und anhand thematisch ausgewählter von Roy Lichtenstein’s Pop-Art inspirierten Infografiken, Sankey-Diagrammen und reduzierten Tabellen in Primärfarben. Für letztere zeichnet sich Andreas Uebele verantwortlich, und das Resultat macht ggf. als trocken empfundene Informationen schön anschaubar. Besonders bereichernd sind die gut recherchierten Kapitel verschiedener Baustoffgruppen, deren (meist offenen) Stoffkreisläufe gut veranschaulicht und beziffert werden. Die o.g. Wirkmechanismen bzw. Wirkungsketten, die dabei nicht Bauen, sondern in den vorgelagerten Lieferketten beginnen, werden von Sobek und Uebele anschaulich dargestellt und hinreichend belegt, auch wenn die Datenlage, wie Sobek sagt, noch immer nicht ganz durchsichtig ist, liefert das Buch viele wichtige Informationen, die Tendenzen verdeutlichen und belegen.

Zur Transformation des Bauens

Die Zeitenwende und die damit einhergehenden Transformationen finden inzwischen zwar immer noch zu langsam, aber dafür allmählich wirklich statt; in unseren Köpfen und in der Folge in der Praxis. Dabei deutet alles auf eine Kreislaufgesellschaft hin: Der Ukrainekonflikt mit Russland „befeuert “ die Energiewende doch noch einmal durch die verbleibenden Optionen aus Sonne und Wind. Das fossile Zeitalter ist damit, genau wie die Moderne Vergangenheit. In einem geschlossenen System können nur erneuerbare Energien und Sekundärrohstoffe dauerhaft weiter für Innovation und Wohlstand sorgen.

Der primäre Baustoff des 20. Jahrhunderts, der Stahlbeton, steht heftig in der Kritik, weil seine Produktion weltweit mehr CO2, sowie andere schädliche Gase und Partikel freisetzen als der gesamte internationale Flugverkehr. Daran ändert auch der Versuch sogenannte „alternative Brennstoffe“, wie Verpackungsmüll und Altreifen, zu verwenden wenig. Alternative Bauweisen, sogenannte Hybridbauweisen setzen – möglichst bereits recycelte – Baustoffe so ein, wie sie funktional am besten performen, z.B. beim Holzbetonhybridbau z.B. in Form von Holzrippen auf der Unterseite vorgefertigter Deckenelemente, die über Kerven mit schlankeren Stahlbetondecken oben trennbar verbunden sind.

Auch der soziale und ökologische Stadtumbau, der durch kollektiv genutzte Freiräume und durch Verbesserungen des Mikroklimas z.B. durch Gebäudebegrünung und Bäume glücken kann, stellt uns vor große und spannende Herausforderungen, die wir durch Mikroklimasimulationen verifizieren. Unsere Überzeugung, dass man ein Haus nicht ohne dessen Umfeld denken kann, und dass damit jede Baumaßnahme eine gesellschaftliche Verantwortung birgt, ist Grundlage aller Projekte. Europa spielt eine besondere Rolle und die EU-Taxonomie ist eine Weichenstellung für den Bausektor.

Wo liegen die realen Veränderungen, was behindert, was befeuert den Wandel?

Es sind in der Tat große Herausforderungen und Kernindikatoren werden mit immer breiter aufgestellten Simulations- und Bilanzierungsinstrumenten möglichst in Echtzeit mitmodelliert, denn nur so können wir den Überblick behalten, und das müssen wir, denn wir sehen uns als Protagonisten dieses beständigen Wandels und wollen mit unseren Gebäuden messbare Mehrwerte schaffen.

Wir versuchen inzwischen ganz zu Beginn von Projekten, in der sogenannten „Phase Null“, d.h. schon im Wettbewerb oder in Machbarkeitsstudien, durch verschiedene miteinander gekoppelte Simulationen Prognosen über die Performance verschiedener Varianten zu erstellen. Oft ist es schwierig, aus den Ausschreibungstexten zwischen den Zeilen auszulesen, welche Systementscheidungen getroffen werden können, bzw. getroffen werden dürfen.

Aufgrund der Notwendigkeit detaillierterer Informationen über Baustoffe haben wir ein hauseigenes Materialkataster entwickelt, das über einen Online-Fragenkatalog Kernindikatoren von Bauprodukten abfragt. Diese werden durch unsere Teilnahme als Innovations-Partner im Madaster-Netzwerk jetzt gerade noch erweitert und erlauben holistisch nachhaltigere Produktentscheidungen sowie die Abschätzung von Restwerten am Ende des Lebenszyklus. Es ist ja so, dass nachhaltigere Gebäude etwas teuer im Bau sind, durch ihre Qualität aber dann doch günstigere Lebenszykluskosten abbilden. Qualität hat Ihren Preis, daran lässt sich leider wenig rütteln.

Auf konventionelle Tragwerke sind i.d.R. mehr als die Hälfte der aller Treibhausgasemissionen im Bau zurückzuführen. Innovative Tragwerke, für deren Herstellung weniger THG emittiert werden, oder aber kohlenstoffspeichernde Tragwerke (d.h. solche mit hohem Holzanteil) sind der heute technisch mögliche Schlüssel für wirklich wesentlich nachhaltigere Gebäude, insbesondere, wenn wir z.B. „aufgesägtes Altholz“ verwenden würden. Dafür ist die Rezertifizierung der Sekundärbaustoffe und verifizierter Brandschutz von fundamentaler Wichtigkeit.

Aber auch der verstärkte Einsatz von Holz ist nicht unproblematisch, denn die Holzpreise steigen seit einiger Zeit, wie die Baukosten generell, stark an; Klimawandel, Borkenkäfer und Holzexporte haben hier besorgniserregende, unnachhaltige Feedbacks getriggert, die das nachhaltigere Bauen derzeit noch erschweren.

Was muss passieren, damit es weiter voran geht / Anregungen / Kritik?

Die Bundesregierung sollte zügig eine Revision zentraler Teile des für das Bauwesen relevanten Norm- und Regelwerks durchführen, welche teilweise Innovationen verzögern. Wir fordern dies als Planer, denn der Bausektor gilt als der größte „Klimasünder“, unter den Sektoren, die letztendlich unsere Lebensart- und weise ganzheitlich statistisch beschreiben. Man muss dem Sektor mehr Möglichkeiten geben, besser zu werden. Die umfassende Revision, die dies ermöglicht, sollte zügig durchgeführt werden. Auf der anderen Seite machen wir auch einfach mal, drängen darauf mit nachhaltigen Innovationen nicht zu warten.

Wir stehen damit konzeptionell „auf den Schultern von Riesen“, einer klaren Sukzession kollektiver, akademischer Referenzen, die wir bewusst in unsere Entscheidungen einbeziehen! Nur so können wir belegen, warum gewisse, frühe Systementscheidungen wirklich – nach aktuellem faktenbasierten Verständnis der Systeme dieses Planeten – BESSER, nicht nur für das Klima, sondern generell BESSER für das gesamte System sind. Damit meine ich auch die soziale Nachhaltigkeit, das Miteinander. Wir sollten in Europa vereint als leuchtende Beispiele vorangehen, denn unser Kontinent visioniert die Chance eine entscheidende, globale Vorreiterrolle zu spielen.

Welche positiven Beispiele können Sie nennen?

Derzeit ist eine Vielzahl von Gebäuden, die den neuen Prämissen folgen im Bau, wenn man aber genauer hinguckt, bleiben doch gar nicht so viele wirklich gute Beispiele. Vorreiter sind unsere Nachbarn in den Niederlanden. Aus diesem Grunde nenne ich mal zuerst den Stadskantoor Venlo der weitgehend aus Holz besteht, Grünfassaden, ein Gewächshaus zur Luftreinigung und Erwärmung (im Winter), einen Solarkamin, eine Pflanzenkläranlage u.v.a. wirklich nachhaltige Technologien inkorporiert. Hier zu nennen sind auch die Arbeiten von Thomas Rau, die Triodos Bank, oder Liander in Duiven, wobei es sich um eine komplette Wiederverwendung des alten Firmensitzes handelt. Bauten, die lokal gefertigte Stampflehmwände als aktivierte, thermische Masse verwenden, wie z.B. der Alnatura Campus in Darmstadt (haas, cook zemmrich), sind spannend genau wie der Neubau der Stadtwerke Neustadt in Holstein (IBUS Architekten), der wiederverwendbaren Bauteile und Rezyklate verwendet. Der KÖ Bogen II mit seinen 30.000 resilienten, heimischen Hainbuchen in Düsseldorf und das Freiburger Rathaus (beide von Ingenhoven architects) mit seinen PV-Fassaden und organischen Holzbauweisen sind sicher auch gebaute Vorreiterprojekte für mich.

Auch wir haben schon einige Projekte, die von diesem Umdenken zeugen, im Portfolio. Zum Beispiel das RAG Kreislaufhaus in Essen, bei dem wir das Gebäude als wertvolles Rohstofflager nutzen durch ressourcenschonenden, rückbau- und recyclingfreundlichen Einsatz der verbauten Materialien. Ein Dachgarten kompensiert wasserkreislauf-freundlich die durch den Bau versiegelte Fläche und steigert die Biodiversität. Beim LVR-Haus am Ottoplatz in Köln werden wiederverwertbare Bauteile und Rohstoffe beim Abriss der nicht mehr sanierbaren Bestandsimmobilie gesichert und im Kreislauf durch Einsatz derselben im Neubau rückgeführt. Unser Moringa-Projekt in der Hamburger HafenCity überprüft das C2C-Prinzip auf Massentauglichkeit und liefert neben der kreislaufgerechten Bauweise einen Beitrag zur Idee „Vom Besitzen zum Nutzen“: durch das Teilen von gemeinschaftlichen Funktionsräumen und Nutzung intelligenter Mobilitätskonzepte wird das urbane Leben demineralisiert, verschiedene Angebote werden multimodal gebündelt. Dachgärten und Fassadengrün kühlen das Umfeld und binden CO2 und Feinstaub.

Die Arbeiten, die in den letzten Jahren im engen Dialog in unserer Wettbewerbsabteilung entstanden sind und weiterhin entstehen, tragen alle diese Gedanken in sich. Das freut mich sehr und zeigt, dass eine neue und junge Architektengeneration einiges bewegen und schaffen kann.

Dr.-Ing. arch. Jörg Spangenberg (Jg. 1972) studierte Architektur und Städtebau an der Detmolder Schule für Architektur (Diplom 2001), gefolgt von einem Master of Engineering auf dem Gebiet Technologie- und Ressourcenmanagement an der TH Köln (2001-2004). Anschließend promovierte er am Institut für Raumplanung und Raumforschung an der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar mit dem Forschungsthema: ‘Natur in Megacities – Quantifizierung von Ökosystemdienstleistungen des Stadtwaldes’ (2010).

Seit 2001 arbeitete Jörg Spangenberg in der Planung, Forschung und Nachhaltigkeitsberatung für Oscar Niemeyer, Rem Koolhaas/ OMA, University of São Paulo, Harvard University GSE Design Studio, Columbia University New York, UNEP (United Nations Environmental Programm), BIG (Bjarke Ingels Group), DGNB, GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit).

Seine zentralen Themen und Expertisen sind thermo- und hydrodynamische Mikroklimasimulationen, Materialbiologie, Recycling und Gesundheit, Bauwerksbegrünung, klimagerechtes Entwerfen, EnergieDesign und Wassermanagement. Er beschäftigte sich dabei mit der Planung, Umsetzung und Betrieb von Stadt- und Gebäudebegrünungsprojekten, darunter Grünfassaden, Dachgärten und Stadtfarmen mit der NRO floresta urbana.

Von 2011 bis 2015 leitete er die südamerikanische Niederlassung des Design- + Ingenieurbüros Werner Sobek Stuttgart in São Paulo, und war u.a. an dem Projekt des Stadions für das WM-Eröffnungsspiel 2014 und dem Internationalen Flughafen Natal verantwortlich. Von 2010 bis 2018 übte er eine Lehrtätigkeit im Fach Städtebau/ Landschaftsarchitektur an der Universität São Judas in São Paulo aus.

Seit 2020 ist er als Architekt und Nachhaltigkeitsberater für unternehmensstrategische Fragen der Nachhaltigkeit, in Wettbewerben und projektbegleitend in allen Leistungsphasen bei kadawittfeldarchitektur tätig.

 

Annabelle von Reutern, M.Sc., Architektin, Head of Business Development
Concular – Plattform für zirkuläres Bauen

Ohne Bauwende wird es keine Klimawende geben. Die Transformation des Bauens ist der wesentliche Schritt für die Sicherung unserer Zukunft auf einem lebenswerten Planeten.

Warum?

Die Bauindustrie ist der klimaschädlichste Sektor weltweit, sie verbraucht aktuell 60 Prozent der Ressourcen und ist verantwortlich für 40 Prozent der CO2 Emissionen. Materialien, die ressourcen- und energieintensiv hergestellt worden sind, werden nach Ende der Laufzeit des Gebäudes deponiert. Viele davon können jedoch wiederverwendet werden – dies geschieht aktuell nur in unter 1 Prozent der Fälle. Auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen stößt das lineare Modell des Bauens an seine Grenzen; eine Transformation der Bauindustrie ist unabdingbar.

Wir sind der Meinung, dass sowohl der sorgsame Umgang mit dem Bestand, als auch die Berücksichtigung von Kreislaufgerechtigkeit in Neubauten von größter Bedeutung sind. Eine Vereinfachung des Bauordnungsrechts würde Nutzungsänderungen und Umbauten unterstützen und eine Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse würde die bestehende Bausubstanz besser schützen. Im Fall eines Neubaus soll die Rückführung der Materialien in den Kreislauf bereits bei der Planung mitgedacht werden, ein Konzept für den zukünftigen Rückbau verpflichtend sein und eingebaute Materialien durch einen Gebäuderessourcenpass digital dokumentiert werden. Darüber hinaus, soll eine Ökobilanzierung den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigen, inklusive der grauen Energie, die für die Herstellung der Materialien verwendet worden ist. Schließlich, sollte Downcycling vermieden und die hochwertige Weiterverwertung von Baustoffen attraktiver gemacht werden.

Concular ermöglicht eine großflächige und skalierbare Möglichkeit, Materialien wiederzuverwenden, um damit CO2, Abfall und Ressourcen einzusparen. Wir dokumentieren Materialien im Bestand als digitale Materialpässe und machen die Wiederverwendung durch ein Matching von Angebot und Nachfrage sowie der Organisation von lokalen Lieferketten einfach und praktikabel. Die durch uns digitalisierten Materialien werden vor dem Rückbau zum Verkauf gestellt, weshalb die Vermittlung bereits möglich ist, während das Material noch verbaut ist. Das senkt Kosten und macht etwaige Zwischenlagerungen überflüssig. Dabei wird die Vermittlung von Concular ökobilanziert und nach Materialwert und Kosteneffizienz berechnet, um eine wirtschaftliche und ökologisch-sinnvolle Wiederverwendung zu ermöglichen. Mit unserem Konzept haben wir es geschafft eine effiziente End-to-End-Lösung zu etablieren, die projektbegleitend, digital und kollaborativ Materialkreisläufe im Gebäudesektor schließt.

Einzelne Unternehmen können starke Impulse für die Revolutionierung der Baubranche geben und schaffen eine gute Grundlage für die Transformation des Bauens. Allerdings ist ein politischer Rahmen von Nöten, um sicherzustellen, dass der Wandel weiter gefördert und in großem Maßstab umgesetzt wird. Es wird viel über nachhaltiges, ressourcenschonendes Bauen geredet; es ist jetzt die Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen. Eine große Herausforderung liegt in der deutschen Wirtschaft, die stark durch Gesetze reguliert ist und daher einzelnen Akteurinnen wenig Raum für disruptive Ideen lässt.

Es scheint jedoch, dass sich die Dinge in letzter Zeit in die richtige Richtung bewegen. Der Deutsche Staat, das Land Berlin sowie die Europäische Kommission haben erkannt, dass Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendung für eine nachhaltige Zukunft unverzichtbar sind. So will die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag das Recycling von Bauabfällen und die Wiederverwendung von Bauteilen fördern und den Schwerpunkt auf die Kreislaufwirtschaft legen. Darüber hinaus hat die Berliner Senatsverwaltung die Zero-Waste-Initiative „Re-Use Berlin“ ins Leben gerufen. Zudem fordern die Architects for Future eine „Muster(um)bauordnung“ für das Bauen im Bestand in Deutschland. Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) hat die Publikation „Das Haus der Erde. Positionen für eine klimagerechte Architektur in Stadt und Land“ veröffentlicht. Und zu guter letzt veröffentlichte die Platform on Sustainable Finance am 30. März 2022 einen Bericht mit Empfehlungen zu technischen Prüfkriterien für die vier verbleibenden Umweltziele der EU-Taxonomie. Diesem Bericht zufolge sollten mindestens 50% der Materialien in neuen Gebäuden entweder wiederverwendet oder recycelt werden oder aus verantwortungsvoll beschafften regenerativen Materialien bestehen. Diese Ankündigungen wecken in uns große Hoffnung, dass sich schon sehr bald der Hebel in den Köpfen umlegen wird und Zirkuläres Bauen zum Standard wird.

Auf politische Vorgaben und die “Erlaubnis” zu warten ist jedoch nicht unsere Sache. Wir appellieren immer an die Eigenverantwortung aller am Bau Beteiligten. Und so entstehen bereits heute Materialkreisläufe auf den Baustellen des Landes. Der Karstadt am Hermannplatz Berlin dient der SIGNA als urbane Mine für die eigene UMbaustelle. Das ehemalige HSBC Gebäude an der Kö in Düsseldorf von MOMENI stellt rund 20.000 Materialien zur Verfügung und bewahrt sie somit vor einer frühzeitigen Deponierung. In der VfB Arena in Stuttgart wurde durch einen Umbau die gesamte Tribüne zum Fan Shop und wir konnten knapp 2.000 Stühle vor dem Schrottplatz retten. Dies sind nur einige Beispiele unserer Arbeit. Wir sind schon sehr gespannt und freuen uns auf die neue Baukultur, denn ab sofort heißt es die Form wird der Verfügbarkeit folgen.

Annabelle von Reutern ist Architektin und bei Concular für das Business Development zuständig. Sie hat nach Ihrem Studium an der RWTH Aachen und TU Berlin mehrere Jahre in Kölner Architekturbüros bearbeitet und ist Mitglied bei Architects for Future sowie den Frauen in der Immobilienwirtschaft.

Sven Gaeßler, Dipl.-Ing. Architekt
Geschäftsführender Gesellschafter SUPERGELB ARCHITEKTEN

Wie reagieren SUPERGELB ARCHITEKTEN auf das Bauen der Zukunft?

SUPERGELB ARCHITEKTEN führen die Philosophie von GATERMANN + SCHOSSIG fort, deren Anspruch stets die Betrachtung eines Gebäudes von der Entstehung bis zur Demontage gewesen ist. Uns reizen die Aufgaben, auf veränderte Anforderungen neue geeignete Lösungen zu finden. Mit jedem neuen Auftrag untersuchen wir projektspezifische Möglichkeiten, die sich aus dem Ort, der Umgebung und dem Nutzungsziel ergeben. Dabei geht es uns nicht nur um den ästhetischen Anspruch, sondern auch darum, die baulichen Möglichkeiten auszuloten: Welche Voraussetzungen gibt das Grundstück her, können wir durch serielle oder elementierte Bauweisen die Bauzeit verkürzen, welche Baustoffe sind geeignet für das regionale Umfeld, die Nutzung und den Betrieb? Wir hinterfragen, wie wir Gebäude so materialsparend schlicht und sortenrein als möglich bauen können. Wir verzichten zunehmend auf Verbundstoffe und Verkleidungen zugunsten von Sichtinstallationen. Seriell arbeiten wir zur Zeit mit den Materialien Holz und Stahlbeton für tragende Bauteile und Fassaden. Der regionale Baustoff Ziegel gewinnt in unseren Projekten zunehmend an Bedeutung.

Bei der Umsetzung unserer Projekte sind aktuell höhere Hürden gesetzt. Verschärfte Vorschriften, hohe Baukosten, Materialknappheit und Lieferkettenprobleme beeinflussen unsere Planung.  Woher nachwachsende Baustoffe wie Holz nehmen, wenn gerade der Materialfluss von sibirischer Lärche gestoppt ist? Gerade in der Umsetzung von Projekten in Holzbauweise erleben wir enorme Vorlaufzeiten. Welche Materialien sind weniger energieintensiv herzustellen und einzusetzen? Wie erstellen wir Tragsysteme als „Rohstoffspeicher“ der Zukunft, wenn ein Zuschlagstoff wie Sand fehlt? Wo nehmen wir den Stahl her? Macht der Einsatz von Recycle-Aluminium Sinn, wenn die Energie fehlt? Welche Dämmmaterialien sind überhaupt noch verfügbar, die nicht den Sondermüll von morgen bilden? Hierzu ist die Zusammenarbeit mit der Industrie gefragt, um neue Systeme mit Zulassung zu entwickeln, damit innovative Konzepte künftig umgesetzt werden können.

Reale Veränderungen

Fast alle aktuellen Projekte von SUPERGELB ARCHITEKTEN sind Bauaufgaben für die öffentliche Hand. Unsere Auftraggeber sind bereits vor Projektbeginn an politische Beschlüsse gebunden, die das Budget des Haushaltes berücksichtigen. Um die Erstinvestition gering zu halten, ist oftmals eine Optimierung der Gebäudehülle und -technik nur gewollt, wenn diese unkompliziert über öffentliche Fördermittel zu erreichen ist. Zum Beispiel waren mit der zu Anfang des Jahres eingestellten BEG-Neubauförderung Effizienzhaus 55 Gelder relativ einfach zu erlangen.

Durch den politischen Wandel, auch in der kommunalen Parteienlandschaft, nehmen wir aktuell zunehmend den Wunsch und die Akzeptanz wahr, projektspezifische Lösungen für nachhaltige Konzepte zu finden. Dies betrifft vorrangig haustechnische Lösungen und seriell gefertigte Fassadensysteme. Der Ruf nach Photovoltaikanlagen ist weiterhin ungebrochen.

Es gibt positive Beispiele für innovative Konzepte vorrangig in der Energiegewinnung, obwohl diese bei der ersten wirtschaftlichen Bewertung der Fachingenieure im Vergleich zu konventionellen Systemen Nachteile zeigten. Nur aufgrund der Beharrlichkeit von kommunalen Entscheidungsträgern wurden diese genauer untersucht, positiv bewertet und durchgeführt. Ein Beispiel: In unserem Projekt des Gefahrenabwehrzentrums Olpe wird ein umweltschonendes und effizientes Energiekonzept über Eisspeicher zum Kühlen und Heizen des Gebäudes eingesetzt. Der Eisspeicher dient der Energiezwischenspeicherung. Für die Entscheidung wurde durch politischen Beschluss eine separate Untersuchung in Auftrag gegeben, die die Wirtschaftlichkeit, auch im Betrieb, nachgewiesen und letztendlich die Entscheidung zur Umsetzung ermöglicht hat. In einem weiteren kommunalen Projekt wird auf ein Forschungsprojekt einer Hochschule gesetzt, die überschüssige Wärme aus energieintensiven Betrieben der angrenzenden Industrie für das Bauvorhaben einzusetzen. Auch unkonventionelle Schritte wie z.B. die Verwendung von Kühlpotentialen eines U-Bahn-Schachtes sind Lösungsansätze, die seriös untersucht werden.

Anreize

Oftmals scheuen öffentliche Auftraggeber in Ausschreibungen und Planungs-Verfahren die konsequenten Vorgaben von innovativen Konzepten, da ein eingeschränkter Bieterkreis bzw. Preisexplosion befürchtet wird. Wer ein Gebäude mit Holzbauteilen errichten möchte, sollte dies auch zur Vorgabe machen und keine Möglichkeiten bieten, konventionelle Bauweisen zuzulassen. Hier muss die Bereitschaft gesteigert und Mut und Risiko der kommunalen Entscheidungsträger belohnt werden, indem der Gesetzgeber finanzielle Anreize liefert, die nicht nur auf die Übererfüllung des Wärmeschutzes abzielen. Auf diese Weise können innovative wirtschaftliche Konzepte gefördert werden, die neue Antworten auf den zukünftigen Einsatz von Ressourcen bieten und letztendlich eine langfristige Wertsteigerung der Immobilie bedeuten.

Sven Gaeßler wurde 1969 in Köln geboren. Nach seinem Architekturstudium an der Fachhochschule Köln arbeitete er seit 1993 als Architekt bei GATERMANN + SCHOSSIG, ab 1997 als Projektleiter. 2012 wurde er Prokurist des Büros, im Jahr 2013 übernahm er als Teilhaber die Geschäftsführung. Seit 2020 leitet er mit Prof. Dörte Gatermann und Jan Rübenstrunk als geschäftsführender Gesellschafter SUPERGELB ARCHITEKTEN. Projekte aus den Bereichen Verwaltung, Bauten der öffentlichen Sicherheit, Wohnen, Kultur und Industrie bilden das Leistungsspektrum – von der Masterplanung bis zum Interior Design.

Das Büro gewann mit Sven Gaeßler zahlreiche Architekturwettbewerbe und Auszeichnungen. Innovative Gebäudekonzepte, systematische detailsichere Planungen in elementierter und serieller Bauweise sowie die konsequente Umsetzung prägen die Haltung von Sven Gaeßler. Den besonderen Fokus bildet die Entwicklung von modularen Fassaden. Zu seinen Arbeiten gehören Bauten wie das Hochhaus KölnTriangle, das Römermuseum im archäologischen Park Xanten, das Wohnhaus Neufert und Fassadenentwicklungen für Verwaltungsgebäude, Wohngebäude und Hotels.